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Ein Modell von MARECS
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Friedhofs-Orbit für MARECS B2

28/01/2002 912 views 1 likes
ESA / Space in Member States / Austria

Einer der ältesten und erfolgreichsten Kommunikationssatelliten der ESA, MARECS B2, wurde nach 18 Jahren zuverlässiger Arbeit abgeschaltet. Seine geplante Lebensdauer von sieben Jahren hat er damit weit überschritten. Ursprünglich als Reservesatellit gebaut, wurde er am 9. November 1984 mit einer Ariane-Trägerrakete in die geostationäre Bahn gebracht und über dem Pazifischen Ozean positioniert.

Maritime Kommunikationssatelliten der ESA

Im Rahmen des Telekommunikationssatelliten-Programms der ESA entstanden Anfang der achtziger Jahre auch zwei Satelliten speziell für die Kommunikation zwischen Schiffen und Stationen auf dem Festland: MARECS A und B. Da MARECS B bei einem Fehlstart verloren ging, wurde ein Reserve-Exemplar unter der Bezeichnung MARECS B2 in den Weltraum geschickt.

MARECS A sowie B2 nutzte die internationale Organisation INMARSAT. Diese zwischenstaatliche Wirtschaftsorganisation ist u.a. für den Betrieb eines weltweiten Seefunksystems der internationalen Handels- und Fischerei-Schifffahrt mit Hilfe von Nachrichtensatelliten zuständig. INMARSAT konzentriert sich hierbei auf den maritimen Bereich. Seine Dienste können aber von allen Verkehrsträgern genutzt werden, also neben den Schiffen auch von Flugzeugen, Autos oder Zügen. Zu den von INMARSAT ganz oder teilweise betriebenen Raumflugkörpern gehören MARECS-, Marisat- und Intelsat-Satelliten.

Bis zum Einsatz der beiden europäischen MARECS-Satelliten wurde die Verbindung zwischen Schiffen auf hoher See und den Küstenstationen nur über störanfällige Kurzwellenverbindungen aufrechterhalten. An Datenübertragungen in größerem Umfang war überhaupt nicht zu denken. Das änderte sich schlagartig mit dem Einsatz von Relaisstationen auf der geostationären Umlaufbahn. Nun konnten Telefongespräche mit hoher technischer Qualität geführt sowie Faxe und Daten übertragen werden. Zudem war auf den Schiffen der Empfang aktuellster Wettervorhersagen und neuester Nachrichten aus den Heimatländern möglich.

Ein Weltraumpionier nimmt Abschied

MARECS B2 auf der Spitze der Trägerrakete
MARECS B2 auf der Spitze der Trägerrakete

Nach 18 Jahren exzellenter Arbeit wurden die Transponder von MARECS B2 abgeschaltet. Gegenwärtig wird der Satellit von seiner Arbeitsposition in den 300 km höher gelegenen "Friedhofsorbit" befördert. Diese Maßnahme ist nötig, um auf der geostationären Bahn über dem Erdäquator Platz für künftige aktive Satelliten zu schaffen. Dazu wird das Bordtriebwerk von MARECS B2 mehrfach gezündet, bis der Satellit seine richtige Endposition erreicht hat. Zuständig für diesen Prozess ist die Bodenstation des Europäischen Satellitenkontrollzentrums ESOC in Redu, Belgien. Die Verantwortung für den Betrieb dieses Kommunikationssatelliten bekam Redu 1997 vom ESOC-Kontrollzentrum in Darmstadt übertragen.
Jetzt müssen sich die Techniker der Station als "kosmische Totengräber" betätigen. Neben den Kommandos zur Bahnänderung werden die Verantwortlichen Anweisungen für umfangreiche Sicherungsprozeduren senden. So soll der Empfang unerwünschter Kommandos oder Signale, die den Satelliten auf seiner Bahn destabilisieren könnten, verhindert werden. Weitere Vorsorgemaßnahmen dienen der Sicherung der Batterien und des restlichen Treibstoffs an Bord, um später gegebenenfalls Korrekturen am Bahnverlauf vornehmen zu können. Ausgediente nicht mehr kontrollierbare Raumflugkörper haben schließlich schon für manchen Ärger gesorgt. Ganz zum Schluss werden alle Bordsysteme abgeschaltet und lediglich der Bahnverlauf weiter beobachtet.

MARECS und der 11. September

Das Abschalten von MARECS B2 hat keine technischen Ursachen. Alle Systeme arbeiteten nach wie vor einwandfrei. Für die weitere Arbeit befand sich auch noch genügend Treibstoff für Bahnkorrekturen und Aufgaben der Lageregelung an Bord. Aber der einst revolutionäre Satellit, der als einer der ersten sichere und qualitativ hochwertige Verbindungen zwischen Schiffen und dem Festland ermöglichte, hatte keine Aufgaben mehr. Inzwischen sind beide MARECS-Satelliten auch durch leistungsfähigere Raumflugkörper ersetzt worden.

MARECS B2 sollte ursprünglich – als letzte Aufgabe – in der Antarktisforschung eingesetzt werden. Der Satellit hätte hierbei als Kommunikationsrelais zwischen der Zentrale der American National Science Foundation und einer ihrer Antarktischen Forschungsstationen gedient. Doch die Ereignisse am 11. September in New York haben leider das Vorhaben zu Fall gebracht. Pietro LoGalbo vom Telecommunications Department der ESA erläuterte die Situation:

"Unglücklicherweise hatten die politischen und ökonomischen Folgen von dem amerikanischen Ereignis auch Einfluss auf die Aktivitäten der American National Science Foundation. Sie zog ihren Auftrag für die Kommunikationsdienstleistung zur Antarktis zurück. Damit hatte der Satellit keinen kommerziellen Background und keine Zukunft mehr. Es ist schlecht, dass einer der ältesten Satelliten der ESA jetzt abgeschaltet werden musste, aber nachdem er viele Jahre eine wichtige Arbeit verrichtet hat, ist seine Zeit vorbei. Die ESA ist stolz auf die Entwicklung dieses Raumflugkörpers, aber wir müssen jetzt in die Zukunft der maritimen Kommunikation schauen und die besten und neuesten Dienste der Seefahrt zur Verfügung stellen."

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