N° 15–2003: Europäische Astronomen beobachten erstmals verdampfenden Planeten
12 March 2003
Mit Hilfe des Hubble-Weltraumteleskops ist es Astronomen erstmals gelungen, das Verdampfen der Atmosphäre eines extrasolaren Planeten zu beobachten. Auf Dauer könnte ein großer Teil dieses Planeten verschwinden und lediglich ein dichter Kern zurückbleiben. Extrasolare Planeten dieser Art wurden „heiße Jupiter“ getauft. Diese Gasriesen befinden sich in sehr nahen Umlaufbahnen um ihren Stern und werden von ihm angezogen wie Nachtfalter vom Licht.
Der Exoplanet mit der Bezeichnung HD 209458b umkreist seinen gelblichen, sonnenähnlichen Stern in „nur“ 7 Millionen km Entfernung (zum Vergleich: Jupiter, der nächste Gasriese in unserem Sonnensystem, ist 780 Millionen km von unserer Sonne entfernt). Für eine Umrundung seines Sterns benötigt er 3,5 Tage. Die jüngsten Beobachtungen mit dem gemeinsam von der ESA und der NASA betriebenen Hubble-Weltraumteleskop zeigen, daß der Planet von einer heißen, aufgeblähten und in den Weltraum entweichenden Wasserstoffatmosphäre umgeben ist. Wegen dieser riesigen Wasserstoffhülle gleicht der Planet einem Kometen, da er einen Schweif hinter sich herzieht. Auch die Erde hat eine ausgedehnte Atmosphäre, aus der Wasserstoffgas entweicht, aber die Verlustrate ist deutlich niedriger.
Die Entdeckung wird von einem vornehmlich europäischen Team unter der Leitung von Alfred Vidal-Madjar (Institut für Astrophysik des CNRS in Paris (IAP/CNRS), Frankreich) in der am 13. März erscheinenden Ausgabe der Fachzeitschrift „Nature“ bekanntgegeben. „Uns überraschte, daß sich die Wasserstoffatmosphäre dieses Planeten über 200 000 km erstreckt“, so Vidal-Madjar.
Die Erforschung extrasolarer Planeten ist keine einfache Angelegenheit, vor allem wenn sie ihrem Zentralstern sehr nahe sind, weil in der Regel das Sternenlicht zu stark blendet. Auch in diesem Fall konnte Hubble den Planeten wegen seiner zu großen Nähe zu seinem Stern nicht direkt fotografieren. Die Astronomen konnten HD 209458b jedoch indirekt beobachten, da er jedesmal, wenn er vor dem Stern vorbeizieht, das Licht eines kleinen Teils des Sterns verdeckt. Licht, das um den Planeten herum dessen Atmosphäre durchdringt, wird gestreut und erhält eine für diese Atmosphäre charakteristische „Signatur“. Vergleichbar ist dies mit dem Sonnenlicht, das die Erdatmosphäre bei Sonnenuntergang in schrägem Winkel durchdringt und dadurch rot erscheint. Mit Hilfe von Hubbles abbildendem Spektrographen (STIS) konnten die Astronomen messen, wieviel die Atmosphäre des Planeten aus den Lichtstrahlen des Sterns herausfiltert. Sie sahen einen überraschenden Abfall in der Wasserstoffemission des Sterns, wofür das Vorhandensein einer riesigen, aufgeblähten Atmosphäre die beste Erklärung ist.
Warum entweicht die Atmosphäre? Die äußere Atmosphäre des Planeten wird durch den nahen Stern so stark erhitzt und aufgebläht, daß sie beginnt, sich der Anziehungskraft des Planeten zu entziehen. Unter dem Einfluß der von dem Stern ausgehenden sengenden Hitze verdampft der Wasserstoff in der oberen Atmosphäre des Planeten. „Die Atmosphäre wird erhitzt, so daß der Wasserstoff sich der Anziehungskraft des Planeten entzieht und unter dem Druck des Sternenlichts zu einem breiten Schweif hinter dem Planeten aufgefächert wird, der dem eines Kometen ähnelt“, sagt Alain Lecavelier des Etangs vom Pariser Institut für Astrophysik. Die Astronomen schätzen, daß mindestens 10 000 Tonnen Wasserstoff pro Sekunde von HD 209458b entweichen, möglicherweise aber noch viel mehr. Der Planet könnte daher bereits einen recht großen Teil seiner Masse verloren haben.
HD 209458b gehört zu einer besonderen Art extrasolarer Planeten, die als „heiße Jupiter“ bekannt sind. Diese Planeten umkreisen ihren Stern in gefährlicher Nähe. Es handelt sich um gasförmige Riesenplaneten, die sich wohl in den kalten Randregionen des Sternensystems gebildet und dann spiralförmig zu ihren nahen Umlaufbahnen hinbewegt haben. Diese neue Entdeckung könnte erklären helfen, warum heiße Jupiter ihr Zentralgestirn so oft in einem Abstand von wenigen Millionen Kilometern umlaufen. Sie kommen ihrem Stern selten näher als 7 Millionen Kilometer - die Entfernung im Fall von HD 209458b. Der kürzeste bekannte Abstand beträgt 5,7 Millionen Kilometer. Heiße Jupiter haben eine Umlaufzeit von höchstens 3 Tagen. Vielleicht ist die Verdampfung der Atmosphäre eine mögliche Erklärung für die den Umlaufbahnen heißer Jupiter gesetzte innere Grenze.
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Anmerkungen für die Redaktionen:
HD 209458b hat einen 1,3 mal größeren Durchmesser als Jupiter und ein Drittel weniger Masse. Seine Umlaufbahn ist 8 mal kleiner als die Bahn des Merkur um die Sonne. Der Zentralstern ähnelt unserer Sonne und ist 150 Lichtjahre von der Erde entfernt. Mit dem Fernglas ist er im Sternbild Pegasus als Stern der siebten Größenklasse erkennbar. Er erlangte 1999 plötzlich astronomische Berühmtheit, als der extrasolare Planet HD 209458b vor ihm vorbeizog und ihn teilweise verdeckte. Damals konnte erstmals die Entdeckung eines vorbeiziehenden extrasolaren Planeten bestätigt werden. Im Jahr 2001 wurde dann mit dem Hubble-Teleskop im unteren Teil der Gashülle dieses Planeten das Element Natrium als erster Hinweis auf die Existenz einer Atmosphäre bei einem extrasolaren Planeten aufgespürt.
Das Wissenschaftlerteam besteht aus A. Vidal-Madjar, dem führenden Verfasser des Artikels über die Entdeckung, A. Lecavelier des Etangs und J.M. Désert (IAP/CNRS, Frankreich), G. Ballester (Universität von Arizona, USA), R. Ferlet und G. Hébrard (IAP/CNRS, Frankreich) sowie M. Mayor (Genfer Observatorium, Schweiz). Sie haben mit Hubble drei Durchgänge des Planeten vor dem Zentralstern aufgezeichnet. Die Beobachtungen der Hülle aus atomarem Wasserstoff wurden mit dem Hubble-Spektrographen STIS im Ultraviolett-(Lyman-alpha-)Licht angestellt. Dank seiner Position oberhalb der Erdatmosphäre ist Hubble gegenwärtig das einzige Teleskop, mit dem solche Untersuchungen im Ultraviolettbereich möglich sind.
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Die Suche nach extrasolaren Planeten und deren Erforschung ist Gegenstand mehrerer wissenschaftlicher ESA-Missionen. Unter anderem soll die im Jahr 2007 zu startende Mission „Eddington“ die Entdeckung zahlreicher vorbeiziehender Planeten aller Art, darunter auch viele „heiße Jupiter“ des gleichen Typs wie HD 209458b, ermöglichen. Diese bilden ideale Zielobjekte für ähnlich aufschlußreiche Folgeuntersuchungen mit großen weltraum-und bodengestützten Teleskopen.
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Alfred Vidal-Madjar, Institut für Astrophysik des CNRS in Paris, Frankreich
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Allgemeine Informationen über die ESA: http://www.esa.int
Für Rundfunkanstalten sind Computeranimationen der Entdeckung sowie Hintergrundreportagen über das Hubble-Weltraumteleskop beim ESA-Fernsehdienst über http://television.esa.int erhältlich.
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