Experten der ESA koordinieren eine internationale Kampagne zum Wiedereintritt von Phobos-Grunt
Experten des ESA-Büros für Weltraumschrott koordinieren eine internationale Kampagne zur Beurteilung des erwarteten Wiedereintritts der russischen Marssonde Phobos-Grunt in die Erdatmosphäre. An dem 12 Mitglieder starken, agenturübergreifenden Weltraumschrott-Komitee IADC sind auch die NASA und Roskosmos beteiligt.
Die ESA-Experten arbeiten mit internationalen Partnern an einer koordinierten Kampagne zur Vorhersage des Wiedereintritts von Phobos-Grunt, einer russischen Marssonde, die in den nächsten Tagen vermutlich größtenteils in der Erdatmosphäre verglühen wird.
Phobos-Grunt wurde am 8. November 2011 in eine anfängliche Umlaufbahn von 206 x 341 Kilometern gebracht. Der Einschuss in eine Fluchtbahn zum Mars scheiterte und die Raumsonde wurde von der russischen Raumfahrtbehörde Roskosmos am 13. Dezember für verloren erklärt.
Am 2. Januar 2012 wurde eine umfassende Kampagne zur Vorhersage des Wiedereintritts von Phobos-Grunt durch das aus 12 Nationen bestehende „Inter-Agency Space Debris Coordination Committee“ (IADC) initiiert, ein technisches Forum zur weltweiten Koordination von Aktivitäten im Zusammenhang mit natürlichen und künstlich geschaffenen Trümmern im Weltall.
Zu den IADC-Mitgliedern gehören ESA, NASA, europäische Behörden und die Weltraumbehörden von Russland, China, Kanada, Japan, Ukraine und Indien.
Wiedereintritts-Datenbank beim ESOC in Darmstadt
Der Datenserver für den Austausch von Orbitdaten und Wiedereintrittsvorhersagen unter den IADC- Mitgliedern steht im ESA-Büro für Weltraumrückstände beim Raumfahrtkontrollzentrum ESOC in Darmstadt.
Die Orbitdaten von Phobos-Grunt werden hauptsächlich von den Weltraumüberwachungssystemen der USA (SSN) und Russlands (SSS) bereitgestellt. Darüberhinaus tragen europäische Radare, insbesondere das deutsche TIRA (Tracking and Imaging Radar) des Fraunhofer FHR zur verbesserten Bahnvermessung bei. TIRA erzeugt zusätzlich hochaufgelöste Radarbilder, mit deren Hilfe Rückschlüsse auf die Satelliten-Lage und -Integrität gezogen werden können. Aufgrund dieser Daten gibt die ESA dann Wiedereintrittsvorhersagen in Form von Bulletins an die Mitgliederstaaten heraus.
Nach Angaben der russischen Eigentümer besitzt Phobos-Grunt eine Masse von 13,5 Tonnen, wovon etwa elf Tonnen Treibstoff sind, und eine Größe von ungefähr 3,76 Meter x 3,76 Meter (7,97 Meter mit Solarzellenausleger) x 6,38 Meter.
Viele Faktoren beeinflussen Wiedereintritt
„In der Weltraumumgebung von Phobos-Grunt existieren viele Faktoren, deren Einfluss auf den Satelliten schwer abzuschätzen ist. Die Anzeichen deuten jedoch darauf hin, dass Phobos-Grunt zwischen dem 13. und dem 17. Januar irgendwo zwischen 51,4 Grad nördlicher und 51,4 Grad südlicher Breite wiedereintritt,“ so Prof. Heiner Klinkrad, Leiter des ESA-Büros für Weltraumschrott.
Er fügt hinzu, dass dieses Zeitfenster kleiner wird, je näher wir dem erwarteten Wiedereintritt kommen.
„Analysen von Roskosmos und der NASA zeigen auf, dass die mit unsymmetrischen Dimethylhydrazin (UDMH) gefüllten Treibstofftanks oberhalb einer Höhe von 100 Kilometer bersten, den Treibstoff freisetzen und danach zum Großteil verglühen werden.“
„Dies, zusammen mit einem relativ niedrigen Leergewicht von nur 2,5 Tonnen, bedeutet, dass das von Phobos-Grunt ausgehende Risiko als gering eingestuft wird. Roskosmos geht davon aus, dass im schlimmsten Fall 20 bis 30 Fragmente die Erdoberfläche erreichen werden. Die Gesamtmasse der Trümmer beträgt dabei weniger als 200 kg,“ sagte Klinkrad.
Seit Anbeginn der Raumfahrt gibt es keinen bestätigten Bericht über Personenschäden durch wiedereingetretene Weltraumtrümmer.
In den letzten Jahren haben die Mitglieder des IADC ein Netzwerk zum Datenaustausch für die Beurteilung von potenziell gefährlichen Wiedereintritten entwickelt. Damit können die Mitglieder Orbitdaten austauschen, um so die Wiedereintrittsvorhersagen genauer zu gestalten.
Die Mitglieder des IADC nutzen die Ergebnisse aus der Kampagne zum Wiedereintritt von Phobos-Grunt zur Verbesserung von Wiedereintrittsmodellen, um zukünftige Vorhersagen genauer machen zu können.
Zwei Jahrzehnte Weltraumschrott-Kooperation bei ESA
Das ESA-Büro für Weltraumschrott arbeitet seit über 20 Jahren eng mit den internationalen Partnern zusammen, um die Kenntnisse über Weltraumtrümmer zu verbessern, Maßnahmen zur Risikominderung zu entwickeln und die Forschungsergebnisse zu teilen.
Weltraumlageerfassung (SSA)
2009 startete die ESA ein „Vorläuferprogramm zur Weltraumlageerfassung“ (Space Situational Awareness Preparatory Programme - SSA-PP), welches unter anderem darauf abzielt, Beobachtungs- und Überwachungssysteme zu entwickeln, mit denen Europa höchstgenaue Orbitvorhersagen erzeugen kann, wie dies heute von anderen Raumfahrtnationen praktiziert wird.
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