Österreich: Auf dem Weg zur Weltraumnation
Das ESA-Mitgliedsland Österreich gehört zu den wenigen Staaten, die bereits einen Raumfahrer ins All entsenden konnten. Nunmehr will die Alpenrepublik den ersten nationalen Satelliten TUGSat 1 in den Orbit bringen und damit in den erlauchten Kreis der Weltraumnationen aufsteigen.
Österreichs Raumfahrtszene ist klein, aber fein. Sie hat sich besonders in drei klassischen Gebieten der Weltraumwissenschaften einen klangvollen Namen erarbeitet: in der Astronomie, in der Erforschung des Sonnensystems und in der Erdbeobachtung. Die dabei erworbene Kompetenz spiegelt sich zum einen in der Teilnahme an internationalen Missionen wider, welche schwerpunktmäßig innerhalb der ESA liegen, zum anderen in den Möglichkeiten der Einflussnahme. So ist Österreich seit Beginn des Jahres erstmals sowohl im Wissenschaftlichen Programmrat der ESA, in dem die Weichen für die zukünftige Ausrichtung des Wissenschaftsprogramms gestellt werden, als auch in sämtlichen wissenschaftlichen Beratungsgremien der ESA vertreten.
Österreichs Erfolgsgeschichte in der Raumfahrt widerspiegelt sich aber auch in der Hardware: Heute startet kein Satellit der Europäischen Weltraumorganisation, der nicht Technologie der Rot-Weiß-Roten Republik an Bord hat.
Erster Austria-Satellit soll 2008 ins All fliegen
Vorrangiges Ziel der Alpenrepublik war und ist es jedoch, die in Österreich entwickelten Stärken im Zuge einer nationalen Profilbildung weiter auszubauen. Diesem Ziel dient das Projekt „BRITE-Austria“ (BRIght Target Explorer), in dessen Mittelpunkt Entwicklung und Bau des ersten nationalen Satelliten TUGSat 1 (Technische Universität Graz Satellit) steht. "Damit gelingt uns erstmals der Sprung vom Zulieferer zur System-Verantwortung“, erklärte Klaus Pseiner, Chef der Österreichischen Forschungsförderungsgesellschaft FFG. Ein entsprechender Vertrag ist im Februar 2006 von der FFG unterzeichnet worden, die 450 000 Euro aus ihrem Budget für das Projekt aus dem österreichischen nationalen Weltraumprogramm bereitstellt, das vom Bundesministerium für Verkehr, Innovation und Technologie (BMViT) ins Leben gerufen wurde.
Bereits zweimal wollte Österreich einen eigenen Satelliten in den Weltraum schicken. Angedacht waren der Start eines Subsatelliten aus der russischen Raumstation MIR sowie ein Satellitenprojekt mit der Schweiz. Beide Pläne scheiterten. Aber wie so oft im Leben: Alle guten Dinge sind bekanntlich drei. „Diesmal packen wir es“, davon ist Otto Koudelka, Projektverantwortlicher der TU Graz, felsenfest überzeugt. Der tatendurstige Uni-Professor und nunmehr Manager österreichischer Sternenträume ist hochzufrieden, wenngleich noch nicht alle Fragen geklärt sind.
2008 soll Österreichs Nummer Eins mit einer russischen oder europäischen Trägerrakete – von Plessezk, Baikonur oder Kourou aus – ins All starten. Bis dahin muss der Kunstmondpionier entwickelt und gebaut worden sein. Unter Federführung der TU Graz arbeiten Experten österreichischer Universitäten aus den Fachbereichen Elektrotechnik, Telematik, Astronomie, Satellitengeodäsie, Mechanik und Thermodynamik zwei Jahre lang an der Realisierung des Projekts. Hauptkooperationspartner sind hierbei die TU Graz, die TU Wien sowie die Universität Wien. Mit einbezogen ist auch die Universität Toronto, zu der eine langjährige enge Kooperation im Rahmen der Astrosatellitenmission MOST besteht.
TUGSat 1: Klein, aber oho
Ein nicht unbedeutender Kostenfaktor ist der Transport der Nutzlast ins All. Selbst heute, fast 50 Jahre nach dem Start von Sputnik 1, liegen die Kosten noch bei 12 000 bis 30 000 Euro pro Kilogramm Nutzlast. Österreich setzt daher – dem internationalen Trend folgend – bewusst auf Miniaturisierung aller Gerätschaften, extrem hohe Leistungs- und Genauigkeitsanforderungen sowie den Einsatz neuartiger Materialien. Für TUGSat 1 wird zudem eine kostengünstige Satellitenplattform entwickelt, die für künftige Weltraummissionen multivalent nutzbar ist.
Der mit Teleskop, Computer, Massenspeicher, Lageregelung, thermischer Kontrolle, Stromversorgung und zuverlässiger Datenübertragung ausgerüstete TUGSAT 1 wird lediglich etwa 5 Kilogramm wiegen. Er gehört damit zur Klasse der Nanosatelliten. In dieser Gewichtsklasse gab es bislang keinen Satelliten mit einer präzisen Dreiachsenstabilisierung – eine österreichische Innovation. Hinter TUGSat 1 verbirgt sich also mehr als ein Würfel mit 20 Zentimeter Kantenlänge. Mit ihm soll grundlegendes Know-how gewonnen werden. Schließlich soll der „Kleine“ es mit den „Großen“ seiner Zunft aufnehmen können.
Im Focus: Leben aus Sternenasche
Österreichs Zauberwürfel soll Riesengroßes erfassen: unser Universum. Genau genommen geht es um die chemische Entwicklung des Universums. Die Astronomen wollen einige Widersprüche klären, die die bisherigen Modelle der Sternentstehung in sich tragen.
Nach den bislang gängigen Theorien der Astrophysiker wurden sämtliche chemischen Elemente – außer den leichtesten wie Wasserstoff und Helium – in massereichen Sternen durch nukleares Brennen erbrütet. Doch diese Sterne leben nicht ewig. Am Ende ihres Lebensweges müssen sie sterben. Sie explodieren als Supernovae und schleudern ihre Asche ins All. Dort vermischt sie sich mit anderer Materie, aus der wiederum neue Sterne entstehen. Diese Prozesse laufen seit dem Urknall vor etwa 14 Milliarden Jahren immer wieder neu ab. Von einer Sternengeneration zur nächsten erhöht sich auf diese Weise der Anteil schwerer Elemente im Weltraum.
Massereiche Sterne bestimmen somit seit der Entstehung unseres Universums dessen Chemie. Sie haben damit auch die Voraussetzungen für das Leben auf der Erde geschaffen. Fast alles, woraus ein Mensch besteht, war einmal Sternmaterie. Ohne den Tod dieser Sterne gäbe es kein Leben auf der Erde. Jedes schwere Element, aus dem unsere Erde und auch wir selbst bestehen, wurde in früheren Jahrmilliarden in Sternen erzeugt. Jeder von uns trägt also die Asche ausgebrannter Sterne in sich.
Für das Hauptinstrument von TUGSat 1, eine multispektral arbeitende Sternenkamera, zeichnet Prof. Werner Weiss vom Institut für Astronomie der Fakultät für Geowissenschaften, Geographie und Astronomie an der Universität Wien verantwortlich. „Mit … ihm wollen wir neue Erkenntnisse über die chemischen und physikalischen Vorgänge in diesen Sternen gewinnen“, erklärt er. Das Verblüffende an der Methode ist, dass sich aus den von dem Satelliten gelieferten photometrischen Datensätzen „Röntgenbilder“ der Sterne herstellen lassen, die die Strukturen im Sterninneren offenbaren. Die Astronomen könnten somit in das Innere der massereichen Sterne blicken.
Ziel 2008: Österreich wird Weltraumnation
Verläuft alles planmäßig, dann steigt Österreich 2008 in den Kreis der Weltraumnationen auf. Der alpenländische Kunstmond soll mindestens zwei Jahre lang aus einem 800 Kilometer hohen Orbit die kosmischen Beobachtungen durchführen. Für den Empfang der wissenschaftlichen Daten stehen Bodenstationen in Graz, Wien und Toronto zur Verfügung. Zur Steuerung und Überwachung des Satelliten wird in Graz ein Kontrollzentrum eingerichtet, eine Art Austria-Houston. Graz steigt damit zur österreichischen Weltraum-Schaltzentrale auf.
Die Ziffer „1“ hinter dem Satellitennamen lässt bereits erahnen, dass TUGSat nicht lange alleine bleiben wird. Im Gespräch sind verschiedene Projekte, darunter auch eine Raumflotte mit zwei bis drei Nanosatelliten. Wir dürfen also auf die kommenden Satelliten der Weltraumnation Österreich gespannt sein.
Ansprechpartner
Univ.-Prof. Dipl.-Ing. Dr. techn. Otto Koudelka
Technische Universität Graz
Institut für Kommunikationsnetze und Satellitenkommunikation
Inffeldgasse 12
A - 8010 Graz
Tel.: +43 316 873-7441
Fax: +43 316 463697
E-Mail: tugsat1 @iks.tugraz.at
Univ.-Prof. Dr. Werner W. Weiss
Institut für Astronomie der Fakultät für Geowissenschaften, Geographie und Astronomie
Universität Wien
Türkenschanzstraße 17
Tel: +431 4277518-70
A - 1180 Wien
weiss @astro.univie.ac.at