Europa mit SMART-1 auf Mondentdeckung
ESA PR 30-2006. Nun hat es auch Europa bis zum Mond geschafft. Am frühen Morgen des 3. September (nach gegenwärtigen Schätzungen um 07.41 Uhr MESZ) wird die ESA-Mondsonde SMART-1 mit einem Aufprall auf der Oberfläche des Mondes ihre Explorationsreise beenden.
Das Abenteuer begann im September 2003, als die Sonde an Bord einer Ariane-5-Trägerrakete von Europas Raumflughafen in Kourou (Französisch-Guayana) in die Erdumlaufbahn startete. SMART-1 ist eine kleine, 366 kg schwere, unbemannte Raumsonde, die ohne ihre 14 m großen, beim Start zusammengefalteten Sonnensegel fast in einen nur 1 m breiten Würfel passen würde.
Nach dem Start und der Einbringung in eine elliptische Erdumlaufbahn vergrößerte SMART-1, von ihrem hochinnovativen, elektrischen Ionentriebwerk angetrieben, in immer weiteren spiralförmigen Umlaufbahnen ihren Abstand zur Erde, um nach einer ca. 14 Monate langen Reise auf die Mondumlaufbahn zu gelangen.
Auf ihrer spiralförmigen Reise legte die Raumsonde ca. 100 Millionen km zurück, um die 385 000 km große Entfernung zwischen Erde und Mond zu überbrücken. Dabei verbrauchte das äußerst effiziente Triebwerk lediglich 60 Liter Xenon-Treibstoff! Die Sonde wurde im November 2004 vom Schwerefeld des Mondes erfasst und führt seit März 2005 auf einer elliptischen Bahn um seine Pole ihre wissenschaftlichen Beobachtungen durch. SMART-1 ist derzeit die einzige Sonde auf einer Mondumlaufbahn und soll den Weg für die ab 2007 startenden internationalen Mondorbiter ebnen.
Die Mission von SMART-1 geht nun ihrem Ende entgegen. In der Nacht von Samstag, den 2. auf Sonntag, den 3. September wird bei einer Beobachtung des Mondes mit einem leistungsstarken Teleskop vielleicht etwas ganz Besonderes zu sehen sein. Denn wie die meisten ihrer Vorgänger wird dann auch SMART-1 ihre Entdeckungsreise mit einer relativ abrupten Landung auf dem Mond beenden. Die Sonde wird um 07.41 Uhr MESZ (05.41 Uhr GMT) in der mittleren Südregion der der Erde zugewandten Seite des Mondes in dem unter dem Namen „Lake of Excellence” bekannten Gebiet aufschlagen; der Aufprall könnte indes bereits 5 Stunden früher erfolgen, sollte SMART-1 auf ihrer Flugbahn mit der Spitze eines bisher nicht in den Verzeichnissen erfassten Hügels kollidieren.
Der Missionsabschluss naht
Nachdem SMART-1 in einer Entfernung von 300 bis 3 000 km 16 Monate lang auf einer elliptischen Umkreisung der Mondpole wissenschaftliche Ergebnisse zusammentrug, geht die Mission nun ihrem Ende entgegen. Die Sonde befindet sich derzeit in einer Höhe von unter 300 km über der Mondoberfläche und wird dort einige Gebiete näher beobachten, bevor sie ihre in Ort und Zeit festgelegte Landung auf dem Mond vollziehen wird. Anschließend wird sie ihr Leben beenden.
Mit einer Aufprallgeschwindigkeit von „nur“ 2 km/s (7 200 km/h) werde SMART-1 einen bescheidenen, 3 bis 10 m breiten Krater schlagen, erklärt der Projektwissenschaftler für SMART-1, Bernard Foing und fährt fort: „Dies entspricht in etwa dem Einschlagkrater eines 1 kg schweren Meteoriten auf der bereits stark von natürlichen Einschlägen gezeichneten Mondoberfläche.“
Die letzten Minuten vor dem Aufprall werden im Satellitenkontrollzentrum der ESA (ESOC) in Darmstadt nahe Frankfurt Schritt für Schritt überwacht werden.
Letzte Einsatzhöhepunkte von SMART-1
Bereits im Juni wurden vom ESOC aus mehrmals die Triebwerke der Sonde gezündet, um Zeit und Ort des Aufpralls von SMART-1 auf der Mondoberfläche zu optimieren. Zu diesem Zweck mussten die Triebwerke zur Korrektur der Fluglage verwendet werden, da das gesamte Xenon des Ionentriebwerks 2005 verbraucht worden war.
Durch die verschiedenen Manöver wurden Zeit und Ort des Aufpralls verändert, der sonst Mitte August auf der erdabgewandten Seite des Mondes erfolgt wäre. Nach aktuellen Schätzungen soll der Aufschlag nun am Sonntag, den 3. September um 07.41 Uhr MESZ (05.41 Uhr GMT) auf der der Erde zugewandten Seite erfolgen.
„Die Missionskontrolleure und Flugingenieure haben die Manöverdaten analysiert, um diese Schätzungen zu bestätigen und noch detailliertere Angaben zu erhalten”, so Octavio Camino-Ramos, der Betriebsleiter für SMART-1 im ESOC. „Für den 25. August sind letzte Kurskorrekturen geplant, die sich noch auf die endgültige Aufprallzeit auswirken könnten.“
Die Beobachtung des Aufpralls wird mit mehreren großen Bodenteleskopen erfolgen. Dabei stehen folgende Ziele im Vordergrund:
- Untersuchung der physikalischen Auswirkungen (abgesprengtes Material, Aufprallmasse, -dynamik und -energie);
- Analyse der Oberflächenchemie durch die Messung der Strahlung des abgesprengten Materials („Spektren“);
- Technologische Analyse der Sonde zur besseren Vorbereitung künftiger Aufprallexperimente (z.B. dem Einsatz von Satelliten zum Abfangen von für die Erde bedrohlichen Meteoriten).
Pressebriefing am 3. September, große Pressekonferenz am 4. September
Medienvertreter, die den Aufprall im ESOC am frühen Morgen des 3. September live miterleben und Experten und Wissenschaftler der ESA interviewen oder an der Pressekonferenz zu den ersten Ergebnissen des Aufpralls am Montag, den 4. September teilnehmen möchten, werden gebeten, das beiliegende Anmeldungsformular auszufüllen und dieses bis Donnerstag, den 31. August per Fax an das ESOC-Kommunikationsbüro zu schicken.
Hinweise für die Redakteure
Hintergrundinformationen zur SMART-1-Mission
SMART-1 ist mit hochmodernen technischen Geräten und wissenschaftlichen Instrumenten ausgestattet. Bei ihrem Ionenantrieb wird ein stetiger Strahl geladener Teilchen (Ionen) ausgestoßen, mit dem der für die Fortbewegung der Raumsonde notwendige Schub erzeugt wird. Die Antriebsenergie wird mit Hilfe von Sonnensegeln gewonnen, daher auch der Ausdruck „solarelektrischer Antrieb“. Das Triebwerk erzeugt einen schwachen, stetigen Strahl, mit dem die Sonde relativ langsam vorangetrieben wird: die Beschleunigung von SMART-1 liegt bei nur 0,2 mm/s², der Schub entspricht dem Gewicht einer Postkarte.
Die Mondreise von SMART-1 erfolgte weder schnell noch auf direktem Wege, da die ESA zum ersten Mal eine interplanetare Reise zum Test eines elektrischen Antriebs simulieren wollte. Nach dem Start wurde SMART-1 auf eine elliptische Erdumlaufbahn eingebracht. Dann wurde das Ionentriebwerk der Sonde gezündet und sie schraubte sich in immer weiteren spiralförmigen Erdumlaufbahnen in Richtung Mondumlaufbahn empor.
Auf ihrer spiralförmigen Reise näherte sich SMART-1 dem Mond Monat für Monat und legte dabei über 100 Millionen km zurück, obwohl dieser auf direktem Wege nur zwischen 350 000 und 400 000 km von der Erde entfernt ist.
Bei der Annäherung an ihr Ziel nutzte die Sonde die Schwerkraft des Mondes, um an den Punkt zu gelangen, von dem aus sie im November 2004 von dessen Schwerefeld erfasst wurde. Anschließend begann SMART-1 im Januar 2005, sich auf ihre endgültige Einsatzbahn hinabzuschrauben, um den Mond auf einer elliptischen, polaren Umlaufbahn mit einem Periselen (mondnächster Punkt) von 300 km und einem Aposelen (mondfernster Punkt) von 3 000 km zu umrunden und ihre wissenschaftlichen Beobachtungen durchzuführen.
Was gab es noch Unbekanntes zu entdecken?
Trotz der Anzahl der Raumsonden, die bereits eine Mondreise unternommen haben, blieben viele wissenschaftliche Fragen zu unserem natürlichen Satelliten unbeantwortet, insbesondere in Bezug auf seinen Ursprung und seine Entwicklung sowie die Entstehung von felsigen Himmelskörpern durch den Einfluss von Tektonik, Vulkanismus, Kraterbildung und Erosion.
Dank SMART-1 verfügen die europäischen Wissenschaftler nun über die schärfsten Aufnahmen, die jemals aus der Mondumlaufbahn gemacht wurden, sowie über fundiertere Kenntnisse über die Mondminerale. Zum ersten Mal konnten vom Orbit aus mittels Röntgenaufnahmen Kalzium und Magnesium nachgewiesen sowie Veränderungen in der Zusammensetzung von Zentralbergen in Kratern, Vulkanebenen und riesigen Einschlagbecken gemessen werden. Zudem untersuchte SMART-1 Einschlagkrater, Vulkangebilde und Lavakanäle und beobachtete die Polregionen. Bei ihren Beobachtungen stieß die Sonde ferner auf ein Gebiet in der Nähe des Nordpols, in dem die Sonne immer, auch im Winter, scheint.
SMART-1 kreiste über den Mondpolen, sodass eine Kartierung des gesamten Mondes, auch seiner sehr viel weniger bekannten, erdabgewandten Seite möglich war. Die noch relativ unerforschten Pole sind für die Wissenschaftler von besonderem Interesse. Einige in den Polregionen auftretende Gebilde haben zudem eine andere geologische Geschichte als die näher erforschten Äquatorregionen, in denen alle bisherigen Mondsonden gelandet sind.
Mit SMART-1 und den gesammelten Missionsdaten leistet Europa einen beträchtlichen aktiven Beitrag zum internationalen Mondexplorationsprogramm der Zukunft. Zudem helfen die Ergebnisse der Mission von SMART-1 bei der Vorbereitung künftiger Mondmissionen wie der indischen Mission Chandrayaan-1, die die Infrarot- und Röntgenspektrometer von SMART-1 nutzen wird.
SMART-1 ist mit völlig neuen Instrumenten ausgestattet, die noch nie in Mondnähe eingesetzt wurden. Diese umfassen eine Miniaturkamera sowie Röntgen- und Infrarotspektrometer zur Beobachtung und Erforschung des Mondes.
Die Sonnensegel der Sonde verfügen über hochentwickelte Galliumarsenid-Solarzellen, die herkömmlichen Siliziumzellen vorgezogen wurden. Eines der Experimente an Bord von SMART-1 ist OBAN, mit dem ein neues Navigationssystem getestet wird, das künftigen Raumfahrzeugen gestatten soll, ohne Bodenkontrolle selbständig zu navigieren.
Die von SMART-1 getesteten Instrumente und Techniken zur Mondbeobachtung werden der ESA-Raumsonde BepiColombo bei ihrer Erforschung des Planeten Merkur zu Gute kommen.
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