Japans Umweltspäher: Der Herr der Baumhöhen
Japans neuester Hightech-Erdbeobachtungssatellit Daichi wird über Deutschland geeicht - ein beredtes Beispiel konstruktiver Zusammenarbeit der Raumfahrtagenturen aus Fernost, Europa und Deutschland. Ein Ziel ist die Ermittlung der weltweiten Biomasseproduktion.
Mit dem erfolgreichen Start des japanischen Erdbeobachtungssatelliten Daichi („Großes Land“) am 24. Januar 2006 vom Tanegashima Space Center im Süden Japans beginnt zugleich ein neues Kapitel der europäisch-japanischen Kooperation im Bereich der Erderkundung und Umweltüberwachung.
Japans neuester Fernerkundungsspäher dient der hochgenauen Erdbeobachtung. Daichi soll hauptsächlich zur Kartierung der Erdoberfläche und zur Beobachtung von Naturkatastrophen eingesetzt werden. Hierzu hat der Satellit drei Instrumente an Bord: ein L-Band-Radar (PalSAR), ein Instrument für Stereoaufnahmen (PRISM) und das Radiometer AVNIR 2.
Mit Daichi soll jedoch auch ein innovatives Radar-Verfahren zur Baumhöhenbestimmung aus dem All erprobt werden, mit dem die weltweite Biomasseproduktion ermittelt werden kann. Das Radar des japanischen Satelliten wird daher in den nächsten Wochen über Deutschland kalibriert, um ab November 2006 exakte Arbeitsdaten zu liefern. Die ESA wird als Verteiler für Bilder und Daten fungieren, die der fernöstliche Späher liefert.
Zwei Namen – ein Satellit
Japanische Satelliten tragen meistens zwei Namen: Sie werden zunächst unter ihrer Projektbezeichnung bekannt. Ist der Satellit erfolgreich gestartet worden, erhält er von der japanischen Raumfahrtagentur JAXA einen landestypischen Namen, was manchmal zu Verwirrungen führt. So auch bei der aktuellen Mission Daichi, die bislang unter der Projektbezeichnung ALOS (Advanced Land Observing Satellite) fungierte.
Die ersten Daten und Bilder aller drei Instrumente, die Daichi zur Erde sendete, begeistern die Wissenschaftler. Am 29. April wurde beispielsweise der Vulkan Mount Merapi auf der zu Indonesien gehörenden Insel Java gleichzeitig von PalSAR und dem Radiometer AVNIR 2 erfasst. Die Aufnahmen zeigen deutlich die wieder aufbrechende vulkanische Aktivität. Die ständige Beobachtung aktiver Vulkane aus dem All soll künftig die Vorhersagen von Vulkanausbrüchen verbessern und so Menschenleben retten helfen.
Know-how aus Deutschland
Der Routinebetrieb des japanischen Umweltspähers ist für November 2006 geplant. Bis dahin müssen die Instrumente anhand von Datenquellen bekannter Größe kalibriert werden. Für das PalSAR-Radar hat diese Aufgabe das DLR-Institut für Hochfrequenztechnik und Radarsysteme des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt (DLR) im Auftrag der ESA übernommen. Dazu werden in ausgesuchten Regionen Deutschlands so genannte Kalibrierziele aufgestellt, deren reflektierte Strahlung in den Radardaten wieder zu finden ist. Diese Signale sind genau bekannt und können somit zur Eichung der ankommenden Daten genutzt werden. Dabei setzen die Fachleute um Dr. Konstantinos Papathanassiou, dem Leiter der Kalibrierung und Validierung der Daichi-Radardaten, passive und aktive Ziele ein.
„Passive Ziele sind metallische Reflektoren, die einen genau definierten Teil der Radarstrahlen reflektieren, während es sich bei aktiven Zielen um Transponder handelt, welche das vom Radar empfangene Signal verstärken und zurücksenden. Anhand der Messergebnisse aus verschiedenen Regionen Deutschlands können die Datensätze des Radars später geeicht werden.“ erläutert Papathanassiou die aufwändige Arbeit.
In einem zweiten Schritt, der Validierungsphase, werden die Daten bei Nutzern auf ihre Gültigkeit und Qualität getestet. Erst danach erfolgt die Freigabe für den normalen Betrieb des Radars.
Bei der Auswertung der Radardaten kommt auch ein am DLR entwickeltes Verfahren zur Baumhöhenbestimmung zum Einsatz. Mit Hilfe der Interferometrie kann die Pol-InSAR genannte Technik dreidimensionale Darstellungen der Erdoberfläche liefern, die es erlaubt, die Höhe von Baumbeständen abzuschätzen. Daraus wollen die Wissenschaftler im Rahmen der „Kyoto & Carbon-Initiative“ auf die weltweit vorhandene Biomasse schließen, die einen bedeutenden Teil der oberirdisch vorhandenen globalen Kohlenstoffvorräte enthält. Die „Kyoto & Carbon-Initiative“ stellt einen wichtigen Beitrag zur Kartierung der natürlichen Ressourcen der Erde dar.
ESA betreibt Verteilerknoten für Daichi-Daten
Mit den neuen und verbesserten Instrumenten erhöht Daichi das globale Überwachungsnetz der Erderkundungs- und Umweltsatelliten. Die ESA unterstützt Daichi als so genannte „Third Party Mission“. Im Rahmen dieser Initiative stellt die Europäische Weltraumorganisation ihre Bodenstationen und Einrichtungen zur Bearbeitung der Datensätze von Raumflugkörpern „dritter Parteien“ zur Verfügung. Bislang werden elf Erdbeobachtungssatelliten aus Europa, den USA, Indien sowie Japan auf diese Weise unterstützt.
Für Daichi (ALOS), den neunten Satelliten, wird die ESA in Abstimmung mit der japanischen Raumfahrtagentur JAXA einen Verteilerknoten einrichten, den so genannten ALOS European Data Node (ADEN). ADEN wird die von Daichi über dem eurasischen und dem afrikanischen Kontinent aufgenommenen Datensätze an wissenschaftliche und kommerzielle Nutzer in aller Welt weiterleiten.
Die Daichi-Daten werden auch der GMES-Initiative zur „Globalen Überwachung von Umwelt und Sicherheit“ zur Verfügung gestellt. GMES ist eine gemeinsames Programm der Europäischen Union und der ESA zur komplexen Überwachung der Erde mit boden- und weltraumgestützten Sensoren, um Politikern und Fachleuten Daten für vielfältige umwelt-, wirtschafts-, verkehrs- oder sicherheitspolitische Entscheidungen zu geben.