Staubring im Sonnensystem entdeckt
Markus Landgraf von der Europäischen Weltraumagentur ESA und seine Wissenschaftskollegen (*) haben den ersten direkten Beweis dafür gefunden, dass unser Sonnensystem von einem hellen Band aus Staub umgeben ist. Der feine Staubring beginnt jenseits der Saturnbahn. Der Fund dient den Astronomen als weiterer Anhaltspunkt für die Entdeckung ferner Planeten fremder Sonnensysteme. Außerdem erlaubt er den Planern, gezielt jene Sterne auszuwählen, die im Rahmen der ESA-Missionen Eddington und Darwin nach extrasolaren Planeten untersucht werden sollen.
Dieser Fund untermauert die Annahme, dass Staubschleier um ferne Sterne ein Indiz für die Existenz von Planetensystemen sein könnten.
Fachleute gehen davon aus, dass sich Planetensysteme aus einer Gas- und Staubwolke bilden, in der sich der Staub langsam zu großen Körpern zusammenballt. Das geschieht in der Nähe des Zentralgestirns, wo die Materiedichte am höchsten ist. Demgegenüber befinden sich in großer Entfernung vom Zentralstern Gas und Staub nur in sehr geringer Dichte. Aus dieser Materie kann sich lediglich ein breites Band kleiner eisiger Körper bilden. In unserem Sonnensystem entstand auf diesem Weg der so genannte Edgeworth-Kuiper-Gürtel, welcher jenseits der Neptunbahn liegt.
Eine gigantische Staubmaschine
In der Regel ballen sich die kleinen Körnchen zu größeren Körpern zusammen. Der übrige Staub verliert sich im Laufe der Zeit in den Tiefen des Alls. Die Tatsache, dass die Staubkörner noch heute vorhanden sind, deutet auf einen Mechanismus hin, der immer wieder neuen Staub erzeugt. „Um einen solchen Ring dauerhaft zu erhalten, müssen in jeder Sekunde 50 Tonnen Staub generiert werden“, erläutert der ESA-Forscher Markus Landgraf.
Es muss also eine unerschöpfliche Quelle geben. Landgraf und seine Kollegen glauben, dass der Staubring um unser Sonnensystem aus zerplatztem und zermalmtem Material besteht, dass durch die Kollision von Gesteins- und Eisbrocken im Edgeworth-Kuiper-Gürtel entstanden ist.
Indiz für die Existenz von Planeten
Sollten sich derartige Prozesse auch in anderen Sonnensystemen vollziehen, müssten diese Sterne ebenfalls von Staubringen umgeben sein. Aus diesem Grund könnte die neu gewonnene Erkenntnis helfen, fremde Planeten schneller aufzuspüren.
„Wenn nicht mehr ganz junge Sterne von einem Band aus Staubteilchen umgeben sind, so ist dies höchst interessant, weil ja der Staub von irgendwoher kommen muss. Eine solche Erscheinung ist nur dadurch zu erklären, dass der Stern über ein System von Planeten, Kometen, Asteroiden oder sonstigen Himmelskörpern verfügt, die kollidieren können und so den Staub erzeugen“, erläutert Malcolm Fridlund, der bei der ESA für den wissenschaftlichen Teil der Darwin-Mission verantwortlich ist. Hinter dieser Mission verbirgt sich ein anspruchsvolles ESA-Projekt zur Suche nach anderen Planeten und Lebensformen außerhalb unseres Sonnensystems.
Ulysses und Pioneer wiesen den Weg
Um die Kollisionen im Edgeworth-Kuiper-Gürtel nachzuweisen, mussten Landgraf und seine Kollegen wissenschaftliche Detektivarbeit leisten. Zunächst durchforsteten sie alte Daten der NASA-Sonden Pioneer 10 und 11 aus den siebziger und achtziger Jahren. Die Raumflugkörper registrierten erstmals Staub jenseits der Saturnbahn. Die einst gängige Hypothese, dass dieser Staub maßgeblich von Kometen käme, konnte bald verworfen werden. In diesen fernen Regionen ist es einfach zu kalt, um einen signifikanten Schweif zu bilden und damit Materie zu verlieren.
Woher kommt aber nun der Staub? Stammen die von Pioneer registrierten Staubteilchen aus unserem Sonnensystem oder gar aus dem interstellaren Raum?
Anhand der Daten des ESA-Sonnenobservatoriums Ulysses, das seit mehr als zehn Jahren unsere Sonne umkreist und dabei deren Pole überfliegt, konnten Landgraf und sein Team diese Frage nun beantworten. Die von Ulysses registrierten interstellaren Staubpartikel sind nämlich in der Regel zehn bis hundertmal kleiner als das kleinste von Pioneer 10/11 registrierte Staubteilchen. Die Quelle der von den Pioneer-Sonden gefundenen Teilchen liegt also irgendwo innerhalb unseres Sonnensystems.
Mit Hilfe von Computersimulationen und schrittweisen Ausschlußverfahren konnten die Wissenschaftler auch den Ort ermitteln, der als Staublieferant dient. Es ist der Edgeworth-Kuiper-Gürtel. Hier werden die Gesteins- und Eisbrocken durch Kollisionen zunehmend zermalmt. Und da es sich bei diesen Eiszwergen um Überreste der Planetenbildung handelt, geht das Team davon aus, dass auch ferne Planetensysteme fremder Sterne einen Staubring aufweisen, der sich permanent regeneriert.
Anhand der Pioneer-Daten errechnete das internationale Wissenschaftlerteam um Landgraf die Staubdichte im Ring. „Es findet sich alle 50 Kubikkilometer nur ein Staubteilchen. Das genügt aber, um einen hellen Staubring zu bilden, wie wir ihn um andere Sterne sehen können“, berichtet Landgraf.
Künftige "Planetenspürhunde" der ESA bauen auf Staubringe
In der Tat konnten bei einigen Sternen, wie Vega oder Epsilon Eridani, im Infrarotbereich bereits eine Reihe ähnlicher Erscheinungen beobachtet werden. Künftige Raumfahrtunternehmen, wie die Herschel-Mission der ESA, sollen weitere Phänomene dieser Art aufspüren und detaillierte Aufnahmen liefern. So könnten Astronomen dann in der Lage sein, in dem betreffenden Sonnensystem Größe und Umlaufbahnen großer Planeten zu bestimmen.
„Wenn wir um einen Hauptreihenstern (einen älteren Stern wie unsere Sonne) einen ähnlichen Staubring finden, dann wissen wir, dass es dort Asteroiden oder Kometen geben muss. Und stellen wir fest, dass der Staubring Lücken aufweist, dann deutet dies auf Planeten hin, die bei Umkreisung des Zentralgestirns den Staub quasi beiseite schieben“, erläutert Landgraf.
Diese Erkenntnis hilft den verantwortlichen Wissenschaftlern zukünftiger ESA-Missionen bei der gezielten Suche extrasolarer Planeten. Sie ermöglicht aber auch die Aufstellung einer fundierten Liste von Zielsternen, die von Staubringen umgeben sind. Dies bestätigt auch Fridlund: „Aus dieser Entdeckung ergeben sich hochinteressante Konsequenzen.“
Die Arbeitsergebnisse des internationalen Teams um Landgraf sollen in einer der kommenden Ausgaben der Zeitschrift „The Astronomical Journal“ detailliert vorgestellt werden.
(*) zu den Wissenschaftlern des Teams zählen:
Markus Landgraf, European Space Operations Centre ESOC der ESA (Darmstadt, Deutschland), Eberhard Grün, Max-Planck-Institut für Kernphysik (Heidelberg, Deutschland), Jer-Chyi Liou, Lockheed Martin Space Operations (United States of America), Herb Zook, Johnson Space Centre/NASA (United States of America)