Die fünf Entdeckungen der Marsmonde
Vor 40 Jahren spekulierte der russische Astrophysiker Schklowski darüber, ob nicht die beiden Marsmonde künstliche Raumstationen einer ausgestorbenen Marszivilisation seien. Wenngleich das Raumfahrtzeitalter auch diese gewagte Hypothese längst widerlegt hat, bleibt nach wie vor die Frage nach dem Ursprung von Phobos (Furch) und Deimos (Schrecken).
Erstaunlich ist, dass bereits Homer in seiner Ilias, in der er die Mythenwelt der alten Griechen verewigt hat, der Rote Planet mit zwei ständigen Begleitern existiert. Jahrhunderte später „entdeckt“ der Astronom Johannes Kepler (1571-1630) die Marsmonde zum zweiten Mal. Er ging davon aus, dass sich die göttliche Schöpfung in harmonischen Zahlenverhältnissen im Planetensystem widerspiegeln würde. Beobachtungen zeigten, dass Venus keinen Mond, Erde einen und Jupiter vier Monde besitzt. Folglich müsste der dazwischen liegende Mars zwei Monde aufweisen. Keplers Ruf, über jeden Zweifel erhaben, ließ die Marsmonde Eingang in die Literatur finden, wo sie ein drittes Mal „entdeckt" wurden. In Gullivers Reisen (1726) verblüffte der Autor Swift mit präzisen Angaben bezüglich Größe und Umlauf der Marsmonde. Aber erst 1877 fand der amerikanische Astronom Asaph Hall die beiden Winzlinge mit einem neuen Spiegelteleskop am Marineobservatorium bei Washington. An dieser vierten Entdeckung war Ehefrau Angelina nicht ganz unbeteiligt. Nachdem Hall bereits durch nächtelanges erfolgloses Suchen ziemlich entmutigt aufgeben wollte, drängte die resolute Frau ihren lustlosen Ehemann zum Durchhalten. Ihr zu Ehren erhielt der größte Krater auf Phobos ihren Mädchennamen: Angelina Stickney.
Es sollten weitere 100 Jahre vergehen, bis die Kameras von Mariner 9 die fünfte Entdeckung vollziehen. Phobos entpuppte sich als ein von Kollisionen gezeichnetes, mit Kratern übersätes, unregelmäßig geformtes und stark zernarbtes Objekt: eine kosmische Kartoffel, etwa 19 x 21 x 27 km groß, die den Mars 9378 km von seinem Mittelpunkt umrundet. Der größte Krater, Stickney, hat einen Durchmesser von 10 km. Von ihm gehen kilometerlange, 100 bis 700 m breite und bis zu 90 m tiefe parallele Rinnen aus. Dieses merkwürdige Furchensystem ist vermutlich vor 3,4 Mrd. Jahren beim Einschlag jenes Körpers entstanden, der den Krater Stickney schuf.
Deimos hingegen ist mit 11 x 12 x 15 km etwa halb so groß wie Phobos und mit einer meterdicken, viele Kleinkrater verdeckenden Staubschicht überzogen. Bezüglich der Masse stellen Phobos und Deimos Fliegengewichte mit entsprechend geringer Gravitation dar. Auf Phobos entspricht sie einem Tausendstel der Erdanziehung. Für Sportler mit Weltrekordambitionen ein wahres Mekka. Wer auf der Erde 1 m hoch springen kann, schafft auf Phobos etwa 1 km. Doch Vorsicht mit dem Anlauf: Die Entweichgeschwindigkeit beträgt 21 km/h. Dafür können Personen mit Übergewicht aufatmen: Jedes Kilogramm mehr schlägt dort nur mit 1g zu Buche.
Nun steht mit Mars Express die sechste Entdeckung der Marsmonde bevor. Die an Bord befindliche hochauflösende HRSC-Kamera aus Deutschland soll Phobos und Deimos mit bislang unerreichter Qualität aufnehmen.