ExoMars 2016 - Über Kasachstan zum Roten Planeten
Gibt oder gab es Leben auf dem Mars? Die zweigeteilte europäisch-russische Mission ExoMars soll diese Frage beantworten.
Der erste Teil dieses Projekts - der Trace Gas Orbiter (TGO) und der Landedemonstrator Schiaparelli - wird im März 2016 vom russischen Kosmodrom Baikonur aus mit einer Proton-Rakete in Richtung Mars starten, um Spurengase auf dem Roten Planeten aufzuspüren. Der zweite Teil ist ein Rover, der 2018 aufbrechen soll. Der Trace Gas Orbiter wird nun seine Reise nach Kasachstan antreten und dort am 23. Dezember 2015 ankommen.
Schiaparelli landet zuvor schon am 21. Dezember in Baikonur. Das Raumfahrtmanagement im Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) unterstützt die ExoMars 2016 und 2018-Missionen durch die Koordination der deutschen Beiträge für die Europäische Weltraumorganisation ESA. Zudem sind drei DLR-Institute und zahlreiche deutsche Firmen an beiden Teilen der Mission beteiligt.
"Nach einer langen und wildbewegten Entwicklungszeit ist es schön zu sehen, dass ExoMars nun endlich Realität wird", freut sich Dr. Oliver Angerer, Gruppenleiter für Exploration beim DLR Raumfahrtmanagement. Das Kernmodul der TGO-Raumsonde - also Struktur, Antriebssystem, Thermalsystem und die zentralen Elemente des elektrischen Kabelbaums - wurde von der Bremer Firma OHB Systems AG verantwortet.
Airbus Defence & Space hat unter anderem die Hitzeschilde und die Steuerdüsen von Schiaparelli gebaut. TGO wurde im französischen Cannes bei der Firma Thales Alenia Space integriert und durchlief dort eine harte Testkampagne, bevor die Sonde von dort aus seine Reise nach Baikonur aus angetreten ist.
Der komplexe Flugbetrieb der ExoMars 2016-Mission, in Kooperation mit Russland, wird von den Teams des ESA-Satellitenkontrollzentrums ESOC in Darmstadt durchgeführt. Die ESA verfügt mit Mars Express, Venus Express und anderen Deep Space-Erkundungen bereits über umfangreiche Erfahrungswerte für solch anspruchsvolle Planeten-Missionen.
Den Mars für die Forschung schützen
Die TGO-Raumsonde soll Spurengase in der Atmosphäre des Mars untersuchen. Besonders interessant ist vor allem Methan. Geringe Mengen wurden bereits von der europäischen Sonde Mars Express nachgewiesen. Woher stammt dieses Spurengas? Könnten biologische Organismen eine mögliche Quelle sein? Der Trace Gas Orbiter soll zur Beantwortung dieser Fragen beitragen.
Doch dafür dürfen keine biologischen Spuren von der Erde ins mögliche "Ökosystem Mars" eingeschleppt werden. "Sollten Mikroorganismen von der Erde zum Mars gelangen, so könnte das unsere Messergebnisse bei ExoMars 2018 und weiteren Missionen in der Zukunft verfälschen.
Das müssen wir um jeden Preis verhindern", sagt Dr. Petra Rettberg vom DLR-Institut für Luft- und Raumfahrtmedizin, die gemeinsam mit ihrem Team alle Kontrollmessungen für die Planetary Protection-Maßnahmen der ESA durchgeführt hat.
Wenn die insgesamt drei Antonow-Transportmaschinen die ExoMars 2016-Hardware nach Baikonur fliegen, wird auch ein Labor mit an Bord sein, damit die Kölner Astrobiologen bei der finalen Integration vor Ort letzte Kontrolluntersuchungen vornehmen, um eine Rekontamination ausschließen zu können.
Zuvor haben sie auch den Reinraum des für die ExoMars-Mission verantwortlichen Prime Contractors TAS-I in Turin sowie weitere Reinräume, in denen ExoMars-Instrumente zusammengebaut wurden, getestet.
Oberfläche genau im Blick
An Bord des Trace Gas Orbiters ist das Colour and Stereo Surface Imaging System (CaSSIS) untergebracht. Das Stereokamera-System hat eine Auflösung von fünf Metern pro Pixel und wird Farbaufnahmen der Oberfläche in mehreren Kilometern breiten Streifen machen.
Zudem wird CaSSIS einzelne 3D-Stereoaufnahmen von lokal interessanten Bereichen - zum Beispiel in potenziellen Quellregionen von Spurengasreservoirs - erstellen. Das DLR-Institut für Planetenforschung in Berlin ist Teil des internationalen Teams, das die Daten und somit auch die geologischen Informationen auswertet. Die CaSSIS-Aufnahmen werden für zwei weitere TGO-Instrumente benötigt: für NOMAD und ACS.
Methan auf der Spur
Das NOMAD-Spektrometer (Nadir and Occultation for MArs Discovery) soll gemeinsam mit dem Infrarotinstrument ACS (Atmospheric Chemistry Suite) Spurengase wie Methan in der Atmosphäre des Roten Planeten finden.
Der Neutronendetektor FREND (Fine Resolution Epithermal Neutron Detector) wird Wasserstoff auf und einen Meter unter der Oberfläche aufspüren und so eine genaue Wassereis-Karte des Mars erstellen.
Doch nicht nur am CaSSIS-Instrument auf dem Orbiter ist das Berliner DLR-Institut beteiligt: "Wir haben digitale Höhenmodelle aus den Daten und Bildern der High Resolution Stereo Camera (HRSC)auf der europäischen Sonde Mars Express gerechnet, die für Analysen der Hangneigungen innerhalb der Landeellipse verwendet wurden. Diese Daten haben einem italienischen Wissenschaftsteam geholfen, den Landeplatz für den Landedemonstrator zu finden", erklärt Prof. Ralf Jaumann, der beim DLR-Institut für Planetenforschung die Abteilung Planetengeologie leitet.
Landedemonstrator mit DLR-Messsensoren
Ein weiterer Teil der Mission ist der Landedemonstrator Schiaparelli, der von TGO auf dem Mars abgesetzt wird. Er wird während seiner Reise zur Oberfläche des Roten Planeten Daten sammeln und Technologien testen, die dann dem Landevorgang der Folgemission ExoMars 2018 zugutekommen sollen. Auf Schiaparelli sind vier Messsensoren des DLR untergebracht. Drei sogenannte COMARS-Sensoren (COMbined Aerothermal and Radiometer Sensor) auf dem hinteren Hitzeschutzschild messen kontinuierlich die Temperaturverteilung im Luftstrom an verschiedenen Stellen des Raumfahrzeugs und den Druck während des Eintritts in die Marsatmosphäre.
Zusätzlich wurde ein vierter Sensor (Breitbandradiometer) auf dem hinteren Hitzeschutzschild installiert. Die Signalverarbeitung der Sensoren übernimmt eine vom DLR entwickelte Elektronikbox.
Marslandung im Windkanal
Um Schiaparelli sicher auf der Oberfläche des Roten Planeten landen zu lassen, hat das DLR-Institut für Aerodynamik und Strömungstechnik umfangreiche Experimente in verschiedenen Windkanälen an den Standorten Köln und Göttingen sowie Computersimulationen in Braunschweig durchgeführt. "Denn die Atmosphäre des Roten Planeten unterscheidet sich von der der Erde erheblich. Eine andere Gaszusammensetzung, geringere Dichten und mehr Staubpartikel beeinflussen die aerodynamische Stabilität, aerothermale Aufheizung und Erosion des Hitzeschutzsystems beim Flug durch die Marsatmosphäre deutlich", sagt Dr.-Ing. Ali Gülhan, Abteilungsleiter Über- und Hyperschalltechnologien am DLR-Institut für Aerodynamik und Strömungstechnik.
Er und sein Team haben im lichtbogenbeheizten Windkanal in Köln den Einfluss der Staubpartikel auf das Erosionsverhalten des Hitzeschutzmaterials der Landekapsel untersucht. Im Hyperschallwindkanal wurde der Einfluss von Oberflächenrauigkeiten auf die Wärmeverteilung und darüber hinaus der Einfluss von Strömungsablösungen auf der Rückseite der Landekapsel analysiert. Die Daten von umfangreichen Experimenten zur aerodynamischen Stabilität der Kapsel im trisonischen Windkanal spielen für die sichere Landung von Schiaparelli eine entscheidende Rolle.
Am DLR-Standort Göttingen/Braunschweig wurde der Flug durch die Marsatmosphäre im Hochenthalpiekanal wie auch durch numerische Berechnungen mit einem speziellen DLR-Verfahren simuliert, um den Einfluss chemischer Reaktionen wie der Gaszusammensetzung auf die Aerodynamik und den Wärmefluss zu erforschen. Die Atmosphäre des Mars besteht zu 95 Prozent aus Kohlendioxid und ist sehr dünn. Durchfliegt eine Landekapsel diese mit mehrfacher Schallgeschwindigkeit, setzen bei den extrem hohen Temperaturen chemische Reaktionen ein, die die Eigenschaften des Gases verändern.
"Das Kohlendioxid zerlegt sich zum Beispiel in seine Bestandteile und beeinflusst so die Druckverteilung auf der Kapsel, was wiederum das aerodynamische Verhalten verändert. Diese Ergebnisse sowie die gemessenen Wärmelasten lieferten wertvolle Daten zur Validierung der entwickelten numerischen Berechnungsmethoden", erklärt Prof. Dr.-Ing. Klaus Hannemann, Abteilungsleiter Raumfahrzeuge im DLR-Institut für Aerodynamik und Strömungstechnik in Göttingen.
Der Artikel wurde mit freundlicher Unterstützung zur Verfügung gestellt vom Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) und ist zuerst auf der Website des DLR erschienen.
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Prof. Dr.-Ing. Klaus Hannemann
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Institut für Aerodynamik und Strömungstechnik, Raumfahrzeuge
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