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LISA Pathfinder startet ihre Experimente

09/03/2016 1794 views 13 likes
ESA / Space in Member States / Germany

Mit der LISA-Pathfinder-Sonde betreibt die ESA das erste Laser-Interferometer im Weltall. Künftige Gravitationswellen-Observatorien werden davon profitieren.

Nach einer Phase letzter Checks startete vergangene Woche die wissenschaftliche Mission von LISA Pathfinder. Bei der am 3. Dezember gestarteten Sonde geht es darum die Schlüsseltechnologien für den Nachweis von Gravitationswellen im Weltall zu erproben. Erst kürzlich gelang in den USA ein solcher Nachweis mit bodengestützten Detektoren, eine faszinierende Chance auf ganz neue Einsichten in unseren Kosmos – und ein medialer Paukenschlag. Doch die Möglichkeiten, die „Sprache der Sterne“, so die Titelstory des Spiegel über den wissenschaftlichen Triumph, vom Erdboden aus zu entschlüsseln, sind begrenzt. Deshalb wollen Astrophysiker Gravitationswellen-Observatorien künftig auch im Weltall stationieren. LISA Pathfinder wird dazu den Weg ebnen.

Mit dem Beginn der Experimente an Bord von LISA Pathfinder kommen die Astronomen einem Gravitationswellen-Observatorium einen wichtigen Schritt näher
Mit dem Beginn der Experimente an Bord von LISA Pathfinder kommen die Astronomen einem Gravitationswellen-Observatorium einen wichtigen Schritt näher

Testmassen schweben frei

Herzstück dieses Technologietests im All sind zwei identische 46 Millimeter große Würfel im Innern der Pathfinder-Sonde, sie bestehen aus einer Gold-Platin-Legierung. In der vergangenen Woche wurden diese Testkörper erstmals von ihren Haltemechanismen freigegeben und schwebten daraufhin frei innerhalb der Raumsonde. Ein Lasersystem vermisst den Abstand beider Massen mit extremer Genauigkeit, es wurde unter Federführung von Forschern aus Hannover entwickelt und soll den perfekten freien Fall der Testwürfel vermessen.

„LISA Pathfinder arbeitet weiterhin perfekt! Das Freilassen der Testmassen erforderte etwas Lernen, aber das Team hat schnell eine elegante Lösung gefunden“, so Karsten Danzmann, Direktor am Max-Planck-Institut für Gravitationsphysik und Direktor des Instituts für Gravitationsphysik der Leibniz Universität Hannover. Mit dem Betrieb eines Laser-Interferometers im Weltraum stehe LISA Pathfinder für eine Weltneuheit, so der Co-Principal-Investigator („Co PI“) der Mission.

Zwischen den Testmassen, die rund 38 Zentimeter von einander entfernt sind, befindet sich ein Laserinterferometer, das die Positionen und Ausrichtung beider Massen sowohl bezüglich des Satelliten und als auch zueinander mit unerreichter Präzision bestimmt; die Abweichungen betragen lediglich den Hundertmillionsten Teil eines Millimeters. Dieses optische Präzisionsmesssystem wurde federführend von Forschern des MPI für Gravitationsphysik und der Universität Hannover entwickelt und gebaut.

Präzise Messungen mit dem Laser-Interferometer

Andreas Rudolph leitet die Astronomie- und Fundamentalphysik-Abteilung am ESOC
Andreas Rudolph leitet die Astronomie- und Fundamentalphysik-Abteilung am ESOC

In der kritischen Missionsphase kommt es jetzt darauf an: Rund um die Uhr verstärken Wissenschaftler aus Hannover und anderen beteiligten Instituten die Experten, die am ESOC mit der Mission befassten sind. Martin Hewitson leitet am Max-Planck-Institut für Gravitationsphysik die Gruppe zur Datenkontrolle der Sonde, auch er ist nach Darmstadt gekommen. In einem kurzen Moment relativer Ruhe, die Pathfinder-Sonde hat gerade Sendepause, lobt er die Zusammenarbeit mit den ESOC-Experten und den Ingenieuren aus der Industrie. Denn auch die Firma Airbus Defence and Space, der Hersteller der Sonde, hat ihre Vertreter nach Darmstadt entsandt.

Kurz bevor neue Daten der Sonde via ESA-Bodenstation in Cerebros bei Madrid die Bildschirme der Kontrollwarte erreichen, skizziert Raumfahrtingenieur Andreas Rudolph, was in den kommenden Monaten vom Wissenschaftsbetrieb der Pathfinder-Sonde zu erwarten ist: „Die schwebenden Testmassen werden zunächst über die elektromagnetischen Stellkräfte im LTP-Experiment (LISA Technology Package) und über die europäischen Mikrotriebwerke der Sonde im Freiflug kontrolliert.“ Es gehe dabei um sehr kleine Kräfte im Bereich von Billionstel bis Millionstel Newton, so der Leiter der Hauptabteilung Astronomie und Fundamentalphysik am ESOC. In einer zweiten Missionsphase, die in etwa vier Monaten beginnt, kommt der NASA-Beitrag zur Mission zum Einsatz. „Dann soll anstelle der europäischen Mikrotriebwerke die Kontrolle der Sonde durch spezielle Elektrospray-Düsen, so genannte colloid thrusters des amerikanischen Disturbance Reduction System stattfinden.“ Zusatztests, die ein höheres Risiko für die Experimente beinhalten, könnten Rudolph zufolge möglicherweise in einer späteren Phase der Mission durchgeführt werden, die momentan diskutiert wird.

Mit den beiden technischen Varianten wollen die Forscher die verbleibenden kleinen Störkräfte, zum Beispiel durch den Strahlungsdruck der Sonne, die auf Lisa Pathfinder einwirken, neutralisieren. Nur wenn die Kompensation solcher Störungen ausreichend gelingt, kann in künftigen Gravitationswellen-Observatorien die enorme Messgenauigkeit erreicht werden, wie sie für das Aufspüren von Gravitationswellen nötig ist.

Nobelpreise gestern und morgen

Würden unsere Augen Gravitationswellen sehen, könnte so die Kollision zweier schwarzer Löcher aussehen
Würden unsere Augen Gravitationswellen sehen, könnte so die Kollision zweier schwarzer Löcher aussehen

Womöglich geht es beim Thema Gravitationswellen auch um einen künftigen Nobelpreis, schließlich faszinieren diese weltweit die Physiker. Doch was muss man sich unter den geheimnisvollen Wellen überhaupt vorstellen? „Anders als Licht sind sie keine elektromagnetischen Wellen“, stellt Physiker Danzmann klar. Diese manchmal als Kräuselungen der Raumzeit titulierten Wellen breiten sich mit Lichtgeschwindigkeit aus, zumindest dies verbindet sie mit den Lichtwellen. Objekte, die von Gravitationswellen getroffen werden, erfahren kurzzeitige Dehnungen und Stauchungen, weil der Raum, den diese Objekte einnehmen, gedehnt und gestaucht wird. Doch der Effekt ist winzig. Selbst die Explosion eines Sterns in einer Nachbargalaxie bewirkt nur winzige Variationen. Beispielsweise ändert sich dadurch die Distanz Erde-Sonne nur um 0,0000001 Millimeter – und dies lediglich für wenige Millisekunden.

Am 11. Februar schlug das Thema trotzdem hohe Wellen: In den internationalen Medien wurde berichtet, dass im September 2015 in den US-Bundesstaaten Louisiana und Washington erstmals Gravitationswellen direkt gemessen wurden. Zuvor war die Empfindlichkeit der Detektoren mit Technologie des deutschen Experiments GEO600 verbessert worden. Die Jagd nach den Wellen hatte Jahrzehnte gedauert, ihre Vorhersage durch Albert Einstein datiert noch weiter zurück: sie stammt von 1916. Für einen indirekten Beweis ging bereits ein Physiknobelpreis an zwei US-Astronomen, das war 1993 - es muss nicht der letzte bleiben. Danzmann sieht die Astronomie nun am Beginn eines neuen Zeitalters: „Mit den Möglichkeiten der Gravitationswellen-Astronomie öffnet sich uns ein völlig neues Fenster ins Weltall.“ Denn fundamentale Fragen können mit Hilfe von Gravitationswellen beantwortet werden: Was geschah am Beginn unseres Universums, dem Urknall? Wie sehen Neutronensterne von innen aus? Was passiert beim Crash zweier Schwarzer Löcher? LISA Pathfinders Experimente sind ein wichtiger Schritt um zu Antworten zu kommen.

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