Motor für Wissenschaft und Wirtschaft
Das ESOC ist imageprägend für das Land Hessen, die Region und die „Wissenschaftsstadt“ Darmstadt. Für sie ist das ESA-Zentrum als „Tor zum Weltraum“ auch international ein großer Werbefaktor. Tatsächlich ist der wirtschaftliche Effekt, den das ESOC am Boden ausübt, enorm. „Wegen der sehr engen Verflechtung haben wir eine besonders starke Zugkraft für die Industrie “, sagt Alexander Cwielong, Controller im ESOC. Unter den Beschäftigten im Zentrum kommen rund 600 Mitarbeiter von Vertragsfirmen. Hinzu kommt eine ähnliche Zahl in den Firmen im Umfeld des ESOC in der Darmstädter Weststadt.
Der Nutzen ist gegenseitig. Die Region rund um Darmstadt ist auf die Informationstechnologie spezialisiert wie kaum eine andere. Das gilt für die TU Darmstadt, die Hochschule Darmstadt, verschiedene Fraunhofer-Institute, aber auch viele große und kleine hochinnovative internationale Unternehmen, die sich als Lieferanten des ESOC ganz gezielt hier angesiedelt haben, wie etwa die italienische Telespazio, die dänische Terma, die britischen SERCO und Scisys oder die spanische GMV, ursprünglich ein Ableger des Bereichs Flugdynamik der Universität Madrid.
„Insgesamt sind so rund 1,700 internationale Jobs zusätzlich durch das ESOC in der Region entstanden“, rechnet der ESA-Controller vor. Zu diesem Umfeld zählt auch EUMETSAT, die europäische Organisation für die Nutzung meteorologischer Satelliten, die in Darmstadt aus dem ESA-Zentrum hervorgegangen ist.
Seit 2007 betreibt zudem das Centrum für Satellitennavigation Hessen (cesah) im Auftrag der ESA ein Gründerzentrum nur wenige Schritte vom ESOC entfernt. Unterstützt wurden seither rund 80 Startups sowohl finanziell wie auch mit ESA Know-how. Die Firmen nutzen Satellitendaten für ihre Ideen und Anwendungen jenseits der Raumfahrt, etwa für innovative Software-Lösungen bei anspruchsvollen Logistikaufgaben, bei intelligenten Müllsystemen, bei landwirtschaftlichen Projekten oder zur Hilfe im täglichen Leben der Menschen. Die Jungunternehmer haben auf diese Weise schon weitere über 400 neue und attraktive Arbeitsplätze geschaffen.
Unter den Startups finden sich zahlreiche Absolventen der TU und der Hochschule. Die beiden Hochschulen sind am Centrum für Satellitennavigation Hessen beteiligt. Die Zusammenarbeit des ESOC mit den Hochschulen ist jedoch noch vielfältiger. „Wir wollen das Potenzial der Studierenden anzapfen“, sagt Zentrumsleiter Rolf Densing. So gibt es seit 2015 ein Abkommen zwischen der TU Darmstadt und dem ESOC über eine Teilzeitprofessur von ESA-Mitarbeitern an der Universität.
Neu ist auch das „Space Lab“, ein Ort für innovative Projekte, Promotionen oder Themen für Masterarbeiten. „Wir versprechen uns davon Innovationen und gute Raumfahrt-Ingenieure“, so Rolf Densing. Der ESA-Standort Darmstadt, resümiert auch ESOC-Controller Alexander Cwielong, fördert das ökonomische Wachstum und die technologische Entwicklung.
Wirtschaftlicher Nutzen von rund 120 Millionen Euro jedes Jahr für die Region
Die Unternehmensberatung Accenture beziffert den wirtschaftlichen Nutzen des ESOC für das Rhein-Main-Gebiet auf rund 120 Millionen Euro pro Jahr, weit überwiegend durch die regionalen Beschaffungen im Hightech-Bereich, aber auch durch die Kaufkraft der ESA Mitarbeiter und durch die intensive Reisetätigkeit als Folge der internationalen Einbindung.
„Von jedem Euro aus dem ESOC Budget bleiben am Ende rund 60 Cent in der Region“, betont der Controller.
Und auch wenn rund 60 Prozent der ESA-Mitarbeiter aus Frankreich, Italien, Spanien oder Großbritannien stammen, „wer nach Darmstadt kommt, der bleibt meistens auch. Die wenigsten gehen wieder fort“, so die Erfahrung des Wirtschaftsexperten des ESOC.
Das ESOC wächst
Raumfahrt ist attraktiv. Das Geschäftsvolumen des ESOC weitet sich aus - entsprechend der zunehmenden Zahl an Satellitenstarts und -missionen. „Und je mehr Wachstum wir haben, umso mehr wirkt sich das vor allem für die Stadt und die Region aus, weil mehr Personal, mehr Know-how und mehr Infrastruktur gebraucht wird.“ Bereits seit Jahren expandiert der Standort in der Robert-Bosch-Straße in Darmstadt – sichtbar unter anderem in neuen Gebäuden und Modernisierungen. Für 14 Millionen Euro steht als nächstes der Abriss und Neubau des Kontroll- und Rechenzentrums an.
In der mittelfristigen Planung ist auch der Bau eines Besucher- und Eventzentrums enthalten. „Das ESOC“, sagt Rolf Densing, „zieht Publikum an – aus der Region, Europa und weltweit.“ Zu Symposien, Konferenzen, Medienevents kommen jährlich rund 10 000 Teilnehmer. Dafür werden die Räume mittlerweile schon knapp. Die Öffentlichkeitsabteilung vermittelt jedes Jahr über 2000 Medien-Interviews.
Das Publikumsprogramm des Standortes, das Führungen durch den Kontrollraum anbietet sowie Vorträge, ist ebenfalls überaus beliebt. Jocelyne Landeau-Constantin, Leiterin der Kommunikationsabteilung, kann sich daran erinnert, dass sie Anfang der 1990er Jahre noch Besuchergruppen selbst durchs ESOC führte.
Die Zeiten sind jedoch lange vorbei: Heute kommen über 15 000 Besucher per Anno und damit ist die Kapazitätsgrenze längst erreicht. Ein neues Besucherzentrum könnte dagegen bis zu 90 000 Gäste empfangen. „Ein attraktiver Ausbau des ESOC“, sagt Rolf Densing, „ist auch attraktiv für die Stadt Darmstadt und die Region.“
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