Noch Zukunft: Die Asteroidenabwehr
Die Erfassung von NEOs und deren Bahnverfolgung ist der erste und zunächst wichtigste Schritt. Was aber tun, wenn doch einmal ein großer Brocken mit zerstörerischem Potential auf die Erde zurast. Die logische Schlussfolgerung lautet dann: ihn von seiner Flugbahn ablenken oder zerstören. Voraussetzung dafür ist allerdings, dass die Kollisionsbahn rechtzeitig und mit großer Sicherheit bestimmt wurde, denn nur dann ist die Einleitung von Gegenmaßnahmen möglich. Das Problem beschäftigt Forscher und Techniker seit Jahren und es wurden teils exotische Vorschläge andiskutiert.
Eine Idee ist, dass Wasserstoffbomben das anfliegende Objekt in kleinere Bruchstücke zerteilen sollen oder der NEO mit einem koordinierten Angriff von Impactoren zerstört wird. Impactoren sind Einschlagkörper, die mit hoher Geschwindigkeit ein Ziel rammen und es so zerstören sollen.
Das Problem bei einer derartigen Vorgehensweise ist, dass niemand die Bahnen der sich bildenden Brocken vorhersehen kann. Und bei größeren Objekten reichen die heute verfügbaren Technologien nicht aus, die erforderliche riesige Sprengkraft zu erzeugen. Noch exotischer waren Ideen, einen Asteroiden mit einer riesigen Laserkanone zu beschießen, wie sie im Rahmen des amerikanischen SDI-Programms zur Raketenabwehr entwickelt werden sollte: Eine ebenfalls in absehbarer Zeit nicht realisierbare Variante.
Eine Lösung: Die Bahnablenkung
So bleibt als zweiter Weg nur die gezielte Ablenkung der Flugbahn. Auch dafür ist der Einsatz verschiedener Verfahren denkbar: die Anbringung von Raketenantrieben oder gar Nuklearantrieben am NEO, stark gebündeltes Licht über riesige Sonnenspiegel auf das Objekt richten und so Teile davon verdampfen, Sonnensegel anbringen oder mit Einschlagprojektilen die Bahn verändern. Das sind nur einige der Vorschläge. Bei näherer Analyse stellte sich jedoch heraus, dass die meisten Verfahren zumindest in den nächsten Jahrzehnten nicht realisierbar sind, sowohl technologisch als auch finanziell. Und der Einsatz gewaltiger Wasserstoffbomben oder von Nuklearantrieben würde garantiert zu mächtigen Protesten der Antiatomlobby führen.
Eine wahrscheinlich reale Möglichkeit ist der Einsatz von Einschlagprojektilen zur Bahnablenkung. Um die Effektivität dieser Variante zu erkunden, hat die ESA eine Studie zu einer Erkundungsmission erarbeiten lassen, die nun im nächsten Schritt realisiert werden muss – Don Quijote.
Don Quijote: Eine „Pfadfinder“-Mission
Das Ziel der Mission wird es sein, einen Impactor in einen Asteroiden einschlagen zu lassen, um den Bahnänderungseffekt zu ermitteln. Die Frage dabei ist: Wird die Aufschlagsenergie direkt in eine Änderung der Asteroidenbahn umgesetzt oder wird sie einfach spurlos vom Asteroiden "verschluckt", der seine Form etwas ändert, aber sonst ungestört seine Bahn zieht?
Don Quijote besteht aus zwei verschiedenen Sonden, die unabhängig voneinander gestartet werden: Sancho, der Asteroidenorbiter und Hidalgo, der Impactor.
Nach dem Flug zum Asteroiden, der je nach Bahn des Zielkörpers bis zu mehreren Jahren dauern kann, schwenkt Sancho in eine enge Umlaufbahn um ihn ein, um den Zielasteroiden zu untersuchen. Mit seiner hochauflösenden Bordkamera soll die Oberfläche kartiert werden, um ein vollständiges 3D-Modell des Asteroiden vor und nach dem Einschlag Hidalgos zu erhalten. Ein Infrarot-Spektrometer liefert Daten beispielsweise über die mineralogische Zusammensetzung der Oberfläche und die thermischen Eigenschaften des Asteroiden. Außerdem setzt Sancho zwei Seismographen und zwei kleine Sprengladungen auf der Oberfläche ab. Die Zündung der Sprengladungen generiert seismische Erschütterungen, die durch Messinstrumente aufgezeichnet werden. Diese lassen Rückschlüsse über den inneren Aufbau des Asteroiden und die mechanischen Eigenschaften des Asteroidenmaterials zu.
Mehrere Monate nach Sancho erreicht auch Hidalgo den Zielasteroiden und schlägt mit einer Relativgeschwindigkeit von 10 bis 14 Kilometern pro Sekunde wie ein gewaltiges Geschoss ein. Sancho beobachtet den Einschlag aus sicherer Distanz und kehrt dann wieder in eine enge Umlaufbahn zurück. Dort untersucht die Sonde, wie sich Rotationsverhalten und Orbit des Asteroiden durch den Einschlag verändert haben. Auch eine Analyse des beim Einschlag herausgeschleuderten Asteroidenmaterials sowie die Vermessung von Tiefe und Durchmesser des Kraters sind vorgesehen.
Ist Verlauf einer solchen Mission erfolgreich, kann in einem nächsten Schritt über die Planung eines Abwehrsystems gegen Asteroiden- und Kometeneinschläge entschieden werden.