Rosetta: Vor dem großen Finale (Special)
Es ist eine ESA-Mission voller Premieren und Superlative: Die am 2. März 2004 mit einer Ariane 5 vom europäischen Weltraumbahnhof Kourou in Französisch-Guayana gestartete Raumsonde Rosetta schwenkte am 6. August 2014 als erster Raumflugkörper in eine Umlaufbahn um einen Kometen, 67P/Tschurjumow-Gerassimenko, ein. Rosetta wurde damit in der Geschichte der Raumfahrt zum ersten künstlichen Mond eines Kometen: ein historisches Datum.
Drei Monate später der nächste Höhepunkt: Am 12. November 2014 – zehn Jahre, acht Monate und zehn Tage nach dem Raketenstart – gelingt den Europäern mit dem Forschungslabor Philae die erste weiche Landung auf einem Kometen. Für viele ist dies ähnlich bedeutend wie die erste Mondlandung. Statt des Fußabdrucks von Neil Armstrong in 300 000 Kilometern Entfernung hinterlässt der Roboter Philae mit seinen spinnenartigen Füßen einen ersten Abdruck an einem Ort, der zu diesem Zeitpunkt 510 Millionen Kilometer von der Erde entfernt ist.
Auch Rosetta soll auf dem Kometen landen
Aller guten Dinge sind drei: Für die bis September 2016 verlängerte Rosetta-Mission plant die ESA nun auch mit dem Orbiter ein furioses Ende. „Es wird spektakulär“, kündigt der ESA-Flugdirektor Paolo Ferri an. Zum Abschluss am 30. September 2016 soll Rosetta Bilder und wissenschaftliche Daten aus allernächster Nähe von der Kometenoberfläche übertragen.
Im Gegensatz zum Forschungslabor Philae ist die Raumsonde Rosetta steuerbar. Das eröffnet umfangreiche Möglichkeiten, die das Kontrollteam nutzen will: „Der Plan sieht vor, die Mission mit einer kontrollierten Landung Rosettas auf der Kometenoberfläche zu beenden,“ so Paolo Ferri. Das bedeutet, dass Rosetta am 30. September von einem höher gelegenen Punkt auf einen Kollisionskurs mit dem Kometen gebracht wird. Ziel ist eine Region mit aktiven Senken am Kopf des Kometen. Die Sonde visiert einen Punkt neben einer 130 m breiten Senke an, die vom Missionsteam in Anlehnung an eine ähnliche Formation in der gleichnamigen altägyptischen Stadt Deir el-Medina benannt wurde.
Wie die Artefakte, die dort gefunden wurden und den Archäologen über das Leben in jener antiken Stadt Aufschluss gaben, enthält auch die Senke des Kometen Hinweise über die geologische Geschichte jener Region. Rosetta zielt auf einen Punkt in einem elliptischen Bereich von etwa 700 x 500 m in der Nähe von Deir el-Medina.
Mehr zur Landung des Orbiters auf dem Kometen unter:
http://www.esa.int/ger/ESA_in_your_country/Germany/Rosetta_-_Abstieg_in_eine_Region_aktiver_Senken
Gelungene Fotopirsch nach Philae
Vor dem dramatischen Finale werden extrem nahe Vorbeiflüge bis zu einem Kilometer Entfernung durchgeführt, die es nun auch ermöglicht haben, Philae zu finden. Sein Landepunkt war zwar bereits zuvor auf 20 Meter bekannt, aber es existierte kein Bild, auf dem man Philae erkennen konnte. Seit dem 2. September 2016 ist das nun anders. Weniger als einen Monat vor dem offiziellen Ende der Mission hat die HD-Kamera Rosettas Philae an einem dunklen Felsvorsprung gefunden.
Die Bilder wurden von der in Deutschland entwickelten OSIRIS-Telekamera aufgenommen, als der Rosetta-Orbiter nur 2,7 km von der Oberfläche des Kometen entfernt war. Sie zeigen deutlich das Landemodul und zwei seiner drei Standbeine. Die Bilder belegen ebenfalls die schräge Ausrichtung von Philae, welche die Kommunikation mit dem Orbiter nach der Landung am 12. November 2014 besonders erschwerte.
Abschied von Philae
Die andauernde Funkstille nach dem 9. Juli 2015 hatte es bereits angedeutet: Ein erneuter Kontakt mit dem Lander Philae wurde immer unwahrscheinlicher, und die Bedingungen für den Lander auf dem Kometen schlechter. "Die Chancen, dass Philae noch einmal Kontakt zu unserem Team im Lander-Kontrollzentrum des DLR aufnimmt, gehen leider gegen Null, und wir senden auch keine Kommandos mehr", hatte Philae-Projektleiter Dr. Stephan Ulamec vom Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) bereits im Februar 2016 erklärt. Philae war zwar sehr wahrscheinlich eisfrei, ging aber, wohl mit Staub bedeckt, an seinem schattigen Landeplatz in den ewigen Winterschlaf über und schaltete sich in der Kälte nicht mehr ein. Die Kommunikationseinheit (Electrical Support System Processor Unit (ESS)auf Rosetta blieb in den darauffolgenden Monaten zwar eingeschaltet, empfing aber keine weiteren Signale.
Schließlich wurde sie am 27. Juli 2016 abgeschaltet, da Rosetta wegen der großen Entfernung zur Sonne, 520 Millionen km, einem zunehmenden Energieverlust ausgesetzt war und es notwendig wurde, den Energieverbrauch aller Bordinstrumente zu reduzieren, die nicht zu den wissenschaftlichen Untersuchungen beitrugen. "Es war eine einzigartige Mission mit Philae - es war nicht nur das erste Mal, dass man jemals mit einem Lander auf einer Kometenoberfläche aufgesetzt hat, wir haben auch faszinierende Daten erhalten, mit denen wir noch viele Jahre arbeiten können", sagt Prof. Pascale Ehrenfreund, Vorstandsvorsitzende des DLR und beteiligte Wissenschaftlerin an der Mission.
Im folgenden „Web Special“ gibt es interessante Details und spannende Hintergrundinformationen zur Rosetta-Mission und ihren bisherigen Ergebnissen:
1. Rosetta: Vor dem großen Finale (Special)
2. Europas Ziel: Zur Urmaterie des Sonnensystems
3. Mit Gratisenergie und Winterschlaf zum Kometen
4. Die Unwägbarkeiten der Landung
5. Pioniertat: Erste Landung auf einem Kometen
6. 67P/Tschurjumow-Gerassimenko: Ein eiskalter stinkender Brocken
7. Rosettas Leitzentrale auf der Erde
8. Das Forschungspaket des Orbiters