Trace Gas Orbiter erforscht den Mars
Rund ein Jahr nach der Ankunft wird der Trace Gas Orbiter mit seiner intensiven wissenschaftlichen Arbeit beginnen.
Mitte Januar 2017 wird die Sonde dafür zwei große Manöver ausführen: Eines dient dazu, die Neigung der Umlaufbahn zum Marsäquator auf 74 Grad zu erhöhen. So können die wissenschaftlichen Instrumente den größten Teil des Planeten erfassen und nicht nur äquatornahe Gebiete.
Die zweite Phase besteht aus komplexen Abbremsmanövern innerhalb eines Jahres in den hohen Schichten der Marsatmosphäre, dem so genannten Aerobraking durch Reibung an den atmosphärischen Molekülen. Dafür wird der niedrigste Punkt der Umlaufbahn von TGO so weit abgesenkt, dass die Sonde durch die obersten Schichten der Atmosphäre fliegt.
Dabei wird sie jedes Mal um einen winzigen Betrag relativ zum Mars abgebremst. Der Bremseffekt muss sehr gering ausfallen, weil sonst die Raumsonde durch die Reibung zu heiß würde. Dies ist eine schwierige Aufgabe, da die atmosphärische Dichte an einem gegebenen Ort stark vom Mittelwert abweichen kann. Nach einigen hundert Umläufen mit Atmosphärendurchflügen wird die Raumsonde ihren vorgesehenen kreisförmigen Arbeitsorbit in 400 Kilometer Höhe über der Oberfläche erreicht haben. Dann endlich kann der wissenschaftliche Abschnitt der Mission beginnen.
Die bisherigen Nachweise von Methan auf dem Mars sind nicht unumstritten: Messungen mit erdgebundenen Teleskopen in den späten 1990er und 2000er Jahren wiesen auf einen durchschnittlichen globalen Methangehalt von 10 Teilen pro Milliarde Teilchen und Volumeneinheit hin (10 ppbv).
Dabei wurden lokale Anreicherungen gefunden, die offenbar saisonal variierten und Spitzenwerte von bis zu 45 ppbv erreichten.
Ein atmosphärisches Rätsel
Mars Express war eine der ersten Raumsonden, die den atmosphärischen Methangehalt von einer Umlaufbahn aus bestimmte. Sie stieß kurz nach ihrer Ankunft im Jahr 2004 auf einen globalen Durchschnittswert von 10 ppbv. Während ihrer Mission zeigten sich bedeutende räumliche und zeitliche Veränderungen, wobei die Werte um mehrere zehn ppbv schwankten. Obwohl die Messungen an der Grenze der Instrumentenempfindlichkeit erfolgten, ist man sich nach zehn Jahren und 20 000 Spektren sicher, dass es deutliche Hinweise auf die Anwesenheit von Methan auf dem Mars gibt.
Die Beobachtungen von Mars Express legen nahe, dass die Gebiete mit den höchsten Methankonzentrationen sich mit den Regionen überlappen, wo höhere Gehalte an Wasserdampf auftreten. Zudem gibt es Übereinstimmungen mit Gebieten, in denen sich Wassereis im Untergrund befindet. In drei ausgedehnten äquatorialen Gebieten wurden nahe der Oberfläche zwei- bis dreimal höhere Wassergehalte beobachtet; es sind Arabia Terra, Elysium Planitia und Arcadia-Memnonia.
Hier stieß die NASA-Raumsonde Mars Odyssey auf eine Schicht aus Wassereis, die sich nur einige Dutzend Zentimeter unterhalb der Oberfläche befindet. Der räumliche Zusammenhang zwischen Wasserdampf und Methan schien auf eine gemeinsame unterirdische Quelle hinzudeuten. Möglich wären geothermische Aufheizung, verbunden mit aktivem Vulkanismus oder, besonders spannend, biologische Aktivität. Hierüber sind sich die Forscher noch nicht einig (siehe Kasten rechts).
Ab dem Jahr 2012 begann der NASA-Marsrover Curiosity mit detaillierten Analysen der Marsatmosphäre, nachdem er im Krater Gale gelandet war. Obwohl die Instrumente von Curiosity extrem empfindlich sind, fanden sich in den ersten sechs Monaten keine bedeutenden Methanmengen. Somit wurden die Beobachtungen der anderen Sonden in Frage gestellt. Aber völlig unerwartet wurde ein plötzlicher Anstieg von Methan auf einen Wert registriert, der zehnmal höher lag als die von Curiosity ermittelte Hintergundkonzentration von 0,7 ppbv.
Allerdings gibt es Diskussionen darüber, ob diese Anstiege nicht vielleicht vom Rover selbst verursacht wurden. Möglich wäre, dass Methan auf der Erde in Teile der Instrumente eindrang, oder dass die Messwerte durch irgendeinen bislang unbekannten Vorgang verändert wurden. Weitere Analysen der Daten dürften hier mit der Zeit Aufschluss geben.
Die große Variabilität und die unvorhersagbare Natur der Methannachweise, nicht zu vergessen auch ihre Zuverlässigkeit, lassen viele Wissenschaftler ins Grübeln kommen, da keine einzelne Theorie alle Beobachtungen erklären kann. Selbst die theoretischen Atmosphärenmodelle haben Schwierigkeiten damit, wie sich die beobachteten Schwankungen mit bekannter atmosphärischer Physik und Chemie erklären lassen. Ein weiterer Erklärungsansatz berücksichtigt den Umstand, dass die ultraviolette Bestrahlung kohlenstoffreicher Meteoriten eine kurzzeitige Freisetzung von Methan auslöst. Allerdings passt dies nicht zu den plötzlichen Methannachweisen der verschiedenen Raumsonden. Allerdings könnte dieser Vorgang – zusammen mit der Zersetzung von interplanetarem Staub, der ständig auf den Planeten fällt – den niedrigen Hintergrundgehalt in der Marsatmosphäre erklären.
Der Trace Gas Orbiter ist mit vier Instrumentengruppen ausgerüstet
Nun kommen ExoMars und sein Trace Gas Orbiter, der Methan und andere Spurengase mit viel höherer Genauigkeit als jemals zuvor nachweisen und analysieren kann. Seine Instrumente sind bis zu drei Größenordnungen empfindlicher als ihre Vorgänger, insbesondere auch bei geringen Konzentrationen. Der TGO ist mit vier Instrumentengruppen ausgerüstet, die sich jeweils einer spezifischen, aber untereinander ergänzenden Aufgabe widmen.
NOMAD, die »Nadir and Occultation for Mars Discovery«, und ACS, die »Atmosphere Chemistry Suite«, werden die marsianischen Spurengase analysieren und ihre Verteilungen kartieren. Zudem sollen die Instrumente die Quellen und Senken der Spurengase herausfinden und dabei ihre geografischen und zeitlichen Veränderungen über Zeiträume von Tagen, Monaten und Jahren hinweg untersuchen. Beide Instrumentengruppen enthalten Spektrometer, die das Spektrum des Sonnenlichts erfassen, nachdem es durch die Marsatmosphäre hindurchgedrungen ist.
Dabei wird das Licht in seine chemischen Fingerabdrücke zerlegt, um die jeweiligen Moleküle zu ermitteln. NOMAD deckt dabei Wellenlängenbereiche im infraroten, sichtbaren und ultravioletten Licht ab. ACS arbeitet bei nah-, mittel- und thermischen infraroten Wellenlängen.
Die spektralen Untersuchungen laufen in drei unterschiedlichen Modi ab: Im ersten wird die Sonne beobachtet, wenn sie durch den Planeten verdeckt wird. Dabei blicken die Instrumente während des Sonnenauf- oder -untergangs in Richtung unseres Zentralgestirns und analysieren das Licht, das dann die Atmosphäre durchdringt. In einem zweiten Modus blicken die Instrumente senkrecht auf den Fußpunkt der Umlaufbahn des Orbiters, den Nadir, und registrieren das von der Oberfläche und der Atmosphäre reflektierte Sonnenlicht. Im dritten Messmodus werden die Instrumente auf den Planetenrand gerichtet, um das in der Atmosphäre gestreute Sonnenlicht zu untersuchen.
NOMAD ~ 13000 Messungen innerhalb eines Marsjahres
Während der Sonnenbedeckungen, die etwa fünf Minuten dauern, kann NOMAD etwa 300 Spektren bei jeder Wellenlänge aufnehmen. Damit lassen sich Atmosphärenprofile der chemischen Zusammensetzung vom obersten Rand bis fast hinunter auf die Oberfläche aufnehmen. Während eines Marsjahrs, also 687 Erdtagen, soll NOMAD rund 13 000 derartige Messungen durchführen.
Eines der wissenschaftlichen Hauptziele der Mission ist es, die isotopischen Eigenschaften von Methan und Wasser auf dem Mars zu bestimmen. Hier sprechen die Forscher von Isotopologen, das sind Moleküle, bei denen zumindest eines ihrer Atome eine andere Anzahl an Neutronen aufweist als in den jeweiligen Molekülen aus Standardatomen. Die Analysen von irdischem Methan zeigen, dass das aus biologischen und geologischen Vorgängen freigesetzte Gas eine eindeutige isotopische Signatur besitzt. Übertragen auf den Mars besteht die Hoffnung, somit den Ursprung und die Geschichte des dortigen Methans näher bestimmen zu können.
Die ACS-Instrumentengruppe fahndet zudem nach weiteren Spurengasen in der Marsatmosphäre, die von den Vorgängersonden noch nicht entdeckt wurden. Zudem untersucht sie fotochemische Prozesse, die in der Atmosphäre ablaufen. Von Interesse sind dabei Wechselwirkungen mit Aerosolen, Wasserdampf und Ozon. Zudem sollen der atmosphärische Staub und die Wolkenbildungen aus kondensierten Gasen wie Kohlendioxid und Wasserdampf beobachtet werden.
FREND, der »Fine Resolution Epithermal Neutron Detector«, misst den von der Marsoberfläche ausgehenden Neutronenfluss. Er entsteht durch das stetige Bombardement der Oberfläche durch Partikel der kosmischen Strahlung, die mit den Atomen in den obersten Metern der Gesteine und Böden in Wechselwirkung treten. Dadurch lassen sich Gebiete erkennen, die höhere Gehalte an Wasserstoff aufweisen, was ein Hinweis auf größere Mengen an Wassereis im Untergrund sein kann. Die Messungen erlauben zudem Einblicke in den Gasverlust der Marsatmosphäre in den umgebenden Weltraum.
Zur gleichen Zeit wird die Kamera CaSSIS, das »Colour and Stereo Surface Imaging System«, diejenigen Regionen fotografieren, die sich als potenzielle Quellen von Spurengasen herausstellten. CaSSIS wird sie mit einer räumlichen Auflösung von fünf Metern pro Bildpunkt aufnehmen. Zudem erlaubt die Kamera die dreidimensionale Rekonstruktion der Oberfläche mit einer vertikalen Auflösung von etwa sechs Metern. Die Bilder von CaSSIS dienen außerdem der Suche nach Landeplätzen für künftige Missionen.
Weitere Teile des Specials:
1.) ExoMars - Auf der Suche nach Leben auf dem Roten Planeten
2.) Die komplizierte Vorgeschichte von ExoMars
3.) Europa auf dem Weg zum Mars - Flug und Ankunft