N° 3–2014: Die ESA-Sonde Rosetta erwacht aus ihrem Dornröschenschlaf
20 January 2014
Mit dem Eingang des ersten Funksignals der ESA-Kometensonde Rosetta nach 31 Monaten Winterschlafmodus in den Weiten des Weltraums wurde ein mit Spannung erwarteter Missionsmeilenstein erfolgreich gemeistert.
Die zurzeit auf ihrem Flug zum fernen Kometen 67P/Tschurjumow-Gerassimenko befindliche Sonde Rosetta soll an ihrem Missionsziel gleich drei Premieren vollbringen, nämlich den Kometen aus nächster Nähe umkreisen, den Versuch unternehmen, auf diesem ein Landegerät aufzusetzen, und den Kometen auf seinem Vorbeiflug an der Sonne begleiten.
Seit ihrem Start vor 10 Jahren ist Rosetta dreimal an der Erde und einmal am Mars vorbeigeflogen, um sich den nötigen Schwung für ihr Reiseziel zu holen, und hat auf ihrem Flug auch die Asteroiden Steins und Lutetia näher unter die Lupe nehmen können.
Da Rosetta nur mit Solarenergie betrieben wird, wurde die Sonde im Juni 2011 für den sonnenfernsten Teil ihrer Bahn, die mit einer Entfernung von beinahe 800 Mio. km von der Sonne noch leicht über die Jupiterumlaufbahn hinausging, in einen Schlummermodus versetzt.
Weil sich Rosetta nun auf ihrem Orbit der Sonne wieder auf 673 Mio. km „genähert“ hat, kann die Sonde erneut genügend Sonnenlicht aufnehmen, um voll funktionsfähig zu sein.
Aus diesem Grund hat Rosettas vorprogrammierte innere Uhr die Sonde heute in einer Entfernung vom Kometen von immerhin noch 9 Mio. km wieder aktiviert. Nach dem Warmlaufen der wichtigsten Navigationsinstrumente, dem Abschluss der Drallstabilisierungsphase und der Ausrichtung ihrer Hauptantenne Richtung Erde hat ein Signal von Rosetta nun bestätigt, dass die Sonde den erdfernsten Teil ihres langen Flugs wohlbehalten überstanden hat.
Das Signal wurde um 18.18 Uhr UTC von der NASA-Bodenstation Goldstone in Kalifornien und der Bodenstation in Canberra während des ersten für einen Funkkontakt zwischen Sonde und Erde möglichen Fensters empfangen und vom Europäischen Raumflugkontrollzentrum der ESA in Darmstadt sogleich bestätigt, womit der erfolgreiche Weckruf mit dem Tweet "Hallo, Welt!" auch über das Twitter-Konto @ESA_Rosetta verbreitet werden konnte.
„Unser Kometenjäger ist wieder da“, verkündete Alvaro Giménez, ESA-Direktor für Wissenschaft und robotische Exploration. „Mit Rosetta werden wir in der Kometenforschung neue Maßstäbe setzen. Diese faszinierende Mission steht in einer Reihe mit unseren früheren Pionierleistungen auf diesem Gebiet. Sie baut auf den technologischen und wissenschaftlichen Erkenntnissen unserer ersten interplanetaren Weltraummission Giotto auf, die 1986 bei ihrem Vorbeiflug am Halleyschen Kometen die ersten Nahaufnahmen eines Kometenkerns vornehmen konnte.“
„Bei diesem Weckruf war keine Snooze-Funktion vorgesehen. Nach diesem spannenden Tag sind wir jetzt erleichtert, dass unsere Sonde planmäßig aufgeweckt und wieder erreichbar gemacht werden konnte“, fügte Fred Jansen, ESA-Missionsleiter für Rosetta, hinzu.
Kometen bilden die ursprünglichsten Bausteine des Sonnensystems und haben wahrscheinlich dazu beigetragen, die Erde mit Wasser und vielleicht sogar den Grundbausteinen des Lebens zu versorgen. Diese rätselhaften Himmelskörper werfen jedoch noch viele grundlegende Fragen auf. Dank der umfassenden, am Objekt vorzunehmenden Studie des Kometen 67P/Tschurjumow-Gerassimenko soll Rosetta diese Geheimnisse nun lüften.
„Bei allen bisherigen Kometenmissionen hatte es sich lediglich um Vorbeiflüge gehandelt, die eine Momentaufnahme im Leben dieser eisigen Schatzkisten darstellten“, erklärte der Rosetta-Projektwissenschaftler der ESA, Matt Taylor. „Mit Rosetta können wir die Entwicklung eines Kometen täglich und über den Zeitraum von mehr als einem Jahr hin verfolgen, womit wir einzigartige Einblicke in die Vorgänge auf diesen Himmelskörpern und letztendlich auch neue Hinweise auf deren Rolle bei der Entstehung des Sonnensystems erhalten werden.“
Zunächst müssen auf der Sonde allerdings wichtige Funktionsüberprüfungen vorgenommen werden. Hierfür werden die elf Instrumente des Orbiters und die zehn Instrumente des Landegeräts eingeschaltet und auf ihren wissenschaftlichen Betrieb vorbereitet.
„Uns bleiben noch wenige arbeitsintensive Monate, um die Sonde und ihre Instrumente auf ihre lange, anspruchsvolle Beobachtungstätigkeit in unmittelbarer Nähe eines Kometen vorzubereiten, über den wir bis zur tatsächlichen Begegnung mit ihm eigentlich kaum etwas wissen“, so Andrea Accomazzo, ESA-Leiter für den Missionsbetrieb von Rosetta.
Rosettas erste Aufnahmen von 67P/Tschurjumow-Gerassimenko werden im Mai erwartet, zu einem Zeitpunkt, an dem die Sonde immerhin noch 2 Mio. km von ihrem Reiseziel entfernt sein wird. Ende Mai wird die Sonde dann ein größeres Manöver für die entscheidende Annäherung an den Kometen im August durchführen müssen.
Am Ziel angekommen, wird Rosetta in den beiden darauf folgenden Monaten erst einmal gründlich die Oberfläche ihres Studienobjekts kartografieren, wichtige Messungen von Schwerkraft, Masse und Form des Kometen vornehmen und seine Gas- und Staubatmosphäre, auch Koma genannt, analysieren. Der Orbiter wird außerdem die Plasmaumgebung und deren Interaktion mit dem äußeren Teil der Sonnenatmosphäre, dem Sonnenwind, untersuchen.
Anhand dieser Daten werden die Wissenschaftler dann einen geeigneten Landeplatz für das 100 kg schwere Landegerät Philae auswählen. Dieser bisher erste und einzige Landeversuch auf einem Kometen ist derzeit für den 11. November geplant.
Philae muss sich aufgrund der verschwindend geringen Schwerkraft des Kometen, dessen Kern einen Durchmesser von lediglich 4 km hat, mit Eisschrauben und Harpunen festzurren, um nach Berührung der Oberfläche nicht wieder in den Weltraum zurückgestoßen zu werden.
Philae wird bei seinen zahlreichen wissenschaftlichen Messungen auch eine Panorama-Aufnahme seiner Umgebung und hochauflösende Aufnahmen von der Kometenoberfläche machen. Darüber hinaus wird das Landegerät direkt vor Ort die Zusammensetzung des Eises und der organischen Stoffe untersuchen, indem es durch Bohrungen in bis zu 23 cm Tiefe Proben zur Analyse in seinem Bordlabor entnehmen wird.
Der Schwerpunkt der anschließenden Missionsphase wird auf dem gemeinsamen Flug in Richtung Sonne liegen, wobei Rosetta die infolge der steigenden Temperaturen und des verdampfenden Eises eintretenden Veränderungen auf der Kometenoberfläche im Auge behalten wird.
Am 13. August 2015 wird 67P/Tschurjumow-Gerassimenko zwischen den Umlaufbahnen von Erde und Mars in einer Entfernung von etwa 185 Mio. km seinen sonnennächsten Punkt erreichen. Rosetta wird den Kometen auch noch für den Rest des Jahres 2015 verfolgen, wenn er sich wieder von der Sonne entfernen und seine Aktivität entsprechend nachlassen wird.
„Uns stehen in diesem Jahr noch viele Herausforderungen bevor. Der Flug zu 67P/Tschurjumow-Gerassimenko ist eine Reise ins Unbekannte, die sicherlich noch mit zahlreichen Überraschungen aufwarten wird. Doch heute sind wir erst einmal sehr glücklich darüber, dass wir den Funkkontakt zu unserer Sonde wieder hergestellt haben“, erklärte erleichtert Matt Taylor.
1964–2014: 50 Jahre im Dienste der europäischen Zusammenarbeit und der Innovation
1964 traten die Übereinkommen zur Gründung der Europäischen Organisation für die Entwicklung und den Bau von Raumfahrzeugträgern (ELDO) und der Europäischen Weltraumforschungs-Organisation (ESRO) in Kraft, aus denen gut ein Jahrzehnt später die Europäische Weltraumorganisation (ESA) hervorging, die ihre beiden Vorgänger ablöste.
Das Jahr 2014 ist Anlass, die Zukunft im Lichte dieser fünf Jahrzehnte an einzigartigen Erfolgen und Errungenschaften in der Raumfahrt zu betrachten, dank derer sich die ESA zu einer der weltweit führenden Raumfahrtagenturen entwickelt hat.
Das Motto „Im Dienste der europäischen Zusammenarbeit und der Innovation“ unterstreicht, wie sehr die ESA in Zusammenarbeit mit den nationalen Delegationen ihrer nunmehr 20 Mitgliedstaaten, mit der Raumfahrtindustrie, den Wissenschaftlern und in den letzten Jahren auch der EU die entscheidenden Impulse für Europa und seine Bürger gegeben hat.
Der fünfzigste Jahrestag der europäischen Zusammenarbeit in der Raumfahrt ist für den gesamten europäischen Raumfahrtsektor, der mit Stolz auf seine Erfolge und Errungenschaften zurückblicken kann, ein Anlass zum Feiern. Er ist ein Zeugnis dafür, dass sich Europa zum Nutzen aller Bürger als treibende Kraft für Fortschritt, Innovation und Wachstum erweist, wenn seine Mitgliedstaaten sich gemeinsam ehrgeizige Ziele setzen und ihre Kräfte bündeln.
Über die ESA
Die Europäische Weltraumorganisation (ESA), Europas Tor zum Weltraum, ist eine 1975 gegründete zwischenstaatliche Organisation, deren Aufgabe darin besteht, europäische Raumfahrtkapazitäten zu entwickeln und sicherzustellen, dass die Investitionen in die Raumfahrt den Bürgern in Europa und anderswo zugutekommen.
Die ESA hat 20 Mitgliedstaaten: Belgien, Dänemark, Deutschland, Finnland, Frankreich, Griechenland, Irland, Italien, Luxemburg, die Niederlande, Norwegen, Österreich, Polen, Portugal, Rumänien, Schweden, die Schweiz, Spanien, die Tschechische Republik und das Vereinigte Königreich. Davon sind 18 auch Mitgliedstaaten der EU.
Im Rahmen von Kooperationsabkommen unterhält die ESA Beziehungen zu acht anderen EU-Mitgliedstaaten. Auch Kanada nimmt im Rahmen eines Kooperationsabkommens an bestimmten ESA-Programmen teil.
Darüber hinaus arbeitet die ESA mit der EU zusammen, um die Programme Galileo und Copernicus zu verwirklichen.
Dank der Koordinierung der Finanzressourcen und Kompetenzen ihrer Mitgliedstaaten kann die ESA Programme und Tätigkeiten durchführen, die weit über die Möglichkeiten eines einzelnen europäischen Landes hinausgehen.
Die ESA entwickelt Raumfahrzeugträger, Satelliten und Bodenanlagen, um sicherzustellen, dass Europa bei Raumfahrtvorhaben weltweit an der Spitze bleibt.
Sie startet Erdbeobachtungs-, Navigations-, Telekommunikations- und Astronomiesatelliten, schickt Raumsonden in entlegene Regionen des Sonnensystems und beteiligt sich an der bemannten Exploration des Weltraums.
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