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Artemis - Künstlerische Darstellung
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Artemis: Rettungsaktion geglückt

03/02/2003 788 views 0 likes
ESA / Space in Member States / Austria

Artemis, Europas modernster Kommunikationssatellit ist endlich am Ziel. Am Freitag um 15:00 Uhr MEZ erreichte die neue ESA-High-Tech-Nutzlast ihren Arbeitsplatz in 36 000 Kilometer Höhe. Zwei kleine elektrische Ionentriebwerke, die eigentlich für die Lagekontrolle des Satelliten gedacht waren, haben in einjähriger Schwerstarbeit den über 3 Tonnen schweren Brocken über 5 000 km hochgehievt. Jetzt kann die reguläre Arbeit der High-Tech-Nutzlasten an Bord beginnen.

Die geglückte 18 Monate dauernde Rettungsaktion ist ein großer Erfolg der ESA und ihrer Partner. Nun relativieren sich die Sorgen, die Artemis unfreiwillig von Anfang an bereitete.
Ursprünglich war sein Flug in den Weltraum im Jahre 2000 mit einer japanischen HII-Trägerrakete vorgesehen. Nachdem es jedoch Probleme mit der Realisierung des neuen japanischen Transportsystems gab, schwenkten die Verantwortlichen bei der Europäischen Weltraumorganisation auf die eigene Trägerrakete Ariane-5 um. Das führte zusammen mit der notwendigen Anpassung von Raumflugkörper und Rakete zur Startverzögerung bis zum 12. Juli 2001.

Volle Tanks: Die richtige Entscheidung

Der lange Weg von Artemis
Der lange Weg von Artemis

Bei der Anpassung muss neben der mechanischen Verbindung zwischen Oberstufe und Satellit auch das Antriebsprofil (welches die Zündzeitpunkte und Brenndauer der einzelnen Triebwerke beschreibt) mit der Masse der Nutzlast in Übereinstimmung gebracht werden. Nur so erreicht der Satellit die richtige Umlaufbahn. Und hier zeigte sich bei Artemis später, dass die Ingenieure unbewusst die richtige Entscheidung getroffen hatten. Da Tanegashima, der Startplatz der japanischen Rakete, 30,4 Grad nördlich vom Äquator liegt, Kourou, der Startort für die Ariane 5 aber nur bei 5,2 Grad, benötigt das satelliteneigene Apogäumstriebwerk bei einem Start von Kourou weniger Energie zum Einschuss in den geostationären Orbit über dem Äquator. Um die Masse des Satelliten aber nicht zu verändern, was schließlich auch zu einem neuen Austrimmen des Schwerpunkts bei Artemis geführt hätte, entschlossen sich die Fachleute, die Tanks bis zum Rand zu füllen. Es war also ein Treibstoffüberschuss vorhanden.
Nach dem Versagen der Oberstufe beim Start am 12. Juli 2001 sollte sich dies als Rettungsanker erweisen. Die Flugdynamiker waren so in der Lage, ein Rettungsszenario zu entwerfen, das den Kommunikationssatelliten doch noch an sein Ziel brachte. Als zweiter Rettungsanker erwiesen sich die Ionentriebwerke an Bord. Mit ihrer Hilfe konnte die letzte Etappe des beschwerlichen Aufstiegs bis in 36 000 Kilometer Höhe realisiert werden.

Die Arbeit kann beginnen

Nun stehen die geplanten Experimente und Aufgaben im Mittelpunkt. Mit Artemis (Advanced Relay and Technology Mission) werden neuartige Systeme für Kommunikationssatelliten erprobt. Er hat drei wichtige Aufgaben zu erfüllen:

 

  • Er soll als Relaissatellit zur Datenübertragung zwischen anderen Satelliten und Bodenstationen dienen.
  • Er wird das dritte Schlüsselelement des europäischen EGNOS-Navigationssystems.
  • Über ihn können von und zu mobilen Terminals auf der Erde Sprach- und Datenübertragung erfolgen.

SILEX: Licht überträgt Daten

Silex-Datenübertragung zwischen Artemis und SPOT-4
Silex-Datenübertragung zwischen Artemis und SPOT-4

Die wohl interessanteste Nutzlast an Bord von Artemis ist das SILEX-Experiment (Semiconductor Intersatellite Link Experiment). Zum ersten Mal wird auf einem zivilen Satelliten ein Laserstrahl zur schnellen Datenübertragung eingesetzt.

Niedrig fliegende Satelliten können von Bodenstationen stets nur für wenige Minuten ihrer Sichtbarkeit erfasst werden. Bei Katastrophenwarnungen zum Beispiel müssen die Daten aber sofort zur Verfügung stehen. Hier können Relaissatelliten auf der geostationären Bahn helfen. Sie sind für den Betrachter am Boden immer sichtbar. Die amerikanischen TDRS-Satelliten erfüllen beispielsweise eine derartige Aufgabe als Verbindungsglied zwischen der Erde und den Space Shuttles. Dabei werden aber Funkwellen im Gigahertz-Bereich genutzt. Das Laserlicht hat den Vorteil, dass die Frequenz, also die Schwingungszahl der Lichtwelle pro Zeiteinheit, wesentlich höher als bei Funkwellen ist. Dementsprechend können mehr Informationen in der gleichen Zeit gesendet werden. Der Nachteil ist die Störempfindlichkeit durch Wolken oder Schmutz in der Atmosphäre. Deshalb erfolgt der SILEX-Versuch zunächst auch nur zwischen Satelliten im Vakuum des Weltraums. Für die Tests stehen zwei Satelliten zur Verfügung, einmal der französische Fernerkundungssatellit SPOT-4 und zum anderen der japanische Raumflugkörper OICETS (Optical Inter Orbit Communications Engineering Test Satellite).

Übertragung zwischen PASTEL und OPALE

Beide Systeme haben Sendeeinheiten an Bord. Bei SPOT-4 ist es das System PASTEL (Passager Spot de Télécommuniction Laser), bei OICTS das System LUCE (Laser Utilizing Communications Equipment). Das Gegenstück an Bord von Artemis heißt OPALE (Optical Payload Laser Experiment). Über die beiden Geräte ist eine Datenübertragung von 50 Mbps (Megabits pro Sekunde) möglich. Auch aus energetischer Sicht ist die Laserübertragung attraktiv. Die Laserdiode braucht für die maximale Datenrate gerade 60 mW. Um die beschriebenen Vorteile voll nutzen zu können, sind einige Randbedingungen zu erfüllen. Da der Laserstrahl durch ein Teleskop mit 25 cm Durchmesser fokussiert wird und damit in 42 000 km Entfernung nur einen Durchmesser von 400 m hat, muss der Lageregelung des Satelliten besondere Aufmerksamkeit gewidmet werden. Ein spezielles, von 19 Laserdioden gespeistes "Leuchtfeuer", in Richtung des Zielsatelliten gesendet, dient hier der Verbindungsaufnahme.

Zusätzlich hat der ESA-Satellit mit SKDR (S/Ka-Band Data Relay) auch noch Systeme für die Funkübertragung zu niedrig fliegenden Objekten an Bord. So sollen später u.a. Daten vom europäischen Umweltsatelliten Envisat und der Internationalen Raumstation auf diesem Weg zur Erde übertragen werden.

EGNOS: Navigation mit hoher Genauigkeit

EGNOS
EGNOS

Große Verbreitung hat die Satellitennavigation in zivilen Bereichen gefunden. Einige Nutzer, beispielsweise in der Luftfahrt, haben aber wesentlich höhere Anforderungen, als das amerikanische GPS- oder das russische GLONASS-System derzeit liefern kann. Hier soll das europäische System EGNOS (European Geostationary Navigation Overlay System) helfen, das durch die Verteilung genau berechneter Korrektursignale auf Basis von GPS, GLONASS und festen Referenzpunkten die Genauigkeit, Verfügbarkeit und Integrität des Systems wesentlich verbessern wird. Dazu befinden sich nun auf drei geostationären Satelliten – neben Artemis gehören noch zwei Inmarsat-Satelliten dazu – Transponder, die das in der Bodenstation errechnete Signal an die Nutzer verteilen.

Die Schule im Weltraum

Eine weitere Nutzlast, LLM (L-Band Land Mobile Payload) wird die Kommunikation von Partnern ermöglichen, die sich nicht an einem bestimmten Punkt aufhalten, sondern mobil irgendwo in Europa, Nordafrika oder dem Nahen Osten unterwegs sind. Sie können über kleine Terminals die Verbindung zu einer Zentrale oder zu anderen Partnern herstellen und dort Informationen abrufen bzw. senden. Ein konkretes Projekt ist das „Lernen per Satellit“. Das Projekt heißt Trapeze 3. Die Schüler sind über ihr Terminal mit einem Lehrer und einem Server verbunden. Vom Server erhalten sie multimediale Lerninhalte und Aufgaben. Der Lehrer steht für Fragen und als Helfer zur Verfügung. Die technische Herausforderung ist dabei die Zwei-Weg-Verbindung, d.h. sowohl der Empfang der Daten als auch das Senden von Fragen und Lösungen sind per Satellit möglich.

Artemis ist am Ziel. Die eigentliche Arbeit kann beginnen. Artemis muss jetzt den Beweis antreten, dass er die Tradition europäischer Kommunikationssatelliten mit richtungsweisenden Technologien erfolgreich fortzusetzen vermag. Warten wir gespannt auf die kommenden Ergebnisse.

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