Dem Polarlicht auf der Spur
Das Cluster-Satellitenquartett der Europäischen Weltraumorganisation ESA hat das Geheimnis geklärt, was das Polarlicht erstrahlen lässt: Es sind Plasmaströme, die aus dem Schweif der Erdmagnetosphäre mit irrsinniger Geschwindigkeit auf den blauen Planeten zurasen. An vorderster Forschungsfront dabei: die Magnetosphären-Messgeräte des Instituts für Weltraumforschung (IWF) in Graz.
Polarlichter gehören zu den eindrucksvollsten Schauspielen, die die Natur zu bieten hat. Die farbenprächtigen Lichtvorhänge am Himmel in höheren Breiten entstehen zumeist durch Elektronen, die an den Feldlinien des Erdmagnetfeldes entlang in die unteren Schichten der Atmosphäre vordringen. Dort kollidieren sie mit Luftmolekülen. Die dabei freigesetzten Energien lassen dann das Firmament erglühen. Der polarlichterzeugende Elektronenschauer kommt aus dem nachtseitigen Teil der Erdmagnetosphäre, dem so genannten geomagnetischen Schweif, den die vier baugleichen Cluster-Satelliten der ESA seit Anfang 2001 eingehend unter die Lupe nehmen.
Den Magnetschweif im Visier
Von der Sonne gelangt ein permanenter Strom elektrisch geladener Teilchen mit Geschwindigkeiten bis zu 1000 km/s zur Erde. Der irdische Magnetschutzmantel leitet diesen Sonnenwind sicher um den blauen Planeten herum.
Auf der sonnenabgewandten Seite wird dabei das Magnetfeld weit in den Raum hinaus zum so genannten geomagnetischen Schweif gedehnt. „Der Schweif ist die am wenigsten erkundete und verstandene Region des Magnetfeldes. Er ist aber für den Energiekreislauf der Magnetosphäre extrem wichtig“, erläutert Wolfgang Baumjohann, Direktor des Grazer Instituts für Weltraumforschung (IWF) der Österreichischen Akademie der Wissenschaften. Das IWF hat sich im Rahmen der Cluster-Mission der ESA insbesondere der Erforschung des irdischen Magnetschweifs verschrieben.
Schweifprozesse erzeugen Polarlicht
Im Schweif kommt es permanent zur Neuanordnung gedehnter und aufgebrochener Magnetfeldlinien, die sich anschließend wieder in Richtung Erde zusammenziehen. Dabei entstehen magnetische Stürme, bei denen das im Schweif eingeschlossene Teilchenplasma aus dem Sonnenwind offenbar durch kurzlebige Hochgeschwindigkeits-Ströme erdwärts geschleudert wird.
Schon lange haben Wissenschaftler diese mehr als 300 km/s schnellen so genannten „Bursty Bulk Flows“ (BBF) als Verursacher der polaren Lightshow im Verdacht. Gewissheit brachte aber erst die Auswertung detaillierter Cluster-Daten aus den Jahren 2001 und 2002, an der die Schweifexperten des IWF in Graz führend mitgearbeitet haben.
Die demnächst im „Journal of Geophysical Research“ erscheinende Untersuchung belegt, dass entgegen bisheriger Annahmen jeder Magnetsturm im Schweif von „Bursty Bulk Flows“ begleitet wird. „Prozesse wie diese sind für uns extrem interessant, weil sie auch astrophysikalisch relevant sind“, erläutert Baumjohann vom IWF. „Dank Cluster können wir fundamentale Prozesse im Plasma beobachten, die überall im Universum auftreten“.
IWF: Forschungsexpertise und Hardware aus Österreich
Das Grazer Institut für Weltraumforschung mit seinen 75 Mitarbeitern aus zehn Ländern ist aber nicht nur forschungsseitig an der Cluster-Mission beteiligt. Es hat auch an der Entwicklung von drei der elf Bordinstrumente mitgewirkt, die sich auf jedem der vier ESA-Satelliten befinden. Hierzu gehört das Flux-Gate-Magnetometer (FGM), eines der Schlüsselexperimente der Cluster Mission zur hochpräzisen Messung des Erdmagnetfeldes. Darüber hinaus ist Graz an den Instrumenten ASPOC (Active Spacecraft Potential Control) zur Erfassung der elektrischen Aufladung des Raumflugkörpers und EDI (Electron Drift) zur Messung des elektrischen Feldes beteiligt.
Österreichs führendes Institut der Weltraumforschung hat auch zu anderen spektakulären ESA-Unternehmungen zahlreiche Instrumente oder Komponenten beigesteuert, beispielsweise zur Saturnmission Cassini/Huygens, zur Kometenmission Rosetta und zu den höchst erfolgreichen Planetenmissionen Mars Express und Venus Express.
Und wenn im Jahr 2013 die europäisch-japanische Satellitenmission BepiColombo zum Merkur startet, werden erstmals zwei Weltraumsonden – Magnetosphärischer (MMO) und Planetarer Orbiter (MPO) – gleichzeitig zum sonnennächsten Planeten fliegen. Merkur ist ein besonders interessanter Planet, da er – äußerlich sich zwar dem Erdmond ähnelnd – von seiner Größe, seiner chemischen Zusammensetzung und seinem aktiven Inneren sehr erdähnlich erscheint. BepiColombo verspricht daher spannende Forschungsergebnisse. Das IWF wird hautnah mit dabei sein: An Bord beider Raumsonden treten Magnetometer „Made in Graz“ die Reise zum Glutplaneten an.
Ansprechpartner:
Prof. Wolfgang Baumjohann
Österreichische Akademie der Wissenschaften (ÖAW)
Institut für Weltraumforschung (IWF)
Schmiedlstr. 6
A-8042 Graz
Tel.: +43 316 4120-502
Fax: +43 316 4120-590
Mail: baumjohann @ oeaw.ac.at