Frauen in der Luft- und Raumfahrt
„Noch in diesem Jahrhundert wird die erste Frau ihren Fuß auf den Mars setzen.“ Das ist die Vision von Claudie Haigneré, Europas First Lady im All. Und 400 junge Frauen hingen gebannt an den Lippen der ESA-Astronautin. Teilnehmerinnen, die sich am 9. Mai auf der Berliner Tagung „Über den Horizont und noch weiter“ über Ausbildungs- und Berufsmöglichkeiten in der Luft- und Raumfahrt informierten. Hochkarätige Referentinnen, alles renommierte Expertinnen aus Luft- und Raumfahrtberufen, warben für ihr Geschlecht in einer Männerdomäne.
Den Sternen ganz nah
Die informationshungrigen Schülerinnen und Studentinnen konnten auf der Tagung im Wissenschaftszentrum „WISTA“ in Berlin-Adlershof nach den Sternen greifen. Mit Claudie Haigneré und Heike Walpot berichteten zwei europäische Astronautinnen von ihrem ganz persönlichen Weg ins All. Und Sheryl Bishop von der NASA erklärte, wie man sich die Arbeit einer Weltraum-Psychologin vorzustellen hat. Alle Referentinnen machten den jungen Teilnehmerinnen Mut, sich für einen Beruf in der Luft- und Raumfahrt zu entscheiden, denn Frauen haben in dieser traditionellen Männerdomäne gute Chancen.
Ihre Voraussetzungen: echte Begeisterung und ein gewisses Maß an Beharrlichkeit. „Wenn man Interessen und Ziele hat: einfach machen. Und nicht drüber nachdenken, was die anderen denken“, riet die Astronautin und Lufthansa-Pilotin Heike Walpot. Die Französin Claudie Haigneré, Fachärztin für Lungenkrankheiten, warb für mehr Frauen-Power in der europäischen Raumfahrt. Alles sei erreichbar, wenn "Frau" es will. 1996 absolvierte sie als Forschungskosmonautin ihren ersten Flug zur MIR-Station. Fünf Jahre danach, 2001, betrat die ESA-Astronautin als erste Europäerin die Internationale Raumstation ISS. Die zweifache Raumfahrerin bekräftigte: „Die Tür steht offen“. Den Schritt über die Schwelle aber müsse „jede Frau mutig und hoch motiviert selbst tun“.
Akuter Frauenmangel
„Wir müssen schon in der Schule junge Mädchen für Mathematik und Naturwissenschaft begeistern“, so Forschungsministerin Edelgard Bulmahn, die als Schirmherrin die Veranstaltung im Rahmen der ILA 2002 eröffnete. Noch immer entscheiden sich nur wenige Frauen für eine Karriere in den Natur- und Ingenieurswissenschaften. Dabei sind die Jobchancen in diesen Berufen gut. Grund für den Frauenmangel sind nicht zuletzt Berührungsängste: Offensichtlich dringen Frauen nur zögerlich in Berufsfelder vor, die traditionell als Domäne der Männer gelten.
In der Luft- und Raumfahrt das gleiche Bild: „Das europäische Astronautenkorps der ESA hat 16 Mitglieder. Und ich bin derzeit die einzige Frau“, sagte Claudie Haigneré. Ähnlich ergeht es auch Heike Walpot. Sie berichtete, dass sie „als eine der ganz wenigen Linienflug-Pilotinnen einen gewissen Exotenbonus genießt“.
Gute Zukunftsaussichten für Frauen im All
Kosmonautinnen und Astronautinnen sind also die Ausnahme von der Regel – noch. Dies könnte sich bald ändern. Forschungsergebnisse belegen, dass eine gemischte Raumschiffbesatzung stabiler ist und besser funktioniert als eine Crew, die nur aus Männern oder nur aus Frauen besteht.
„Die Ergebnisse sprechen dafür, bei der Zusammenstellung von Besatzungen die Stärken beider Geschlechter zu verbinden“, sagt die NASA-Psychologin Sheryl Bishop. Sie untersucht, wie sich Menschen in Gruppen verhalten, wenn sie Extrembedingungen ausgesetzt sind. Wie die Crewmitglieder miteinander und mit der Stresssituation im All klarkommen, ist entscheidend für den Erfolg einer Mission. Ganz besonders gilt dies für Langzeit-Missionen auf der ISS und für eine mögliche Marsmission.
Die Raumfahrt bietet also nicht nur Chancen für Frauen, sondern ist künftig möglicherweise darauf angewiesen, dass sich Schülerinnen und Studentinnen für eine Karriere im All entscheiden.
Der Flug zum Mars - nicht ohne Astronautin
Vielleicht werden einige der jungen Frauen, die fasziniert den Berichten der Expertinnen lauschten, eines Tages auf der Internationalen Raumstation Dienst tun.
Und Claudie Haignerés Vision vom bemannten Flug zum roten Planeten in diesem Jahrhundert? Was zunächst wie ein Märchen klingt, könnte schon morgen Wirklichkeit sein. Denn die Chancen für eine beginnende Erkundung des erdnächsten Planeten im 21. Jahrhundert sind außergewöhnlich gut. Aufgrund der mehrjährigen Mission – Hin- und Rückflug erfordern eine Flugzeit von mindestens drei Jahren – wird diese Reise eine gemischte Besatzung antreten. Die Teilnehmer an diesem Raumflug sind bereits geboren. Sie leben irgendwo auf unserem blauen Heimatplaneten. Es könnte eine der jungen Frauen aus dem Saal dabei sein.