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In Memoriam – Reimar Lüst

02/04/2020 399 views 1 likes
ESA / Space in Member States / Austria

Reimar Lüst, einer der großen Raumfahrtpioniere Europas, ist am 31. März 2020 im Alter von 97 Jahren verstorben. Professor Lüst war von 1984 bis 1990 der dritte Generaldirektor der ESA und einer der größten Visionäre in Bezug auf die Entstehung und Förderung der Raumfahrt in Europa.

Reimar Lüst
Reimar Lüst

Professor Lüst war seit der Gründung der Europäischen Raumfahrtagentur COPERS (Commission Préparatoire Européenne de Recherches Spatiales) an der Mitgestaltung der europäischen Weltraumwissenschaft beteiligt. Zunächst als Sekretär der Arbeitsgruppe für Wissenschaft und Technik, dann von 1962 bis 1964 als wissenschaftlicher Direktor für die ESA-Vorläuferorganisation ESRO, wo er in die Ausarbeitung des wissenschaftlichen Programms eingebunden war.

Als er am 3. September 1984 sein Amt als Generaldirektor der ESA antrat, stürtzte er sich sofort in die intensiven Vorbereitungen für die im Januar 1985 in Rom abgehaltene ESA-Ratstagung auf Ministerebene, wo die Vorbereitungsarbeiten für die Ariane-5-Trägerrakete und der Auftakt des Wissenschaftsprogramms Horizon 2000 genehmigt wurden.

Trotz dieses vielversprechenden Beginns sei daran erinnert, dass die Zeiten damals schwierig waren. Seit Ende der 1970er Jahre wurde das ESA-Personal beständig abgebaut, und es gab Pläne, die Aktivitäten der Organisation auf die grundlegenden Tätigkeiten mit nur wenigen Anwendungsprogrammen zu beschränken. Bei seiner Amtsaufnahme wurde Lüst sofort tätig und konnte die Mitgliedstaaten davon überzeugen, zahlreiche neue fakultative Programme zu genehmigen. In der Folge wurden zwischen 1984 und 1990 mehr als 1000 Bedienstete eingestellt. Er setzte sich dafür ein, viele talentierte junge Menschen anzuwerben, um innerhalb der ESA neue Ideen und Arbeitsmethoden einzuführen.

1986 wurde Professor Lüst zu seiner großer Freude Zeuge der erfolgreichen Begegnung der Giotto-Sonde mit dem Halleyschen Kometen und unterzeichnete im September des gleichen Jahres ein Assoziierungsabkommen mit Finnland. Im Januar 1987 unterzeichnete er mit Österreich und Norwegen Abkommen über deren Beitritt zum ESA-Übereinkommen, wodurch diese Länder zum zwölften bzw. dreizehnten Mitgliedstaat der ESA wurden. Im November 1987 leitete er eine erfolgreiche ESA-Ratstagung auf Ministerebene in Den Haag, bei der die Entwicklungsprogramme für Ariane-5, Columbus und Hermes genehmigt wurden. Er wurde am 15. Juni 1988 in Kourou Zeuge des ersten erfolgreichen Starts der Ariane-4-Rakete und unterzeichnete im September 1988 mit der NASA eine Absichtserklärung über die Zusammenarbeit für den Entwurf und die Entwicklung der Internationalen Raumstation. Anschließend wurde das erste zwischenstaatliche Übereinkommen (IGA) mit den USA und Kanada über die Raumstation getroffen.

Den bedeutenden Platz von Professor Lüst in der Geschichte der ESA machen auch die Feierlichkeiten zum 25-jährigen Bestehen der europäischen Zusammenarbeit in der Raumfahrt deutlich. In Anwesenheit von Helmut Kohl, François Mitterrand und Pierre Auger, fand diese Feier am 19. April 1989 in Paris statt.

Am 12. Mai 1989 wurde der Hinterlegungsvertrag zwischen der ESA und dem Historischen Archiv der Europäischen Gemeinschaften (jetzt HAEU) unterzeichnet, der Historikern bis heute die Möglichkeit gibt, die Geschichte der europäischen Raumfahrt zu studieren und fortzuschreiben. Lüst pflegte zu sagen, dass die Zusammenarbeit mit allen Mitgliedstaaten der ESA wie „Tanzen mit einem Oktopus“ sei. Seine Einsichten und seine unschätzbare Erfahrung wurden von vielen gewürdigt.

Professor Lüst hinterlässt ein wichtiges Vermächtnis auf dem Gebiet der europäischen Weltraumforschung, das zu unseren Kenntnissen über die Ursprünge unseres Planetensystems, die Solarphysik, die Physik der kosmischen Strahlung, die Plasmaphysik, die Hydrodynamik und die Kernfusionsphysik beigetragen hat.

Anlässlich des 50. Jahrestags der europäischen Zusammenarbeit in der Raumfahrt am 7. Mai 2014 erklärte Professor Lüst: „Im Laufe der fünfzig Jahre unserer Zusammenarbeit haben wir Höhen und Tiefen erlebt. Ich könnte da einige Beispiele anführen. Für den Erfolg der europäischen Zusammenarbeit innerhalb der ESA waren jedoch meiner Meinung nach drei Elemente von entscheidender Bedeutung: erstens die Entwicklung eines herausragenden Trägers, der Ariane, zweitens das obligatorische Wissenschaftsprogramm und drittens die Organisation selbst.“

In Erinnerung an Reimar Lüst würdigt die ESA heute das Vermächtnis einer außergewöhnlichen Persönlichkeit und ehrt den unschätzbaren Beitrag, den er in mehr als 50 Jahren für die Raumfahrt in Europa geleistet hat.

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