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Saubere Wäsche auf dem Mond

27/07/2023 253 views 3 likes
ESA / Space in Member States / Austria

Wenn die Astronaut*innen zum Mond zurückkehren, werden sie eine neue Generation von Raumanzügen mitbringen, die für die rauen Bedingungen auf der Mondoberfläche konzipiert sind. Doch auch wenn diese Anzüge für ihre menschlichen Träger sicher und komfortabel sind, können sie sich zu einer fruchtbaren Brutstätte für schädliches mikrobielles Leben entwickeln – zumal die Anzüge möglicherweise von mehreren Astronaut*innen gemeinsam genutzt werden.

PExTex Raumanzug Konzept
PExTex Raumanzug Konzept

Die ESA bewertet im Rahmen eines größeren Projekts namens PExTex (Planetary Exploration Textiles) geeignete Textilien für das Design zukünftiger Raumanzüge. In diesem Zusammenhang leitet das Österreichische Weltraumforum ein Projekt namens BACTeRMA, bei den Möglichkeiten zur Verhinderung von mikrobiellem Wachstum in den Innenauskleidungen der Anzüge untersucht werden.

Die offensichtlichsten Gefahren kommen von außen: Mondfahrer*innen, die sich von der Mondbasis aus auf den Weg machen, werden nicht nur mit Hochvakuum, sondern auch mit ungebändigten Temperaturextremen, Weltraumstrahlung und stark abrasivem Staub konfrontiert sein, der die Dichtungen der Apollo-Raumanzüge teilweise innerhalb weniger Stunden teilweise verklemmte und die äußersten Schichten beschädigte. 

Anziehen für den Weltraum
Anziehen für den Weltraum

Aus diesem Grund hat das Projekt PExTEx unter der Leitung der französischen COMEX (Compagnie Maritime d'Expertises) neuartige Textilien untersucht, die es in der Apollo-Ära noch nicht gab, wie z. B. das hochfeste Twaron-Material.

Das PExTex-Team, das sich an dem von den USA geleiteten Artemis-Programm orientiert, hat Materialien für einen Raumanzug getestet, der mindestens 2500 Stunden auf der Oberfläche überstehen könnte. Dazu werden sie zahlreichen Tests unterzogen, die vom PExTex-Partner DITF(Deutsche Institute für Textil- und Faserforschung) überwacht werden.

MedAustron für Strahlungstests
MedAustron für Strahlungstests

Dazu gehörten Tests im Ultrahochvakuum, mit elektrischen Entladungen, Temperaturveränderungen und die Reibung mit simuliertem Mondstaub – zusätzlich wurden die Textilien der Strahlung von Kernbeschleunigern ausgesetzt, was in der MedAustron-Anlage in Österreich durchgeführt wurde.

Ein weiterer PExTex-Partner, das Österreichische Weltraum Forum (OeWF), hat sich mit seiner „Biocidal Advanced Coating Technology for Reducing Microbial Activity“ (BACTeRM) darauf konzentriert, die Innenseite von Raumanzügen sicher und gesund zu halten.

Mikroskopische Ansicht eines Textils
Mikroskopische Ansicht eines Textils

„Denken Sie daran, wie Sie Ihre Unterwäsche sauber halten – dank Waschmittel, Waschmaschinen und Trocknern ist das im Alltag ein Kinderspiel“, erklärt die ESA-Ingenieurin für Werkstoffe und Verfahren Malgorzata Holynska. „Aber in Habitaten auf dem Mond oder weiter entfernt ist es möglicherweise nicht praktikabel, die Innenseiten von Raumanzügen regelmäßig zu waschen.

„Darüber hinaus werden die Raumanzüge höchstwahrscheinlich von verschiedenen Astronaut*innen gemeinsam genutzt und zwischen den Einsätzen lange Zeiträume gelagert, was potenziell günstige Bedingungen für Mikroorganismen bietet. Stattdessen mussten wir alternative Lösungen finden, um mikrobielles Wachstum zu vermeiden.

Bakterien
Bakterien

Herkömmliche antimikrobielle Materialien wie Silber oder Kupfer können in der engen Umgebung eines Raumanzugs zu Hautreizungen führen und mit der Zeit anlaufen.

Stattdessen wandte sich das BACTeRMA-Team den so genannten „sekundären Metaboliten“ zu – das sind chemische Verbindungen, die von Mikroben produziert werden, um sich vor Konkurrenten oder anderen Umweltfaktoren zu schützen. Diese typischerweise farbenfrohen Verbindungen haben oft antibiotische Eigenschaften.

Violacein-Pigment, das von Bakterien produziert wird
Violacein-Pigment, das von Bakterien produziert wird

Das OeWF arbeitete mit dem BACTeRMA-Partner Vienna Textile Lab zusammen, um mit dessen einzigartiger „bakteriografischer“ Sammlung biozide Textilverarbeitungstechniken zu entwickeln, wie etwa das Färben von Stoffen mit diesen bakteriellen Stoffwechselprodukten. Diese Materialien wurden dann Strahlung, Mondstaub und simuliertem menschlichen Schweiß ausgesetzt, um ihre Haltbarkeit zu testen.

Im Ergebnis haben die BACTeRMA-Partner wertvolle Erkenntnisse über die Wirksamkeit und Eignung antimikrobieller Substanzen wie Violaceinpigment und Prodigiosin – bekannt für seine rosa Färbung auf verschmutzten Oberflächen – auf verschiedenen textilen Materialien gewonnen.

Prodigiosin-Pigment, das von Bakterien produziert wird
Prodigiosin-Pigment, das von Bakterien produziert wird

Gernot Grömer, OwEF Direktor meint dazu: „Die Ergebnisse von PExTex und BACTeRMA legen den Grundstein für zukünftige Entwicklungen in den Bereichen antimikrobielle Behandlungen und Integration intelligenter Textiltechnologien. Darüber hinaus könnten diese Projekte weiterreichende Auswirkungen auf die Textilindustrie haben, indem sie die Machbarkeit und Bedeutung der Entwicklung innovativer Textilien mit speziellen Eigenschaften aufzeigen.

Das Österreichische Weltraumforum integriert die neu entwickelten Textilien derzeit in seinen Raumanzugssimulator. Im März 2024 könnten diese Materialien im Rahmen unserer Simulation einer analogen Crew-Marsmission in Armenien während der AMADEE-24-Feldkampagne einem ersten Feldtest unterzogen werden.“

Der erste Außenbordeinsatz von Matthias Maurer
Der erste Außenbordeinsatz von Matthias Maurer

Der deutsche ESA-Astronaut Matthias Maurer äußerte sich anerkennend über die Ergebnisse von PEXTex und BACTeRMA: „Raumfahrttechnologie, die von der ESA finanziert und in Europa entwickelt wird, ist ein entscheidender Schritt zur Stärkung des Fachwissens der europäischen Industrie und Wissenschaft für die künftige Erforschung des Planeten durch Menschen und Roboter.”

Raumfahrtorganisation mit Bürgerbeteiligung

BACTeRMA project
BACTeRMA project

Das OeWF ist eine Weltraumforschungsorganisation, die einen bürgerwissenschaftlichen Ansatz verfolgt: Im OeWF kommen verschiedene Expert*innen aus unterschiedlichen Wissenschaftsbereichen zusammen, um an Weltraumthemen zu arbeiten, wobei ein besonderer Schwerpunkt auf der Raumanzugstechnologie liegt.

Die Idee für das zweijährige BACTeRMA-Projekt wurde von der OeWF in Zusammenarbeit mit dem Wiener Textillabor als Unterauftragnehmer über die Open Space Innovation Platform der ESA vorgeschlagen, die nach vielversprechenden Ideen für die Weltraumforschung aus verschiedenen Quellen sucht.