Weltgrößte Schaltstelle für Klimaüberwachung
Europas Paradestück der Umweltbeobachtung heißt Envisat. Der größte, aufwändigste und leistungsstärkste Erdbeobachtungssatellit der Europäischen Weltraumorganisation (ESA) ist – vollständig ausgerüstet – 25 Meter hoch, zehn Meter breit und über acht Tonnen schwer. Sein Start mit einer Ariane 5 fand in der Nacht vom 28. Februar zum 1. März statt. Europas fliegendes Klimalabor ist den Umweltveränderungen auf der Spur. Envisat soll mindestens fünf Jahre lang Daten über die globale Erwärmung, den Abbau von Ozon und den Klimawandel liefern.
Bislang hatte nur eine Handvoll Menschen das Glück, die Erde aus dem Weltraum zu sehen und zu erkennen, wie winzig und zerbrechlich sie ist. „Ich hoffe“, sagte Alexei Leonow, der erste Kosmonaut, der aus seinem Raumschiff ausstieg, „dass alle Menschen dies verstehen und unseren blauen Planeten schützen: Als das Heim, in dem sie geboren sind, als die Heimat, in welcher sie leben, und als die Heimstatt, wo ihre Kinder und Enkelkinder nach ihnen leben werden.“
Dieses Ziel hat sich Envisat zu eigen gemacht. Er ist mit den besten Augen ausgestattet. Seine zehn Instrumente bieten alles, was sich Wissenschaftler im Einsatz des von Umweltgefahren bedrängten Heimatplaneten wünschen. Die einzigartige fliegende Umweltstation schließt zugleich nahtlos an die erfolgreichen europäischen Geofernerkundungssatelliten ERS-1 (1991) und ERS-2 (1995) an. Klimaschutz ist eine Herausforderung für die gesamte Gesellschaft. Deshalb hat die ESA auch nicht gekleckert, sondern geklotzt: Die Gesamtkosten des Envisat-Programms liegen bei 2,3 Mrd. Euro, verteilt über 15 Jahre. Darin eingeschlossen sind Entwicklung und Bau der Geräte sowie des Satelliten, der Start mit der Trägerrakete Ariane 5 sowie die Kosten des Satellitenbetriebes während fünf Jahren. Jeder Bürger der 15 ESA-Mitgliedsländer investiert hiermit 7 Euro in die Umwelt. Oder anders ausgedrückt: Envisat kostet jeden europäischen Bürger etwa eine Tasse Kaffee pro Jahr. Im Gegenzug erhält er mindestens fünf Jahre lang exakte Daten über die Umweltveränderungen: Über die globale Erwärmung, den Abbau von Ozon und den Klimawandel. Sie sind als Grundlage politischer Entscheidungen dringend notwendig und überfällig. Denn die Gashülle der Erde ist nicht an politische Grenzen gebunden. Die Atmosphäre ist global, ihre Zirkulation planetar. Entwarnung kann es daher weder in Europa noch anderswo geben.
Eine kranke Erdatmosphäre
Die Symptome sind eindeutig: Die Erdatmosphäre ist krank. Wie krank, darüber streiten die Gelehrten. Die Umweltbedrohung erscheint in flüchtiger Gestalt. Es sind Gase, die aus Schornsteinen der Haushalte und der Industrie strömen, die bei der Verbrennung von Holz, Kohle, Öl und Gas sowie der Brandrodung entstehen, von Autos oder Flugzeugen ausgestoßen werden, Rindermägen entweichen, aus Spraydosen, Verschäumungsstoffen, Lösungs-, Kühl- und Reinigungsmitteln an die Luft gelangen. Hierunter befinden sich Kohlenmonoxid und -dioxid, Methan, Ozon, Stickoxide sowie Fluor-Chlor-Kohlenwasserstoffe (FCKW), aber auch Wasserdampf. Zwar sind es nur winzige Mengen der insgesamt etwa 0,04 % umfassenden Spurengase, doch sie könnten Ausgangspunkt globaler Klimaänderungen werden. Denn wie so oft, kommt es auf die Dosis an.
Seit mehreren Jahrzehnten ist eine stete Zunahme klimawirksamer Spurengase in der Atmosphäre zu verzeichnen. Das Fatale daran ist: Die Prozesse vollziehen sich schleichend. Alle der Atmosphäre zugeführten Stoffe kommen irgendwann und irgendwo einmal zum Tragen. Aber wann, wo, mit welcher Intensität und mit welchen Folgen das geschieht, ist aufgrund der Kompliziertheit und Komplexität von Klimaprozessen schwer verständlich. Und aufgrund der Rückkopplungen auch kaum vorhersehbar. Weil eben alles mit allem zusammenhängt.
"Als ich die Atmosphäre zu untersuchen begann, konzentrierte ich mich ausschließlich auf vier chemische Reaktionen, die damals als entscheidend galten", berichtet Paul Crutzen (67), dem 1995 der Chemie-Nobelpreis für seine Untersuchungen über die Ursache des Ozonlochs verliehen wurde. "Heute aber müssen wir in unseren chemischen Modellen mit Hunderten von Reaktionen arbeiten, wenn wir etwas verstehen wollen."
Es lässt sich nicht einmal in allen Fällen zweifelsfrei sagen, ob bestimmte Stoffe neutral oder schädlich sind. Das beste Beispiel sind die FCKW. Sie haben eine bemerkenswerte Karriere und Metamorphose hinter sich. Vor 70 Jahren entdeckt, galten sie lange als absolut harmlos, neutral und in hohem Maße umweltfreundlich, denn sie sind nicht giftig, nicht ätzend, nicht brennbar sowie farb- und geruchlos. Entsprechend breit gefächert waren ihre Anwendungsmöglichkeiten – als Treibmittel in Spraydosen, als Kühlmittel in Kühlschränken und Klimaanlagen, als Aufschäumungsmittel bei der Kunststoffherstellung, als Sterilisationsmittel für medizinische Geräte, als Lösungs- und Reinigungsmittel für Textilien und Leder oder als Mittel zum Säubern von Leiterplatten in der Mikroelektronik.
Aus umweltfreundlichen FCKW wurden geschasste Ozonkiller. Dass sie die Ozonschicht zerstören und für das berüchtigte Ozonloch über der Antarktis verantwortlich sind, ist mittlerweile Allgemeinwissen. Täter und Opfer können also zeitlich und örtlich weit auseinander liegen. Das Beispiel macht aber auch klar, wie sehr eine ganzheitliche Betrachtungsweise des Systems Erdatmosphäre zum Verständnis von Klimaprozessen notwendig ist.
Die Wissenschaft reagiert auf ihre Art: So hat sich der Schulterschluss zwischen Theoretikern, die Modelle zur Atmosphärenchemie entwickeln, sowie Praktikern, die Messungen durchführen und Messgeräte entwickeln, als außerordentlich nützlich erwiesen. Eine derartige erkenntnisbereichernde Symbiose praktizieren auch die beiden Klima-Koryphäen, der Holländer Paul Crutzen, langjähriger Direktor des Max-Planck-Instituts für Chemie in Mainz sowie der Brite John Burrows (47), der sich am Institut für Umweltphysik und Fernerkundung der Universität Bremen auf die Chemie der Erdatmosphäre spezialisiert hat. Beide verbindet eine langjährige freundschaftliche Partnerschaft. John Burrows hat als Leiter einer internationalen Wissenschaftlergruppe die Ozonmessgeräte GOME und SCIAMACHY für die Satelliten ERS sowie Envisat Mitte der 1980er Jahre vorgeschlagen und diese Projekte betreut. Burrows über Crutzen: "Er war ein wichtiger Unterstützer des ESA-Umweltsatellitenprojektes Envisat. Er ist aber vorrangig ein Modellierer, ich dagegen eher ein Experimentator. So haben wir uns stets gut ergänzt."
Ozon - das lebensnotwendige Gift
Eines der wichtigsten Treibhausgase ist das Ozon, ein Gas mit einem Januskopf. Wir treffen es von der Erdoberfläche bis zu einer Höhe von etwa 110 km an. Nahezu 10 % befinden sich in der Troposphäre, 90 % in der Stratosphäre, der Anteil in der Mesosphäre ist unbedeutend. Die maximale Ozondichte liegt in der Stratosphäre zwischen 18 bis 30 km am Äquator sowie zwischen 12 bis 25 km in den höheren Breiten.
Das stratosphärische Ozon ermöglichte vor Milliarden Jahren die Bildung von Leben auf diesem Planeten. Es schützt uns auch heute vor der schädlichen UV-Strahlung der Sonne. Wir könnten also nicht überleben, gäbe es kein Ozon in der Stratosphäre. Auch in der oberen Troposphäre trägt das Ozon noch etwas zum UV-Filterschutz bei. Am Boden jedoch ist Ozon ein Gesundheitsrisiko. Starke Sonneneinstrahlung auf bodennahe Ozonfelder machen uns das Leben schwer: sie erzeugen den Smog.
Hohe Ozon-Konzentrationen in der unteren Troposphäre sind also Gift für die Menschen sowie Tier- und Pflanzenwelt. "Andererseits brauchen wir das Ozon in der Troposphäre," erläutert Paul Crutzen mit erhobener Stimme, "denn es ist verantwortlich für die Bildung von Hydroxylradikalen (OH). Sie sorgen dafür, dass fast alle Stoffe, die in die Atmosphäre gelangen, auch wieder oxidiert und so aus der Atmosphäre entfernt werden. Die Hydroxylradikale stellen demzufolge im Verbund mit der UV-Strahlung der Sonne das ‘Universalwaschmittel‘ der Atmosphäre dar."
Löcher im Schutzschild
Häufig wird das Problem der globalen Klimaerwärmung mit dem Ozonloch verwechselt. Es gibt zwar eine Verbindung, denn Ozon trägt zum Treibhaus-Effekt bei und es gibt auch Wechselbeziehungen. Dennoch sind es zwei vollkommen separate Themen. 1985 haben britische Forscher das berüchtigte Ozonloch über der Antarktis entdeckt. Es tritt alljährlich im Frühling auf der Südhalbkugel auf, das entspricht unserem Herbst. Dass die dramatischen Ozonverluste in der Stratosphäre auf Chlor-Radikale vornehmlich aus den FCKW-Stoffen zurückzuführen sind und der ganze Prozess von Eispartikeln abhängt, wurde erst Jahre später klar. Einen entscheidenden Anteil an der Klärung dieses Rätsels hat das Mainzer Max-Planck-Institut für Chemie geleistet.
Wissentlich seit 1985, unwissentlich seit Beginn der 70er Jahre, läuft alljährlich das gleiche Procedere über dem Südpol ab: Im antarktischen Frühjahr kommt es in der Stratosphäre zu einem Zusammenbruch der Ozonschicht. Dramatisch war die Entwicklung. Von Jahr zu Jahr wurde das Ozonloch flächenmäßig größer. Es liegt nunmehr bei etwa 25 Mill. Quadratkilometern. Gleichzeitig nahm die Dauer zu. Die rapide Ozonverdünnung setzt jetzt bereits Ende September ein und dauert bis Dezember. Auch in der Nordhemisphäre sind zunehmend derartige Erscheinungen anzutreffen. Allerdings, so Crutzen, "hängt das mit bestimmten meteorologischen Erscheinungen zusammen" und die Intensitäten sind höchst unterschiedlich. Das Ozonloch über der Nordpolarregion im Frühjahr befindet sich ebenfalls in der Stratosphäre, in etwa 12 bis 22 km Höhe. Auch dieses geht eindeutig auf die FCKWs zurück, ist also anthropogenen Ursprungs.
Selbst in mittleren Breiten, wie beispielsweise über Berlin, sind im März bereits ab 20 km Höhe so genannte Polare Stratosphärenwolken (PSC) registriert worden. Das ist ein aggressives Gemisch aus Eis- und Wasserteilchen, Schwefel- und Salpetersäure, in denen Chlorverbindungen in ozonzerstörende Chlorradikale verwandelt werden. Das Ergebnis: ein ozonverdünntes Areal, das oft mit Ozon"loch" umschrieben wird.
Das eigentlich Bedrohliche an der zunehmenden Ozon-Ausdünnung und Durchlöcherung der Atmosphäre ist die Schädigung des Abschirmeffektes. Denn die Ozonschicht wirkt als überdimensionale Sonnenbrille. Auf diese Weise hält sie den überwiegenden Teil der für Lebewesen schädlichen UV-Strahlung zurück. Die Verminderung der Ozonkonzentration in der Stratosphäre führt somit zur Abschwächung dieses Abschirmeffektes. Die Folgen: Augenschäden, Hautkrebs und die Schwächung des Immunsystems. Aber auch die UV-Strahlung unterliegt starken natürlichen Schwankungen. Wie viel auf die UV-Strahlung "natürlichen" Ursprungs bzw. auf den abnehmenden Ozongehalt zurückzuführen ist, ist noch unklar.
Empirische Untersuchungen in Nord- und Mitteleuropa zeigen einen UV-Anstieg von 0,5% pro Jahr in den letzten zehn Jahren. Zum Zeitpunkt des nördlichen Ozonloch-Maximums, also in den Monaten Januar bis März, kann die UV-Strahlung kurzzeitig sogar um 30% ansteigen. Hier trifft es besonders die Skiurlauber. Apropos Urlauber: Zukünftig wird es für Badeorte und Gebirgsregionen einen speziellen UV-Strahlungs-Wetterbericht geben. Quasi ein "Abfallprodukt" der globalen und präzisen Ozonerfassung durch Envisat.
Neuer Vernichtungskreislauf entdeckt
Ein neues Ozon-Phänomen ist am Nordpol in der untersten Schicht der Atmosphäre, der Troposphäre, gefunden worden. Mehrmals im arktischen Frühling verschwindet über einer Fläche von einigen tausend Quadratkilometern das Ozon-Gas vollständig. Paul Crutzen erläutert die Situation: "Der Vorgang läuft sehr schnell ab. Innerhalb weniger Stunden kann alles Ozon vernichtet sein. Anders als sein stratosphärisches Gegenstück hat dieses Ozonloch zwar keine negativen Auswirkungen. Im Gegenteil: Ozon am Boden ist in höheren Konzentrationen gesundheitsschädlich, das merken wir vor allem beim Smog im Hochsommer. Dennoch war die verblüffende Beobachtung faszinierend und auch etwas beunruhigend: Zeigte sie doch, dass die Chemie der Atmosphäre noch immer Überraschungen parat hat, und die Wissenschaft längst nicht alle Vorgänge kennt, die sich in der irdischen Lufthülle abspielen."
Messkampagnen auf Spitzbergen sowie in Kanada ergaben, dass sowohl das Ozonloch in der Troposphäre als auch sein Gegenstück in der Stratosphäre eine Gemeinsamkeit aufweisen: Es wirkt jeweils ein Stoff als Katalysator, der das Ozon zu normalem zweiatomigem Sauerstoff-Gas abbaut, selbst aber nicht verbraucht wird. Deshalb können bereits kleinste Mengen dieser Substanz eine enorme zerstörerische Wirkung entfalten. Der Katalysator in der Stratosphäre ist Chlor, in der Troposphäre dagegen Brom. Der GOME-Sensor des europäischen Erderkundungssatelliten ERS-2 hat hierzu die Indizien geliefert. Danach genügt ein Bromteilchen – Bromoxid BrO – auf 100 Milliarden Luftmoleküle, um das aggressive Ozonzerstörungswerk zu beginnen.
Wenn Brom derart aggressiv reagiert, stellt sich die Frage, warum Bromverbindungen über lange Zeit in der Troposphäre verbleiben können. Schließlich gibt es gerade hier unzählige Schwebteilchen – so genannte Aerosolpartikel - die derartige Stoffe aufnehmen und sie auf diese Weise aus dem Verkehr ziehen.
"Genauere Untersuchungen zeigten," und nun verrät Crutzen die nächste verblüffende Erkenntnis, "dass die Aerosolpartikel in Wahrheit genau das Gegenteil bewirken. In ihrem Inneren finden chemische Reaktionen statt, die inaktive Bromverbindungen ... in reaktive Formen" recyceln. Ein Teil der Aerosole besteht nämlich aus Salzwasser-Tröpfchen, die ihrerseits Brom enthalten und den Katalysatorprozess sogar noch verstärken. Woher kommt aber nun das Brom? Und wieso findet der Ozonabbau nur im Frühjahr statt? Als Hauptquelle des zerstörerischen Broms wird das Meerwasser angesehen. Man geht von Salzaerosolen aus, die sich "während der arktischen Nacht am Rand der Packeiszone ablagern und dort allmählich ansammeln. Sobald die Sonne im Frühling aufgeht, aktiviert sie das Brom aus diesen Ablagerungen. Wenn es dann zusammen mit frischen Meersalz-Aerosolen über das Packeis geweht wird, verursacht es dort die komplette Vernichtung des Ozons."
Der Praktiker John Burrows ergänzt: "Deutsche Forscher aus Bremen und Heidelberg haben als Erste auch über der frühlingshaften Antarktis ein bodennahes troposphärisches Ozonloch entdeckt. Mit GOME verfolgen wir die Wolken, mit dem SCIAMACHY-Sensor auf Envisat hoffen wir die vielen offenen Fragen des neu entdeckten Vernichtungskreislaufs einmal klären zu können."
Die Erdatmosphäre erinnert an einen Schweizer Käse. Es gibt also sowohl in der Stratosphäre als auch in der Troposphäre mehrere Ozonlöcher. In der Stratosphäre wirkt das Chlor als aggressiver Katalysator. Die über der Antarktis, der Arktis sowie den mittleren Breiten festgestellten Ozonlöcher sind eindeutig hausgemacht. Sie sind eine Folge der anthropogen verursachten FCKW-Stoffe. In der Troposphäre hingegen wirkt das Brom als Katalysator. Bislang sind zwei Ozonlöcher über der Arktis (Januar bis März) sowie über der Antarktis (Herbst) bekannt geworden. Hierbei handelt es sich aber um ein natürliches Phänomen, da das zerstörerische Brom aus dem Meerwasser stammt.
Noch gibt es im neuen Klima-Krimi viele Unklarheiten. Für Sherlock Holms und Dr. Watson beginnt also erst die Kleinarbeit. "Mit Computermodellen untersuchen wir zur Zeit," so Paul Crutzen, "ob reaktive Halogene – Chlor, Brom und Jod – auch in anderen Regionen und Jahreszeiten eine Rolle in der Ozonchemie spielen können."
Entwarnung oder Apokalypse?
Weder noch. Das "Montrealer Protokoll zum Schutz der Ozonschicht" war 1987 der entscheidende erste politische Schritt zur Begrenzung des weiteren Schadens an der Ozonschicht in der Stratosphäre. Weitere Schritte folgten, wobei Europa eine Vorreiterrolle spielt. Doch noch gibt es zu viele Schlupflöcher, selbst für staatlich sanktionierte Umweltsünden führender Industrieländer. Ökologische Untätigkeit hat leider noch keinem Politiker geschadet, zumal ihre zumeist regional oder national ausgerichteten Planungshorizonte nur bis zur nächsten Wahl reichen. Globaler Umweltschutz auf der Grundlage gesicherter wissenschaftlicher Daten, wie sie Envisat liefern wird, ist daher eine der schwierigsten politischen Übungen. Und gleichzeitig besitzen wir mit Envisat, so John Burrows, "ein wirksames Instrument zur Überwachung der Abkommen von Montreal und Kyoto." Mehr noch: "Vermutlich werden wir von den wichtigsten Stoffen in der Atmosphäre auch ihre jeweiligen natürlichen und anthropogenen Anteile erfahren können."
Wie lange müssen wir noch mit dem Ozonloch leben? Für den realistischen Optimisten, wie sich Crutzen im Gespräch outet, beginnen die Maßnahmen bereits zu greifen. "Das Ozonloch ist im günstigsten Fall in 40 Jahren weg. Es können aber zusätzliche Probleme auftreten. Wir beobachten, dass die untere Stratosphäre kälter wird."
Crutzen umschreibt damit den Verdacht, dass der Treibhauseffekt in der Troposphäre verheerende Auswirkungen auf die Vorgänge in der Stratosphäre haben könnte. Messungen zeigen, dass der Wasserdampfgehalt sowohl in der Troposphäre als auch in der Stratosphäre zunimmt. Letzteres ist weitestgehend noch unklar. Durch die ebenso registrierte Abkühlung der unteren Stratosphäre könnten sich damit verstärkt Eispartikel bilden, die ihrerseits die Chlorradikale aktivieren. Damit würden sich auch in der Nordhemisphäre und in den mittleren Breiten leichter PSC-Wolken ausbilden, die relativ wenig Chlor benötigten, um dennoch den Ozonabbau in Gang zu halten. Mit anderen Worten: Es könnte alles auch sehr viel länger dauern, zumal einige Gase eine extrem lange Verweildauer bis 110 Jahren (FCKW-12) aufweisen.
Ähnlich ungenau sieht es auch mit der UV-Einstrahlung in Mitteleuropa aus. Selbst die Klimaexperten stochern im Dunkeln. Mindestens 40 bis 50 Jahre wird es vermutlich noch dauern, bis die "Normalwerte" der 60er Jahre des vergangenen Jahrhunderts wieder erreicht sind. Zurückhaltend äußert sich auch John Burrows: "Über Trends kann man momentan nichts sagen. Dazu fehlen die Messreihen. Wir warten auf Envisat."
Der Treibhauseffekt
Sicher ist, dass wir ohne natürlichen Treibhauseffekt verloren wären. Die Weltdurchschnittstemperatur würde schlagartig um 33 Grad absinken, von derzeit +15 auf -18 Grad Celsius. Die Erde würde zu einem Eisplaneten erstarren und das Leben absterben. Ohne Treibhauseffekt wäre Leben also auf unserem Planeten gar nicht möglich. Das Prinzip ist einfach: Spurenbestandteile der irdischen Lufthülle wirken wie die Glasscheiben eines Treibhauses. Sie lassen die Energie des sichtbaren Sonnenlichts einfallen, behindern jedoch die Ausstrahlung der Wärmestrahlen. Es kommt zur Aufheizung der Luft und damit zu einer Temperaturerhöhung der Atmosphäre. Allein der Wasserdampf sorgt für eine Erhöhung der Temperatur um 20,6 Grad. Kohlendioxid ist mit 7,2 Grad beteiligt. Der Rest entfällt u.a. auf atmosphärische Spurengase, wie das bodennahe Ozon (2,4 Grad), Distickstoffoxid (1,4 Grad) und Methan (0,8 Grad).
John Burrows glaubt, dass "etwa 95% der Erwärmung in den letzten 100 bis 150 Jahren von menschlichen Aktivitäten stammt." In der Grundaussage sind sich die Klimaexperten einig: Es wird sehr wahrscheinlich wärmer. Das wird die meisten unserer Zeitgenossen freuen. Doch der anthropogen ausgelöste Treibhauseffekt könnte weitreichende Folgen haben: katastrophale Dürren und die Verwüstung fruchtbarer Gebiete, sintflutartige Regenfälle und verheerende Überflutungen an den Küsten, die Verschiebung von Klimazonen. Die mittleren und nördlichen Regionen könnten sich in diesem Zusammenhang stärker erwärmen, große Areale des Dauerfrostbodens würden auftauen. Der Weltmeeresspiegel, der sich in den letzten 100 Jahren um 10 bis 20 cm erhöht hat, könnte durch weiteres Abschmelzen von Gletscherregionen um 30 bis 140 cm steigen. Das hätte regional verheerende Folgen, beispielsweise in Küstengebieten (Niederlande) und Flussdeltagebieten (Ganges-Brahmaputra). Weite Landstriche wären in Gefahr, überflutet zu werden.
Aber: Eine exakte Vorhersage der Auswirkungen des zunehmenden Treibhauseffektes ist gegenwärtig nicht möglich. Gletscher sind zwar empfindliche Frühwarnindikatoren, aber bis jetzt lassen sich daraus keine eindeutigen Rückschlüsse ziehen. Ähnlich ist es mit den Wasserpegeln. Zudem verzögern und verschleiern die Ozeane den Effekt, da sie etwa die Hälfte des jährlich erzeugten CO2 binden. Der Klimawandel vollzieht sich also schleichend und mit natürlichen Schwankungen gekoppelt. Bis im allgemeinen "Klimarauschen" das bedeutungsvolle "Signal" entdeckt ist, kann es möglicherweise schon zu spät sein. Denn der "Kern des Problems ist ein von Menschen ausgelöster Klimawandel, der zu allmählich eintritt, um entdeckt zu werden, bevor er weit fortgeschritten ist. Und der zu weit fortgeschritten sein kann, um zum Zeitpunkt seiner Entdeckung noch gestoppt werden zu können." Um diese Effekte zu bestätigen oder zu widerlegen brauchen wir, so Burrows, "globale Modelle und globale Messungen über 20, 30 oder 40 Jahre. Dann wissen wir welche Einflüsse welche Rolle spielen."
Über das Wie zur Abwehr des anthropogen ausgelösten Treibhauseffektes gehen die Meinungen noch weit auseinander. Höchste Priorität müsste eine wirklich effiziente, rationelle Verwendung von Energie genießen. Es gilt, energieeffiziente Hochtechnologie zu entwickeln, um den spezifischen Energieverbrauch umfassend zu senken. Es gilt, fossile Brennstoffe durch alternative Energiequellen abzulösen, die kein CO2 freisetzen. Es gilt, weltweit die Waldflächen anwachsen zu lassen, um CO2 der Luft wieder verstärkt zu entziehen. Und generell geht es um die Schaffung abgasarmer oder abgasfreier Technologien und geschlossener Kreisläufe, bei denen die Umwelt nicht belastet wird.
Envisat, die fliegende Klimastation
Seit vier Jahrzehnten stehen Wetter-, Erderkundungs- und Umweltsatelliten zur großräumigen synoptischen Erfassung zur Verfügung. 1991 begann die Europäische Raumfahrtagentur ESA mit ERS 1 ein höchst erfolgreiches globales Erderkundungsprogramm, dem 1995 der weltbeste Ozonwächter ERS 2 folgte. Mit dem "Global Ozone Monitoring Experiment" GOME wurde erstmals alle drei Tage eine komplette Ozonweltkarte erstellt, die – aneinandergereiht – im Zeitrafferfilm das dramatische Ausmaß des jährlichen Ozonlochs eindrucksvoll visualisierte.
Envisat baut auf die Erfahrungen von ERS auf, ist ein um mehrere Klassen leistungsfähigerer Satellit zur dreidimensionalen Überwachung der Umwelt. Der Superlativ von der gigantischsten Mission zum Planeten Erde ist berechtigt. Mit Envisat hat die ESA eine Plattform geschaffen, der ein derart komplexes System, wie es die vielgestaltige Umwelt darstellt, mit all ihren wichtigen Teilprozessen in der Atmosphäre, den polaren Eisregionen, den Ozeanen sowie an Land regelmäßig beobachtet. Die hervorragende Vergleichbarkeit der Daten bildet zugleich die entscheidende Voraussetzung für das Erkennen von Prozessabläufen auf der Erde. "GOME war ein schöner Erfolg," schätzt John Burrows rückblickend ein, "aber mit Envisat können wir weltweit in der Bundesliga mitspielen. GOME hatte bereits einen Vorsprung gegenüber den amerikanischen Systemen, doch Envisat stellt die absolute Spitzenstellung für Umweltmessungen dar. Wir Europäer können damit auf eigene, unabhängige Datensätze bauen."
Drei der zehn Messgeräte dienen der Klimaforschung: GOMOS, MIPAS und SCIAMACHY. "Mit allen drei Instrumenten erhält man die genauesten Daten der Ozonverteilung und Dutzender weiterer klimawirksamer Spurengase vom Boden bis zu etwa 150 km Höhe. Zusammen ergeben die Messungen ein komplexes Bild der Chemie der Atmosphäre, die uns helfen, die Modelle weiter zu präzisieren," erläutert John Burrows.
"Speziell SCIAMACHY," so Burrows weiter, "wird uns bei der Forschung zur Luftqualität voranbringen. Das ist ein sehr aktuelles und zugleich akutes Thema. Die Emissionen in der Stadt führen zur Ozonbildung in einer Abgasfahne, die auch weiträumig die Umgebung betrifft. Dabei können an schönen Tagen, wie hier in Bremen, die gesundheitlichen Ozon-Grenzwerte schnell überschritten werden. SCIAMACHY wird uns diesbezüglich Daten über den Transport dieser Schadstoffe in der Luft liefern, so dass wir die Bewegungen verfolgen können. Das ist ja ein grenzüberschreitendes Problem. Ein Teil unserer Umweltverschmutzung in Europa kommt aus der Luftverschmutzung in Amerika. Wir schicken aber dann wiederum Luftverschmutzung nach Asien und die Asiaten wieder nach Amerika."
So ist das mit der planetaren Zirkulation. Aber dieses Beispiel unterstreicht zugleich, wie zwingend notwendig eine breite internationale Zusammenarbeit in Wissenschaft, Politik und Anwendung ist. Die Envisat-Daten stehen allen Wissenschaftlern für Forschungszwecke zur Verfügung. Über 700 internationale Nutzungs-Projekte laufen bereits. Die Beteiligten können den Beginn der operationellen Phase kaum erwarten.
Eine Klimawende ist nötig
Fassen wir zusammen: Prognosen über die Zukunft des Weltklimas sind äußerst kompliziert. Es genügt nicht, einzelne Parameter zu erfassen und diese linear hochzurechnen. Vielmehr sind Modelle notwendig, die mit den neuen Messdaten immer wieder abgeglichen und modifiziert werden. Die großen Unsicherheiten liegen in gekoppelten Ozean-/Land-Atmosphäre-Modellen sowie in den Rückkopplungsmechanismen einzelner Parameter. Ein Hauptproblem sind die Wolken. Werden sie den erwarteten anthropogenen Treibhauseffekt verstärken oder dämpfen? An solchen Unsicherheiten liegt es, dass bei gleicher Datenausgangsbasis die durchschnittlich zu erwartenden globalen Temperaturerhöhungen modellabhängig derzeit zwischen 1,4 bis 5,8 oC schwanken. "Was wir deshalb in der Umweltforschung brauchen," mahnt John Burrows an, "ist die Langfristigkeit und Kontinuität in der Datengewinnung und -auswertung. Sorgen bereitet mir deshalb, dass bislang kein Nachfolger für Envisat geplant ist."
Burrows Sorge, eine Melange aus Warnung und Empfehlung, basiert auf handfesten Tatsachen. Das berüchtigte Ozonloch ist eher zufällig entdeckt worden. Burrows und Crutzen wissen: Es hätte alles sehr viel schlimmer kommen können. Wie sehr diese angemahnten kontinuierlichen Messungen notwendig sind, belegen auch die Erinnerungen von Paul Crutzen im Zusammenhang mit der Entdeckung des erwähnten Ozonlochs: "Da sich vor 1974 niemand Sorgen um die Konsequenzen des Chlor- und Bromeintrags in die Atmosphäre gemacht hatte, kann ich nur schließen, dass wir viel Glück gehabt haben. Dies zeigt, dass wir allzeit auf der Hut sein sollten bezüglich möglicher Folgen des Eintrags neuer Produkte in die Umwelt. Eine permanente Überwachung der Zusammensetzung der Stratosphäre behält daher für viele kommende Jahre eine hohe Priorität." –. Für unsere Klima-Kriminologen in Mainz und Bremen sind dann Überstunden angesagt. Und nicht nur dort.
Notiz an die Redakteure: Alle Bilder in Zusammenhang mit dem Thema sind unter http://www.esa.int/….. zu finden. Dieser Bericht ist Teil einer Serie von Artikeln über das Envisat Programm und dessen Anwendungen.
Nähere Auskunft erteilt:
ESA Abteilung Öffentlichkeitsarbeit
Referat Medienbeziehungen
Tel.:+33(0)1.53.69.7155
Fax :+33(0)1.53.69.7690
ENVISAT Information Nr. 6
Annex I
Glossar
Erdatmosphäre
Sie ist wie eine Zwiebel in schalenförmige Schichten aufgebaut. Im vertikalen Aufbau unterscheidet man Troposphäre (etwa 8 bis 17 km), Stratosphäre (etwa 12 bis 30 km), Mesosphäre (etwa 30 bis 80 km), Ionosphäre (bis etwa 400 km) sowie die in den Weltraum übergehende Exosphäre (ab 400 km). Die Forschungen konzentrieren sich momentan auf die für das Wettergeschehen und die globalen Klimaprozesse relevanten Bereiche der Troposphäre und Stratosphäre.
Troposphäre
Die unterste Schicht der Erdatmosphäre reicht bis etwa 8 km an den Polen und 17 km am Äquator. In ihr spielt sich das gesamte Wettergeschehen ab, vollzieht sich die atmosphärische Zirkulation. Die oberste Schicht der Troposphäre wird als Tropopause bezeichnet. Sie bildet die Grenze zur darüber liegenden Stratosphäre.
Stratosphäre
Teilschicht der Erdatmosphäre in etwa 12 km (Pole) bis 30 km (Äquator). Sie enthält wenig Luftfeuchtigkeit, so dass sich in ihr kaum noch Wolken bilden können. Diese Schicht wird durch eine erneute Grenze, die Stratopause, abgeschlossen.
Mesosphäre
Teilschicht der Erdatmosphäre zwischen 30 und 80 km Höhe. Im unteren Teil bis etwa 50 km steigt die Temperatur bis etwa 50 oC an, da hier eine dünne Ozonschicht einen Teil der Sonnenstrahlung in Wärme umsetzt. Bis zur oberen Grenze der Mesosphäre sinkt die Temperatur auf -80 oC ab.
Wetter
Wetter ist der Augenblickszustand der Atmosphäre an einem Ort. Gutes oder schlechtes Wetter kann Stunden oder Tage dauern.
Klima
Die Wetterlagen mehrerer Tage bis zu einer Jahreszeit werden als Witterung zusammengefaßt. Was darüber hinausgeht ist Klima, die statistische Gesamtheit des Wetters. Von der räumlichen Betrachtungsweise wiederum hängt seine Bezeichnung ab. So unterscheidet man unter anderem Mikro-, Landschafts-, Stadt-, Zonen-, Großraum- oder globales Klima.
Anthropogen
Ein vom Menschen verursachter oder geschaffener Faktor
Aerosole
Feinste feste (Staub) oder flüssige (Nebel) Stoffe in allerfeinster Verteilung, so genannte Schwebstoff-Partikel. Aerosole spielen in der Chemie der Erdatmosphäre eine große Rolle, da zwischen ihnen chemische Reaktionen mit der Bildung aggressiver Substanzen stattfinden können.
Ozon (O3)
Wichtiges klimawirksames Spurengas; stechender Geruch, für Flora und Fauna giftig; in allen Schichten bis 110 km Höhe anzutreffen. In der Stratosphäre entsteht Ozon primär unter Einwirkung der kurzwelligen Sonnenstrahlung. Etwa 90% befinden sich in einer mächtigen Schicht in der unteren Stratosphäre. Diese Ozonschicht filtert wie eine Sonnenbrille die für das Leben gefährlichen UV-Strahlen aus dem Sonnenlicht. Sie wird durch FCKW-Stoffe verdünnt (Ozonloch). Dadurch wird die Schutzwirkung der Ozonschicht gemindert.
Methan (CH4)
Wichtiges klimawirksames Spurengas; geruchlos. Jährlich gelangen etwa 500 Mill. t in die Atmosphäre. Quellen: Zersetzung organischer Substanz unter Luftabschluß (Sumpfgebiete, Mülldeponien, Rindermägen); Emissionen bei der Kohle-, Erdöl- und Erdgasförderung. Beim Wiederkäuen gelangen bis zu 120 l pro Tag und Kuh ins Freie. Der ständig wachsende Bestand von derzeit weit über 1 Mrd. Rindern auf der Welt hat die Methanproduktion gewaltig anschwellen lassen.
Stickoxide
Sauerstoffverbindungen des Stickstoffs. Hierzu gehören N2O (Distickstoffoxid oder Lachgas) und NO (Stickstoffmonoxid). Die Zunahme des klimarelevanten Lachgases ist anthropogenen Einflüssen zuzuschreiben (Stickstoffdünger, Verbrennung von Biomasse und fossilen Energieträgern). Problematisch ist die besonders lange Verweilzeit in der Atmosphäre von mehr als 150 Jahren.
FCKW
Fluor-Chlor-Kohlenwasserstoffe (FCKW) sind geruchlose und ungiftige Flüssigkeiten oder Gase. Sie werden als Kältemittel in Kühlschränken und Klimaanlagen verwendet und dienten bis vor einigen Jahren sehr oft als Treibmittel in Spraydosen. Technisch wichtige und in großen Mengen produzierte FCKW sind die Verbindungen FCKW-11 (CCl3F) mit einer Verweildauer in der Atmosphäre von rund 50 Jahren sowie FCKW-12 (CCl2F2) mit etwa 110 Jahren.
Radikale
Radikale sind im chemischen Sinn Atome, Moleküle oder Ionen mit einem ungepaarten Elektron. Sie sind deshalb sehr reaktionsfreudig. Sie treten bei chemischen Reaktionen als Zwischenprodukte auf und gehen bei Folgereaktionen neue Verbindungen ein. Ein Radikal ist beispielsweise das Hydroxyl-Radikal OH.
GOME
Das "Global Ozone Monitoring Experiment" wird auf dem europäischen Fernerkundungssatelliten ERS 2 (Start April 1995) eingesetzt. Das Instrument tastet das von der Erdoberfläche rückgestreute Sonnenlicht senkrecht zur Erde ab (Nadir-Modus). Aus der spektralen Zusammensetzung lassen sich Rückschlüsse auf Menge und Verteilung von Ozon, Wasserdampf, Distickstoffoxid, Bromoxid sowie von Aerosolen und Wolkenparametern in der Atmosphäre ziehen. GOME erfasst dabei den Wellenlängenbereich von 240 bis 793 nm.
SCIAMACHY
Das "Scanning Imaging Absorption Spectrometer for Atmospheric Chartography" ist der wichtigste Atmosphären-Sensor auf Envisat. Er arbeitet nach dem gleichen Prinzip wie GOME, jedoch im erweiterten Wellenlängenbereich von 240 bis 2380 nm. Außerdem kommen verschiedene Mess-Modi zum Einsatz: neben der Nadir-Messung die Limb-Messung (Blickrichtung über den Horizont zum Rand der Atmosphärenschicht), die Okkultations-Messung (Messung von durch die Atmosphäre geschwächtem Sonnen- oder Mondlicht) sowie kombinierte Messungen. Aus den Daten können Erkenntnisse über weitere Spurengase und ihre dreidimensionale Verteilung in der Troposphäre und unteren Stratosphäre gewonnen werden.
GOMOS
GOMOS ("Global Ozone Monitoring by Occultation of Stars") dient der sehr genauen Messung von Ozon in der Stratosphäre sowie Profilmessungen von Spurengasen in der oberen Troposphäre und der Mesosphäre. GOMOS nimmt Sterne ins Visier, die über dem Horizont aufgehen und mißt deren Lichtspektrum durch die Atmosphäre hindurch. Aus den Messwerten kann die Menge an Ozon und Wasserdampf in der Atmosphäre in Höhen von 20 bis 100 km ermittelt werden.
MIPAS
Das "Michelson Interferometer for Passive Atmospheric Sounding" wird von Envisat für die Messung von Gas-Emissions-Spektren im mittleren Infrarot-Spektrum eingesetzt. Damit lassen sich Spurengase wie Ozon oder die Zusammensetzung von Industrieabgasen bestimmen. Die Daten sollen auch dem Studium der mittleren Atmosphäre bezüglich chemischer Zusammensetzung, Dynamik und Strahlungshaushalt dienen.