AIDA: Die Abwehr von Asteroiden im Test
ESA und NASA wollen einem gefährlichen Asteroiden zu Leibe rücken: mit einem spektakulären Kollisionsexperiment.
Im erdnahen Weltraum schwirren gefährliche Brocken umher, über 1600 haben Astronomen mittlerweile aufgespürt. Immer wieder ist es im Laufe der Erdgeschichte zu Kollisionen mit solchen Asteroiden gekommen, davon zeugen 188 bestätigte Einschlagkrater. Wann ist es wieder soweit? Bekannt ist, dass es regelmäßig enge Begegnungen zwischen Erde und sogenannten PHAs („Potentially Hazardous Asteroids“) gibt.
Ein etwas kleineres Exemplar wird beispielsweise am 5. März in nur 1,3-facher Monddistanz an der Erde vorbeifliegen. Mit etwa 40 Metern Durchmesser ist es immerhin vergleichbar groß wie der Brocken, der 1908 in Sibirien schwere Verwüstungen anrichtete, glücklicherweise in einem kaum besiedelten Gebiet. Das Desaster wurde unter dem Namen Tunguska-Ereignis bekannt.
Mit der gemeinsamen AIDA-Mission („Asteroid Impact & Deflection Assessment“) wollen ESA und NASA nun erstmals ein PHA-Objekt ins Visier nehmen. Die Mission - momentan noch in der Studienphase - würde aus zwei separaten Sonden bestehen, einer europäischen und einer US-amerikanischen.
In 18 Monaten zum Doppel-Asteroiden
Derzeit studieren Experten der Europäischen Weltraumagentur die Asteroiden-Impakt-Mission (AIM). Das Konzept soll im kommenden November dem ESA-Ministerrat vorgelegt werden. Sollte AIM beschlossen werden, können die momentan noch im Computer entwickelten Entwürfe zügig in flugtaugliche Hardware umgesetzt werden.
Denn der Zeitplan ist ehrgeizig. Nach den momentanen Planungen soll der Start mit einer Sojus-Rakete schon im Oktober 2020 von Französisch-Guayana aus erfolgen. Bereits 18 Monate später wäre AIM am Ziel, einem binären Asteroiden-System. Das heißt, es geht um einen Kleinplaneten, den zusätzlich ein noch kleinerer Körper als Mond umkreist: (65803) Didymos, ein PHA, also ein potentiell gefährliches Objekt.
Das Asteroiden-Paar wird auf seiner Bahn um die Sonne im Jahr 2022 in Erdnähe kommen, dann trennen uns nur noch 16 Millionen Kilometer von dem 800-Meter-Brocken und seinem Trabanten, dem die Forscher den Spitznamen „Didymoon“ (Durchmesser: 170 Meter) gegeben haben. Beide Körper stehen im Fokus der AIM-Sonde, sie soll hochauflösende Fotos der Oberflächen schießen. Insbesondere Didymoon wird sie mit Radar-Strahlen abtasten, und seine Wärmestrahlung mit Hilfe einer Infrarot-Kamera untersuchen.
Neue Kommunikationstechniken im Weltall
Auf Basis dieser Beobachtungen werden die Forscher detaillierte topografische Karten anfertigen sowie Einblicke in Didymoons inneren Aufbau gewinnen. Hinzu kommt eine präzise Vermessung der Umlaufbahn, auf der er seinen Mutterkörper umkreist. Dabei sollen auch mindestens drei kleinere Sonden zum Einsatz kommen, darunter der MASCOT-2-Lander vom Deutschen Zentrum für Luft und Raumfahrt (DLR), dessen Vorgänger bereits mit der japanischen Sonde Hayabusa-2 zu einem anderen erdnahen Asteroiden unterwegs ist. Zusätzlich sind mehre „CubeSats“ vorgesehen. Das sind kostengünstige Mini-Satelliten mit einer Masse von nur etwa einem Kilogramm.
Mit dieser kleinen Sonden-Flotte sollen neue Kommunikationstechnologien getestet werden. Die großen Datenmengen, welche die Kamera der AIM-Sonde von Didymoon aufnimmt, sollen beispielsweise mit einem Breitband-Laser zur optischen Bodenstation der ESA auf Teneriffa übertragen werden. Ein weiteres technologisches Missionsziel: ein Inter-Satelliten-Netzwerk für die Kommunikation im Weltraum. Das Netz soll die AIM-Sonde, MASCOT-2 und die CubeSats umfassen.
Beim Einschlag in der ersten Reihe
Doch der Verkehr im Didymos-System soll noch weiter zunehmen – und es wird sogar zu einem spektakulären Crash kommen. Vier Monate nach der Ankunft der europäischen AIM-Sonde erreicht den Planungen zufolge DART („Double Asteroid Redirection Test“) die beiden Himmelskörper. Die NASA-Sonde hat die Aufgabe, mit rund sechs Kilometern pro Sekunde auf Didymoon einzuschlagen, das ist siebenfach schneller als eine Gewehrkugel. Zuvor wird sich AIM in sichere Entfernung von Didymoon begeben, gleichwohl kann die ESA-Sonde den Beschuss aus der ersten Reihe beobachten. Auch die CubeSats werden den Aufschlag registrieren. Mit Wärmebildern werden die Forscher ermitteln, welche Masse beim Impakt aus Didymoon heraus gesprengt wurde und wie Trümmer und Staubwolke beschaffen sind.
Eine Reihe weiterer Beobachtungen soll dann klären, wie sich der getroffene Mini-Mond und seine Umlaufbahn beim Einschlag verändert haben. Eng damit verbunden ist die zentrale Frage der gemeinsamen Mission von ESA und NASA: Kann mit einem solchen Aufprall die Bahn eines Asteroiden so weit geändert werden, dass womöglich auch PHA-Objekte, die in Zukunft auf die Erde stürzen könnten, hinreichend ablenkbar sind? Die gemeinsame AIDA-Mission wäre weltweit der erste Versuch, den Gefahren durch die PHAs etwas entgegen zusetzten.