Crowdsourcing: Amateurastronomen unterstützen ESA-Weltraumlageerfassung
Erstmals konnte durch vom ESA-Team für Weltraumlageerfassung koordinierte Beobachtungen ein Asteroid ausgemacht werden, der sich der Erde so weit annähern wird, dass ein Einschlagrisiko bestehen könnte. Der Felsbrocken aus dem Weltraum wurde von Amateurastronomen entdeckt. Dies unterstreicht einmal mehr den Wert des „Crowdsourcing“ für die Wissenschaft und den Schutz unseres Planeten.
Der Asteroid 2011 SF108 wurde während eines vom ESA-Programm zur Weltraumlageerfassung (SSA) gesponserten Beobachtungsintervalls im September von den ehrenamtlichen Helfern des TOTAS-Teams (Teide Obervatory Tenerife Asteroid Survey) entdeckt.
Während des vier Nächte umfassenden Beobachtungsintervalls kam das 1-Meter-Teleskop der ESA auf dem Teide auf Teneriffa, Kanarische Inseln, zum Einsatz.
Auch wenn mit SSA-Unterstützung bereits andere Asteroiden gefunden wurden, so handelt es sich hier doch um den ersten, der als „erdnahes Objekt“ (near Earth object - NEO) klassifiziert wurde. Dabei handelt es sich um ein Objekt, das auf seiner Umlaufbahn um die Sonne nahe genug an die Erde herankommt, dass ein Einschlagrisiko besteht.
Menschlicher Sachverstand gefragt
Im Rahmen der TOTAS-Beobachtungen sucht das Teleskop den Himmel mehrere Stunden lang automatisch nach Asteroiden ab. Dabei kommt eine Software zum Einsatz, die vom Amateurastronomen und IT-Spezialisten Matthias Busch von der Starkenburg-Amateursternwarte im hessischen Heppenheim entwickelt wurde.
Potentielle Sichtungen müssen jedoch immer noch von Menschen überprüft werden.
Das Team umfasst 20 Ehrenamtliche, von denen die meisten an der manuellen Auswertung der am 28. und 29. September aufgenommenen Bilder beteiligt waren.
Sicherheitsabstand: 30 Millionen Kilometer
„Die Bilder werden zur Überprüfung an das gesamte Team weitergeleitet, so dass jeder der potentielle Entdecker eines neuen Asteroiden sein könnte“, so Detlef Koschny, NEO-Bereichsleiter im SSA-Programm. „Diesmal hat Rainer Kracht das große Los gezogen.“
„Für die Ehrenamtlichen ist das eine sehr dankbare Aufgabe. Jede Entdeckung ist ein wichtiger Beitrag zu den europäischen Schutzmaßnahmen gegen Asteroideneinschläge.“
Auf seiner Umlaufbahn kommt der Asteroid 2011 SF108 der Erde allerdings niemals näher als 30 Millionen Kilometer - ein ausreichender Sicherheitsabstand.
Jede Entdeckung ist ein wichtiger Beitrag zu den europäischen Schutzmaßnahmen gegen Asteroideneinschläge.
Das Objekt ist bereits der 46. von Kracht entdeckte Asteroid. Der pensionierte Lehrer lebt in Elmshorn nahe Hamburg. „An dem Abend, an dem ich 2011 SF108 entdeckte, werteten wir die Bilder in einem achtköpfigen Team aus, und ich hatte eben Glück“, so Kracht.
„Ohne die hervorragende Software von Matthias Busch wäre diese Entdeckung gar nicht möglich gewesen. Er erkannte das Objekt in den Bildern aus der zweiten Nacht und schickte die Beobachtungen an das Minor Planet Center.“
Bis heute wurden weltweit etwa 8000 erdnahe Objekte gesichtet, aber es wird vermutet, dass Tausende weiterer derartiger Objekte bislang unentdeckt blieben, insbesondere in der Größenklasse von unter zehn bis mehrere hundert Meter. Deren Sichtung und Verfolgung ist wichtig, denn nur so kann ermittelt werden, ob für die Erde möglicherweise ein Einschlagrisiko besteht.
TOTAS-Amateurteam leistet Grundlagenarbeit
TOTAS leistet beim Aufbau einer zukünftigen europäischen Asteroidenüberwachung im Rahmen des vollumfänglichen SSA-Programms, das 2012 verabschiedet werden soll, wichtige Grundlagenarbeit.
Bei einer solchen Überwachung würde jede Nacht der komplette Himmel von zahlreichen 1-Meter-Teleskopen gescannt. Durch dieses deutlich umfangreichere Programm als bisher könnten vermutlich mehrere NEOs pro Woche entdeckt werden. Auch hier würden wieder Profis und Amateurastronomen zusammenarbeiten.
Derzeit gibt es nur in den USA professionelle Asteroidenüberwachungsprogramme. Die bisher einzige europäische Asteroidenüberwachung von Bedeutung ist die von südspanischen Amateurastronomen durchgeführte La Sagra Sky Survey.