Gedanken zu Europas Führungsrolle im Weltraum
ESA-Astronaut Alexander Gerst wird am 3. Oktober den Posten des Kommandanten der Internationalen Raumstation ISS von seinem NASA-Kollegen Drew Feustel übernehmen. Damit beginnt die ISS-Expedition 57 – und die zweite Hälfte von Gersts Mission Horizons.
Innerhalb der nächsten zwölf Monate werden gleich zwei ESA-Astronauten die ISS als Kommandanten leiten: Nach Alexander Gerst übernimmt Luca Parmitano. Der erste europäische ISS-Kommandant war ESA-Astronaut Frank De Winne.
Heute leitet De Winne das Europäische Astronautenzentrum in Köln. Zum ESA-Astronautenkorps kam er im Jahr 2000, nachdem er 16 Jahre als Pilot bei der belgischen Luftwaffe geflogen war.
Seine erste Mission zur Internationalen Raumstation fand im Jahr 2002 statt. 2009 wurde er dann im Rahmen der Expedition 21 zum ISS-Kommandanten berufen – ein besonders stolzer Moment für ihn, aber auch für die ESA.
„Natürlich freut man sich sehr, wenn man so eine wichtige Rolle übernehmen darf. Vor allem auf persönlicher Ebene, da die eigenen Fähigkeiten anerkannt werden. Aber auch die Organisation, für die ich arbeite, war stolz“, so De Winne.
„In diesem Fall wurde der Fortschritt der ESA anerkannt, den sie im Rahmen jahrelanger Investitionen in die bemannte Raumfahrt gemacht hat. Nach den USA und Russland waren wir die erste Raumfahrtbehörde, die diese Rolle übernahm. Das hat uns in unserer robusten Stellung, die wir innerhalb Europas und der europäischen Raumflug-Gemeinde übernommen haben, bestärkt.“
Welcher Astronaut welche Rolle während einer Mission zugeteilt bekommt, wird von einer Kommission entschieden, in der Vertreter der NASA, Roskomos, ESA, JAXA und aus Kanada sitzen. Diese Rollen werden oft zwei Jahre im Voraus vergeben.
Eine Raumstation führen
Während das generelle Kommando der Station in den Händen der Flugdirektoren auf der Erde liegt (außer es liegt ein Notfall an Bord vor), sei die Hauptaufgabe des ISS-Kommandanten, den Zusammenhalt und die Motivation in der Raumstation aufrechtzuerhalten, so De Winne. Dazu gehöre auch, sicherzustellen, dass die Crew-Mitglieder in der Lage sind, die Aufgaben, die sie auf ihren Missionen übernehmen sollen, auch tatsächlich auszuführen.
„Es geht darum, die Besatzungsmitglieder bei Laune zu halten – jeder muss wissen, welche Aufgaben er genau übernimmt und sein Bestes geben, um das ganze Team zu Höchstleistungen anzuspornen. Nur so können wir optimale Ergebnisse für das Programm liefern“, erklärt De Winne.
Dabei ähnelt die Position der ISS-Kommandantur in vielerlei Hinsicht Führungsrollen auf der Erde, glaubt De Winne. Dass Gerst und Parmitano diese Rolle außergewöhnlich gut erfüllen werden, da ist er sich 100-prozentig sicher.
„Dass Luca Parmitano ebenfalls während seiner Mission zum Kommandanten berufen wird, zeigt ebenso, welch vertrauensvoller Partner Europa im All ist. Die Welt kann sich auf uns verlassen. Und das tut sie auch: Nicht nur bezüglich der technischen Ausstattung, die an Bord der ISS verwendet wird – sowie aktuell für das europäische Servicemodul für Orion–, sondern eben auch in Sachen Besatzungsführung“, sagt De Winne.
„Ein besseres Ergebnis könnten die Anstrengungen, die die europäischen Mitgliedstaaten im Raumfahrt-Sektor unternehmen, gar nicht haben.“
Alexander Gerst teilt diese Empfindung: „Es erfüllt mich mit Demut und Stolz, die Position des ISS-Kommandanten übernehmen zu dürfen. Ich werte das als internationales Zeichen des Vertrauens in die europäische Verlässlichkeit im Weltraum. Die herausragende Arbeit meiner europäischen Kollegen auf vorherigen Missionen hat dies erst möglich gemacht.“
„Ich übernehme diese Rolle zum ersten Mal. Dafür habe ich sehr hart gearbeitet. Trotzdem werde ich noch viel lernen müssen. Das mag am Anfang etwas beängstigend sein, aber mit der Zeit wächst man in die Position hinein“, so Gerst weiter.
Gerst wird ISS-Kommandant bleiben, bis er im Dezember 2018 zur Erde zurückkehrt.