OCAM: Beim Start in der ersten Reihe
Neue Premiere mit der Ariane 5: Bei der letzten Mission hatte Europas Schwerlastträger nicht nur drei Nutzlasten an Bord, sondern auch ein spezielles Kamerasystem „OCAM“. Mit ihm können der Startverlauf bis zur Abtrennung der einzelnen Stufen sowie Experimente auf der Oberstufe visuell überwacht werden. Das neue System wurde in Deutschland entwickelt.
Die Experten der Europäischen Weltraumorganisation ESA sowie des Betreiberunternehmens Arianespace waren begeistert. Beim Start der Ariane-Mission V 173 saßen sie nicht nur in der ersten Reihe, sie flogen sogar live mit.
Das prickelnde Gefühl des heißen Ritts auf der Rakete ermöglichte eine Spezialkamera, die – an der der Außenseite der Ariane 5 angebracht – den Start übermittelte. Das erstmals mit der Ariane 5 erprobte 'Online CAMera System' (OCAM) ermöglichte am 13. Oktober eine zwölfminütige Live-Übertragung des Starts direkt von der Trägerrakete aus. Beginnend mit dem Abheben der Ariane 5 vom Starttisch konnten die einzelnen Phasen einschließlich der Abtrennung der beiden Außenbooster sowie der Hauptstufe der Ariane 5 von ihrer Oberstufe aus nächster Nähe verfolgt werden.
Münchner Augen für Ariane
Entwickelt wurde OCAM von der Münchner Firma Kayser-Threde GmbH, die seit vielen Jahren in der Raumfahrtbranche einen guten Namen hat.
Das komplette Kamerasystem wiegt gerade einmal 25 Kilogramm. Je nach Aufgabenstellung gehören hierzu bis zu vier Kameras, ein eigenes Datenkompressionssystem, eine Batterie zur Stromversorgung, Elektronik zur Signalaufbereitung und -übertragung sowie zusätzliche Schnittstellen zu Experimenten. Die Systemelektronik ist so ausgelegt, dass Signale auch noch aus einer Entfernung von 20 000 Kilometern zur Erde übertragen werden können.
OCAM wird an der ringförmigen Außenhülle der Vehicle Equipment Bay (VEB) montiert, die sich auf der Oberstufe befindet. Die VEB beherbergt alle wichtigen elektronischen und elektrischen Ausrüstungen der Trägerrakete. Beim Jungfernflug OCAMs befanden sich drei Kameras an Bord der Rakete.
OCAM: Für höhere Zuverlässigkeit der Kourou-Trägerraketen
So spektakulär die Aufnahmen auch für den Laien sein mögen, für PR-Zwecke werden sie nicht gemacht. Die Fachleute des Raketenherstellers können daraus wertvolle Informationen über den Flugablauf gewinnen. Eventuell auftretende Unregelmäßigkeiten oder gar potentielle Fehlerquellen werden schneller erkannt und können zukünftig beseitigt werden. Mit OCAM wird so eine weitere Verbesserung der Zuverlässigkeit des gesamten Ariane-Trägersystems möglich.
Aus diesem Grund können aber auch die in den nächsten Jahren von Kourou aus startenden anderen Trägerraketentypen – Sojus und VEGA – mit OCAM verifiziert werden.
Im Focus: Japans Spinnen-Netz
Das große Potential, das in dem neuen Kamerasystem OCAM steckt, konnte ebenso eindrucksvoll beim japanischen Antennen-Experiment demonstriert werden. Getestet wurde das Entfalten einer wabenförmigen Antenne LDREX 2 (Large Deployable Reflector Experiment), deren Reflektor aus sieben Modulen besteht. Sie waren bespannt mit einem dünnen spinnennetzartigen Drahtgitter. Im entfalteten Zustand hatte der Reflektor einen Durchmesser von 6,4 Metern.
Dank der beiden OCAM-Kameras, die das einstündige erfolgreiche Entfalten der Antenne sowohl frontal als auch seitlich minutiös aufnahmen, konnten die japanischen Ingenieure wertvolle Erfahrungen zur Entwicklung einer noch viel größeren Antenne sammeln, die auf dem Experimentalsatelliten ETS 8 zum Einsatz kommen soll.
Kooperation mit ESA und Arianespace
Mit dem ersten Einsatz von OCAM setzt Kayser-Threde eine langjährige Kooperation mit der ESA und Arianespace fort. Bereits in den 90er-Jahren hat das bayerische Unternehmen für die Qualifikationsflüge der Ariane 5 mit Maqsat so genannte Dummysatelliten, das sind Massemodelle realer Raumflugkörper, geliefert.
OCAM ist ein zusätzliches Element zur weitergehenden Nutzung der Ariane-Trägerrakete. Es wurde in Abstimmung mit der Strategie der ESA zur Verbesserung der Wettbewerbsfähigkeit der Ariane 5 realisiert. Für die Umsetzung dieser Strategie ist neben der französischen Raumfahrtagentur CNES als Hauptauftragnehmer der Raketenentwicklung Arianespace zuständig.
OCAM soll künftig bei den meisten Arianestarts zum Einsatz kommen – insbesondere zum „Live-Test“ technisch anspruchsvoller Systeme, die auf speziellen Versuchsplattformen montiert sind.