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Seifenblasen - dünnhäutig auf der Erde, dickfellig im All

09/07/2014 14802 views 18 likes
ESA / Space in Member States / Germany

Kaum zieht die Schwerkraft nicht mehr an ihnen, beweisen Seifenblasen erstaunliche Stabilität: In der Schwerelosigkeit leben sie deutlich länger, ein Nadelstich macht ihnen nichts aus, und auch zusätzliche farbige Flüssigkeit haftet ohne Probleme an der stabilen Seifenblase.  

Das sind die erstaunlichen Ergebnisse, die Astronaut Alexander Gerst mit einem Versuch auf der Internationalen Raumstation ISS herausgefunden hat. Das Experiment hatte sich im Schülerwettbewerb „Aktion 42“, den das Deutsche Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) mit der europäischen Weltraumorganisation ESA und der Stiftung Jugend forscht durchführte, als Gewinnervorschlag durchgesetzt.  

Ausgerüstet mit einem Strohhalm, einer Tüte mit dem Haarshampoo der ISS-Bewohner und einer Stoppuhr hat Alexander Gerst das Geheimnis gelüftet, wie lange Seifenblasen in der Schwerelosigkeit überleben: Seifenblase um Seifenblase hält in der ISS mühelos im Durchschnitt eine Minute lang. „Die sind schon sehr stabil“, wunderte sich Alexander Gerst beim Experiment im europäischen Forschungslabor Columbus, als die erste Seifenblase erst nach 55 Sekunden platzte.

„Auf der Erde haben wir rund 100 Seifenblasen getestet und nur wenige blieben so lange stabil“, betont Dr. Matthias Sperl vom DLR-Institut für Materialphysik im Weltraum. Er betreut das Experiment in der ISS vom Boden aus. „Gerade einmal nach durchschnittlich 20 bis 30 Sekunden platzten die Seifenblasen unter Schwerkraft. Und Alexander Gerst macht gerade einmal eine Handvoll Seifenblasen, und alle erreichen eine extrem hohe Lebensdauer.“  

Durchhaltevermögen in der Schwerelosigkeit

 

Dass die Seifenblasen im Weltall soviel länger leben, liegt daran, dass dort keine Erdanziehungskraft an den Bestandteilen der Seifenblasen zieht: Die Hülle, die aus einer Wasserschicht zwischen zwei Seifenschichten besteht, kann so stabil bleiben. Auf der Erde hingegen läuft die Wasserschicht der Hülle in Richtung Boden und sammelt sich am unteren Ende – oben besteht die Seifenblase dann nur noch aus den beiden äußeren Seifenschichten. Die Hülle wird immer dünner, bis sie schließlich reißt, und die Seifenblase platzt.

Warum aber die Seifenblasen in der ISS nicht unsterblich sind, kann Sperl nicht genau definieren: „Dort oben wird die Luft durch die Ventilation bewegt, das könnte ein Grund sein“, schätzt er. „Beim freien Schweben würden die Blasen außerdem an den Wänden der ISS zerplatzen, hält man sie deshalb mit einem Strohhalm fest, übt auch das wieder einen Einfluss auf die empfindlichen Seifenblasen aus.“  

Die deutlich größere Stabilität stellten die Seifenblasen in weiteren Versuchen unter Beweis: Selbst eine Sicherheitsnadel, die der Astronaut direkt in die Hülle stach, brachte die Seifenblasen nicht zum platzen. „Die Wand der Seifenblase ist unter Schwerelosigkeit einfach dicker und gleichmäßiger als auf der Erde“, erläutert DLR-Projektleiter Sperl.

Überrascht hat ihn dennoch der Ausgang des Experiments, farbiges Wasser auf der Seifenblase aufzutragen. Als rote Tupfen blieben sie auf der Hülle der Seifenblase „hängen“ oder sammelten sich entlang der Hülle. „Auf der Erde würde schon alleine die Pipette beim Auftragen der Farbe die Seifenblase platzen lassen, oder die farbigen Tropfen würden durch die Seifenblase einfach hindurchfallen.“ Im Weltall hingegen ist die Seifenblase so stabil, dass dies nicht geschieht.

Die Ergebnisse der Experimente könnten auf der Erde beispielsweise auf die Produktion von Schäumen angewendet werden. In der Industrie kommt es oftmals darauf an, besonders stabile Schäume herzustellen – und dafür müssen die einzelnen Prozesse verstanden und kontrolliert werden. „Wenn wir hier oben herausfinden, wie es im Prinzip funktioniert, könnte man vielleicht auch auf Erde unter Gravitation Schaumblasen mit dichteren Hüllen produzieren“, sagt Astronaut Alexander Gerst.  

Training am Boden und im Parabelflug

 

Vorgeschlagen hatten das Experiment Schüler aus Baden-Württemberg, Sachsen und Bayern, die ihre Idee beim bundesweiten Schülerwettbewerb „Aktion 42“ eingereicht hatten. Dafür durften sie nur Gegenstände aus einer Liste mit 42 Objekten aussuchen, die bereits auf der Internationalen Raumstation ISS verwendet werden. Für Alexander Gerst wurden dann exakte Ablaufpläne erstellt, die er – wie bei einem „normalen“ Experiment auf der ISS – Schritt für Schritt abarbeitete. Zuvor hatte er das Experiment mit Shampoo, Strohhalm und Stoppuhr während seines Trainings durchgeführt und auch auf einem Parabelflug in den kurzen Phasen der Schwerelosigkeit getestet.

Alexander Gerst beim Parabelflug
Alexander Gerst beim Parabelflug

 

Eine Teil des Schülerexperiments hingegen verlief allerdings anders als erwartet: Als Astronaut Alexander Gerst die Auswirkung von Schall auf die Seifenblasen testen wollte und Lautsprecher mit Techno-Musik einsetzte, machte die Ventilation der Raumstation ihm einen Strich durch die Rechnung.

„Letztendlich können wir nicht sagen, ob der Schall oder die Ventilation für Bewegung gesorgt haben“, erklärt Dr. Matthias Sperl. „Die Musik war nicht stark genug gegenüber der Ventilation auf der Raumstation. Aber es sind halt Experimente – und nicht immer sieht man die erwarteten Effekte deutlich genug.“  

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