Sonne, wir kommen!
Nach Monaten voller nervenaufreibender Simulationstrainings, zwei Verzögerungen auf der Startrampe und einer Generalprobe sind die ESA-Kontrollteams am Boden nun bereit, den Solar Orbiter auf seine Reise Richtung Sonne zu senden.
Die Raumsonde wird die ersten hochauflösenden Bilder der Sonnenpole aufnehmen. Um in die exakte Umlaufbahn zu gelangen, muss sie allerdings einen kurvenreichen, verschlungenen Kurs mithilfe der Gravitationsfelder der Erde und Venus aufnehmen.
Die Ingenieure für Satellitenbetrieb, Flugdynamik-Experten sowie Software- und Bodenstationsingenieure haben sich monatelang auf die insgesamt zehnjährige Mission zur Sonne vorbereitet – und geben nun grünes Licht für den Start des Solar Orbiters.
Der richtige Zeitpunkt
Da der Solar Orbiter in einer interplanetaren Umlaufbahn unterwegs sein wird, die von der Schwerkraft der Planeten abhängt, ist die relative Position der Planeten im Sonnensystem ein Schlüsselfaktor für den richtigen Startzeitpunkt.
Aufgrund der ständigen Bewegung der Planeten bedeutet jede Verzögerung des Starts eine Änderung der Umlaufbahn des Solar Orbiters in Richtung Sonne. Eine lange Verzögerung von ein paar Wochen würde bedeuten, die aktuelle Startgelegenheit völlig zu verpassen.
Die Raumsonde sollte ursprünglich am 6. Februar 2020 nach mitteleuropäischer Zeit starten. Ein Problem bei der „Wet Dress Rehearsal“ (Generalprobe) an der Cape Canaveral Air Force Station in Florida hat allerdings zu einer Verzögerung von 24 Stunden geführt.
Nach einer zweiten Verzögerung aufgrund ungünstiger Wetterbedingungen, ist der Start nun für Montag, den 10. Februar 2020 um 05:03 Uhr CET geplant – vier Tage nach dem ursprünglichen Termin.
Verzögerungen dieser Art sind bei Weltraummissionen alles andere als ungewöhnlich. Tatsächlich steht dem Solar Orbiter ein 21 Tage langes Startfenster offen. Somit könnte die Raumsonde innerhalb von je zwei Stunden an einem beliebigen Tag zwischen dem 6. und 26. Februar 2020 in Richtung Weltall abheben.
Planeten in perfekter Konstellation
Die ESA-Missionsanalytiker bestimmen von einem Tag auf den anderen, wo genau die Trägerrakete den Solar Orbiter hinbringen muss, damit sie die Venus für die erste interplanetare Schwerkraftunterstützung ohne große Manöver des Raumfahrzeugs erreichen kann.
Im Gegensatz zur BepiColombo-Mission, die sowohl den elektrischen Antrieb an Bord als auch die Schwerkraft der Planeten nutzt, um zum Merkur zu gelangen, verfügt der Solar Orbiter nur über kleine Triebwerke, die seine Position im Weltraum leicht anpassen können.
Er hängt der davon ab, dass die Atlas-V-Trägerrakete ihn zum genau richtigen Ort bringt, die zusätzlich von der Schwerkraft von Venus, Erde und Sonne abhängt. Die Flugdynamik-Experten der ESA bestimmen, wie die Masse dieser Himmelskörper optimal genutzt werden kann.
Die Teams im ESA-Missionskontrollzentrum haben die Flugbahnen für die möglichen Starttage im Voraus geplant. Theoretisch könnte die Raumsonde in jedem täglichen zweistündigen Startfenster alle fünf Minuten ins All geschossen werden.
Die Experten müssten somit 25 Flugbahnen pro Tag berechnen – und haben für das Startfenster des Solar Orbiter insgesamt mehr als 500 vorbereitet!
„Nach einem Zeitpunkt ab dem 26. Februar 2020 könnte die Raumsonde erst wieder starten, wenn Erde und Venus wieder perfekt aufeinander ausgerichtet sind. Und das erfordert dann eine völlig neue Flugbahn“, erklärt Missionsanalytiker José Manuel Sánchez Pérez.
„Diese Planetenkonstellation besteht normalerweise alle 20 Monate, so wäre im Oktober 2021 ein weiteres Startfenster möglich. Unsere Berechnungen haben allerdings auch ergeben, dass der Solar Orbiter durch ein bisschen Extrahilfe durch ein zusätzliches „gravity assist“ der Erde auch im Oktober dieses Jahres gestartet werden könnte.“
Gerüstet für wärmere Gefilde
Bei einer Generalprobe am 6. Februar 2020 absolvierten die Solar-Orbiter-Kontrollteams ihren allerletzten Durchlauf des Abschusses vor dem tatsächlichen Start der Raumsonde.
Diese Vorgehensweise unterscheidet sich von den zuvor durchgeführten, monatelangen Simulationstrainings, da die Experten dieses Mal tatsächlich mit dem Raumfahrzeug verbunden waren, das sich bereits huckepack auf der Trägerrakete im Kennedy Space Center in Florida befindet.
„Komplexe interplanetare Missionen wie Solar Orbiter veranschaulichen perfekt, über welch breites und tiefes Wissens die Mitarbeiter im ESA-Satellitenkontrollzentrum verfügen“, sagt Rolf Densing, ESA-Direktor für Missionsbetrieb.
„Um mehr über das Universum zu erfahren, beobachten wir es entweder mit bemerkenswerten Teleskopen von der Erde aus oder wir statten ihm einen Besuch mit einer Raumsonde ab – und dafür weist uns das Missionskontrollzentrum den Weg.“
Verfolgen Sie im ESA Web TV den Start live mit – wir übertragen das Programm und den Launch am 10. Februar 2020 ab 04:40 Uhr CET. Auf Twitter berichten wir in Echtzeit über den Ablauf im Missionskontrollzentrum, folgen Sie bitte @esaoperations und @esa_de.