Weltraumtechnologien für neue Krebsbehandlungsmethode
Ein neuartiges nichtinvasives System zur Krebsbehandlung wird mit Hilfe der Technik der Europäischen Raumfahrtindustrie entwickelt. Diese neue Methode könnte schon ab 2006 einsatzbereit sein und soll als erstes für die Brustkrebsbehandlung eingesetzt werden.
Der niederländische Unternehmer Brunsveld van Hulten hat eine Lösung entwickelt, die Ärzte im Kampf gegen Brustkrebs unterstützt. Dabei kommen zwei Methoden zur Anwendung: Magnetresonanz-Tomografie (MRT) zum Orten und zur Diagnose von Krebsgewebe und hochintensiver fokussierter Ultraschall (HIFU) zum „Ausbrennen“ der bösartigen Zellen.
Die Erfindung wird als ActiveFU bezeichnet und wird von Brunsveld van Hulten am neuen Europäischen Weltraumtechnologie-Inkubator ESI (European Space Incubator) des Europäischen Weltraumforschungs- und -technologiezentrums ESTEC entwickelt. Durch die Nutzung von Weltraumtechnologien und Fachwissen der ESA-Forschungsteams konnten bereits mehrere Herausforderungen bezwungen werden.
„HIFU ist eine erprobte Interventionsmethode zur Entfernung von Krebszellen im menschlichen Körper“, erklärt Brunsveld van Hulten. „Im Zusammenspiel mit den jüngsten MRT-Entwicklungen ermöglicht diese Methode dem ActiveFU-Benutzer eine sehr differenzierte Steuerung des Hitzebeschusses der Krebszellen.“
Dieses innovative System wird Krebspatienten eine neue nichtinvasive Behandlungsmöglichkeit bieten, die patientenfreundlicher ist und nicht die bei Chemo- und Strahlentherapien auftretenden Nebenwirkungen hervorruft.
„Ein weiterer Vorteil sind Einsparungen im öffentlichen Gesundheitswesen, da die Behandlung ambulant erfolgt“, fügt Brunsveld van Hulten hinzu.
Als Mathematiker hat Brunsveld van Hulten ursprünglich in der Fernerkundung gearbeitet, bevor er sich seit Beginn der neunziger Jahre mit MRT für Brustkrebs-Gewebeuntersuchungen und mit der Erforschung der medizinischen Ultraschallbehandlung beschäftigte.
„Die Idee kam mir, als ich mir den MRT-Markt anschaute. Er ist heute noch allein auf die Diagnostik begrenzt. Mir war klar, dass der nächste Schritt in der MRT die Anwendung in der Therapeutik sein würde“, erläutert Brunsveld van Hulten. „Ich kam zu dem Schluss, dass die Verwendung eines speziellen HIFU-Systems zusammen mit einer hochqualitativen MRT-Aufnahmespule für Brustbilder ein großer Schritt voran wäre.“
„Die gewählte Aufnahmespule ermöglicht außerdem eine nichtinvasive MRT-Diagnostik sowie die Durchführung einer Magnetresonanz-Spektroskopie für chemische Analysen und Gewebeuntersuchungen in der Pathologie. Damit haben wir ein vollständiges und marktfähiges Instrumentarium für Diagnostik und Behandlung im MRT-Raum.“
Ein weiterer Marktvorteil wurde durch Auswahl einer Brustspule erreicht, die mit den neuesten 1,5-Tesla- und 3-Tesla-Systemen kompatibel ist, welche über höhere Erfassungsgeschwindigkeiten und verbesserte Auflösungen verfügen und kürzlich von den drei wichtigsten MRT-Herstellern - General Electric, Siemens und Philips - auf den Markt gebracht wurden.
Obwohl seine neue Methode zur Behandlung von allen kleinen und örtlich begrenzten Tumoren eingesetzt werden kann, hat Brunsveld van Hulten entschieden, sich zunächst auf die Behandlung von Brustkrebs zu konzentrieren, da dies eine der weitest verbreiteten Krebsarten bei Frauen zwischen 35 und 69 Jahren ist.
Hilfe durch ESA-Fachwissen im ESI-Rahmen
Viele Details müssen noch geklärt werden, bevor Patienten behandelt werden können. Deshalb ist die Nutzung der Einrichtungen des Europäischen Weltraumtechnologie-Inkubators (ESI) am ESTEC und die Unterstützung durch ESA-Ingenieure und Medizinexperten so wichtig.
„Die Möglichkeiten der ESA zur Simulierung von komplexen Systemen waren entscheidend bei der Auswahl der optimalen Werkstoffe und Technologien“, sagt Brunsveld van Hulten. Die ursprünglich zur Echtzeitsimulation von Satelliten entwickelte Softwareplattform EuroSim wurde zur Lösung der komplexen technischen Probleme beim Systementwurf eingesetzt.
Obwohl der Großteil der Hardware dem Industriestandard entspricht, unterstreicht Brunsveld van Hulten, dass es ihm „die Schaltkreise und die integrierte Software der ESA ermöglichten, ein System zur Echtzeitsimulation und –steuerung des kritischen Hitzebehandlungsprozesses zu entwickeln – ein einzigartiger Vorteil, der sich aus der Anwendung von Weltraumtechnologien auf dieses schon hochmoderne medizinische Produkt ergab.“
Das ESA-Fachwissen zur Modellierung der Wellenausbreitung war entscheidend, um die MRT- und HIFU-Technologien optimal aufeinander abzustimmen. Die Modellierung ermöglicht vor der eigentlichen Behandlung eine schnelle Simulation der mit den Einstellungen des Ultraschallwandlers zu erwartenden Ergebnisse.
Normalerweise wird die Magnetresonanz-Tomografie durch das Ultraschall-Behandlungssystem beeinträchtigt, Brunsveld van Hulten ist es jedoch mit Hilfe der ESA-Experten gelungen, die Signalfrequenzen und -phasen so einzustellen, dass der das ActiveFU benutzende Arzt den Eingriff vornehmen kann, während er gleichzeitig die Ergebnisse mittels MRT verfolgen kann.
Nichtmagnetische Piezo-Miniaturmotoren werden verwendet, um die Instrumente vor dem Eingriff zu positionieren. Sie wurden ursprünglich von Cedrat Technologies für Raumfahrtanwendungen entwickelt, bei denen keine Störung des homogenen Magnetfeldes zur Bilderfassung zulässig ist.
Im Dezember 2003 wurde die ESA-Einrichtung für simultanen Produktentwurf CDF (Concurrent Design Facility) benutzt, um die technischen Anforderungen an die Komponenten dieses komplexen Produktes genau abzustimmen. Spezialisten verschiedener technischer Fachgebiete nahmen an einer Reihe von CDF-Runden teil, in denen sie interaktiv die Anforderungen ihrer jeweiligen Untersysteme „verhandelten“. Dieser dynamische Prozess ermöglicht eine schnelle Entdeckung und Beseitigung von Systemkonflikten schon auf dem obersten Entwurfsniveau.
Zusätzlich zur Unterstützung durch die ESA-internen Medizinexperten half das ESI Brunsveld van Hulten auch durch die Organisation eines internationalen Workshops unter ESA-Schirmherrschaft, wodurch führende externe Medizinexperten zu Rate gezogen werden konnten. Die Teilnehmer diskutierten sowohl Anwenderanforderungen und Betriebsbedingungen als auch die neuen nichtinvasiven diagnostischen Methoden, die in der sich schnell entwickelnden MRT-Technologie zum Einsatz kommen.
ActiveFU ist das erste am ESI entstehende Produkt. ESI-Manager Bruno Naulais berichtet: „Unsere Erfahrung mit dem ActiveFU-Projekt hat gezeigt, dass ESI die Kluft zwischen der Idee und der Umsetzung in ein Unternehmen überbrücken kann. Es unterstützt Unternehmer wie Brunsveld van Hulten dabei, einen tragfähigen Geschäftsplan zu entwickeln, Machbarkeitsuntersuchungen zur Technologie durchzuführen und das Projekt zu einem Punkt zu bringen, an dem Risikokapital zur Finanzierung der weiteren Geschäftsentwicklung gewonnen werden kann.“