Winterschlaf für Rosetta
Die seit 02. März 2004 dem Kometen 67P/Tschurjumow-Gerasimenko entgegen rasende Raumsonde Rosetta wird am 8. Juni 2011 in einen zweieinhalbjährigen Schlafmodus (Hibernationmode) versetzt und erst wenige Monate vor dem Erreichen des Kometen, nämlich am 20. Januar 2014 wieder geweckt. Das Ziel: Energie während des sonnenfernsten Teils ihres Flugs sparen.
Damit tritt der bisher äußerst erfolgreiche Flug der ESA-Mission in eine neue Etappe ein. Nach vier Swing-By-Manövern zur Erhöhung der Fluggeschwindigkeit und zwei Vorbeiflügen an Asteroiden hat die Raumsonde auf dem langen Weg zum Zielkometen zunächst keine weiteren Aufgaben mehr zu erfüllen. Erst 2014, kurz vor der Ankunft bei 67P/Tschurjumow-Gerasimenko sind neue Aktivitäten, wie ein Kurskorrekturmanöver nötig.
Am Ziel angekommen, sieht die Rosetta -Mission als erstes interplanetares Unternehmen die Umrundung eines Kometen und die Landung auf seiner Oberfläche vor. Sie setzt sich aus einem Orbiter und dem Landegerät Philae zusammen. An Bord der beiden Teilsysteme befinden sich insgesamt 21 Instrumente, elf auf dem Orbiter und zehn auf dem Lander. Davon wurden allein 13 in Deutschland entwickelt und gebaut. Für die Flugführung ist das Europäische Satellitenkontrollzentrum ESOC in Darmstadt verantwortlich.
Swing-by-Manöver zur Beschleunigung
Damit die drei Tonnen schwere Raumsonde überhaupt auf die weite Reise gehen konnte, musste Rosetta nach ihrem Start am 02. März 2004 vom europäischen Weltraumbahnhof Kourou zunächst vier Mal zusätzlichen Schwung holen. Das geschah mittels dreier Erdvorbeiflüge am 5. März 2005, 12. November 2007 und 13. November 2009 sowie einer Passage des Planeten Mars am 25. Februar 2007. Bei diesen „Swing-By“ genannten Manövern wurde die Sonde durch die Schwerefelder von Erde und Mars beschleunigt. Das Verfahren ist seit Jahren bei interplanetaren Raumsonden üblich, um einen Teil der nötigen Antriebsenergie gewissermaßen aus der Rotationsenergie des Spenderplaneten „abzuzapfen“. Der dritte und letzte Vorbeischwung an der Erde brachte Rosetta schließlich endgültig auf Kurs zum Kometen Tschurjumow-Gerasimenko.
Kurzbesuche bei Asteroiden
Auf ihrem Weg dahin durchquerte der Kometenjäger gleich zweimal den Asteroidengürtel unseres Sonnensystems zwischen Mars und Jupiter. Über dessen Objekte – mehrere Hunderttausend herumvagabundierende Gesteinsbrocken in der Größe von wenigen Metern bis zu mehreren hundert Kilometern - ist noch relativ wenig bekannt. Deshalb hatten die Forscher den Vorbeiflug an zwei Asteroiden in die Missionsplanungen aufgenommen.
Als Zielasteroiden für Rosetta wurden zwei Gesteinsbrocken von recht unterschiedlicher Größe ausgewählt. 2867 Steins, mit nur fünf Kilometern Durchmesser ein vergleichsweise kleines Objekt, wurde von der Sonde am 5. September 2008 aus einem minimalen Abstand von 800 Kilometern begutachtet. Mit 134 Kilometern Durchmesser war der zweite Asteroid, 21 Lutetia, wesentlich größer. An ihm flog Rosetta am 10. Juli 2010 in rund 3000 Kilometer Entfernung vorbei und übermittelte erneut eindrucksvolle Bilder.
Rosetta geht “schlafen”
Am 8. Juni wird Rosetta in den so genannten Hibernationmode geschaltet, d.h. Rosetta geht bis zum 20. Januar 2011 „schlafen“. Der Grund dafür liegt hauptsächlich in der Flugbahn der Kometensonde und der Art ihrer Energieversorgung. Diese erfolgt mit Solarzellen, die allerdings eine bestimmte Mindesteinstrahlung der Sonne benötigen, um genügend Energie erzeugen zu können. Die Intensität der Sonnenstrahlung hängt wiederum von der Entfernung Rosetta - Sonne ab. Auf ihrem weiteren Weg zum Ziel wird sich die Sonde auf bis zu fünf Astronomische Einheiten (AU) von der Sonne entfernen. Eine AU entspricht einer Länge von rund 149,6 Millionen Kilometern, also dem mittleren Abstand zwischen Sonne und Erde. Wenn 2014 wieder die Aktivierung von Rosetta erfolgt, beträgt der Abstand zu unserem Lebensspender „nur noch“ vier AU – nahe genug für die Solarzellenflächen, um wieder genügend Energie für den vollen Betrieb der Raumsonde liefern zu können.
Inzwischen muss Rosetta mit einem minimalen Energiehaushalt auskommen. Deswegen werden alle für den Anflug nicht benötigten Instrumente und Bordsysteme ausgeschaltet. Lediglich die für das Überleben bestimmter Geräte nötigen Heizelemente werden weiter betrieben, sowie ein Empfänger und ein Zeitgeber. Außerdem erfolgt eine Änderung der Stabilisierung der Raumsonde. Sie geht von der Dreiachsenstabilisierung in eine rotierende Stabilisierung über. So wird im Hibernationmode kein Treibstoff zur Lageregelung benötigt.
Am 20. Januar 2014 wird Rosetta wieder geweckt, alle Systeme und Instrumente aktiviert und der Raumflugkörper auf ein für das Erreichen des Ziels wichtiges Korrekturmanöver vorbereitet. Im Mai 2014 wird das Orbiter/Lander-Gespann bei 67P/Tschurjumow-Gerasimenko eintreffen, in seine Umlaufbahn einschwenken und voraussichtlich im November 2014 den Lander Philae aussetzen, der auf dem vier Kilometer dicken eisigen Kern aufsetzen und dessen Oberfläche untersuchen soll. Bis dahin: Störungsfreien Schlaf, Rosetta!
Weitere Informationen erhalten Sie von:
Gerhard Schwehm
ESA-Missionsleiter für Rosetta
E-Mail: Gerhard.Schwehm @ esa.int
Rita Schulz
ESA-Projektwissenschaftlerin für Rosetta
E-Mail: Rita.Schulz @ esa.int
Andrea Accomazzo
ESA-Flugleiter von Rosetta
E-Mail: Andrea.Accomazzo @ esa.int