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N° 27–2005: 30 Jahre ESA – Europas Raumfahrt auf Erfolgkurs

31 May 2005

Die Europäische Weltraumorganisation, deren Mitgliedstaaten ihre Kräfte mit dem gemeinsamen Ziel der Nutzung und Erforschung des Weltraums bündeln, feierte am 31. Mai ihr dreißigjähriges Bestehen. Mit überzeugenden Missionen hat sie Europa und seiner Industrie zu einer weltweiten Spitzenposition auf dem Gebiet der Weltraumtätigkeiten verholfen.

 

Dabei deutete zu Beginn nichts auf eine europäische Erfolgsstory in der Raumfahrt hin. Die Welt war durch die beiden Großmächte in Einflußgebiete aufgeteilt, in denen entweder die Sowjetunion oder die USA politisch wie auch militärisch ihre Führungsrolle sowohl auf der Erde als auch im Weltraum nahezu unangreifbar umzusetzen verstanden. Und dennoch ist es Europa in den vergangenen Jahrzehnten gelungen, auf vielen Gebieten der Erforschung und Nutzung des Weltraums nicht nur zu den beiden Großen aufzuholen, sondern mit ihnen gleichzuziehen und heute ein – hüben wie drüben – anerkannter Partner zu sein. Mehr noch: Heute verkörpert die ESA den Rang Europas als einer der großen Raumfahrtpioniere weltweit - insbesondere bei der Weltraumwissenschaft, der Erdbeobachtung, der Telekommunikation und den Raumfahrzeugträgern.

„Nach der Gründung der ESA am 31. Mai 1975 durch die Verschmelzung ihrer Vorgängerorganisationen ESRO und ELDO feiern wir heute 30 Jahre europäischer Weltraumtätigkeiten - welch ein Erfolg! Die ESA hat es geschafft, in so kurzer Zeit zu einer der renommiertesten Raumfahrtagenturen der Welt zu werden. Schlüssel zu dieser Erfolgsstory war die internationale Zusammenarbeit, in erster Linie zwischen den Mitgliedstaaten, aber auch mit anderen Raumfahrtmächten“, so ESA-Generaldirektor Jean-Jacques Dordain.

„Ich fühle mich außerordentlich geehrt und bin stolz, heute Generaldirektor dieser Organisation sein und ihren 30. Jahrestag in einem bereits an Erfolgen reichen Jahr feiern zu dürfen, darunter die Huygens-Landung auf Titan, der Start der neuen Ausführung der Ariane-5 und die Eneide-Mission zur Internationalen Raumstation, um nur einige zu nennen.

Zu verdanken haben wir dies den Mitgliedstaaten, den Bediensteten und dem Auftragnehmerpersonal der ESA sowie all jenen in den nationalen Raumfahrteinrichtungen und in der Industrie in ganz Europa, die seit den Anfängen in den 60er Jahren an den Erfolg der ESA geglaubt und ihre Zeit und ihre Bemühungen dem Wachstum dieser Organisation gewidmet haben. Und wir werden in der Zukunft noch viele Projekte gemeinsam verwirklichen“.

Im Licht ihrer nachhaltigen Erfolge der letzten 30 Jahre verstärkt die ESA nun ihre Zusammenarbeit mit der Europäischen Union, um die europäische Raumfahrt in den Dienst der EU-Politikbereiche und der europäischen Bürger zu stellen. Dadurch werden die gemeinsamen europäischen Anstrengungen in der Raumfahrt weiter konsolidiert und diese damit international dauerhaft wettbewerbsfähiger gemacht. Die Europäische Raumfahrtpolitik wird auf die wachsenden Ambitionen Europas abgestimmt. Vor allem in den Bereichen Verkehr, Umwelt, Sicherheit, Landwirtschaft und Technologie entwickelt sich die Raumfahrt zu einem wichtigen Feld europäischer Politik und wird sich verstärkt an den Bedürfnissen der Bürger Europas ausrichten. Da die Länder Europas zunehmend gemeinsam handeln, werden die Weltraumtätigkeiten in Zukunft unausweichlich ein weit größeres und integrierteres Unterfangen sein, und die ESA bereitet sich darauf vor, noch bedeutendere Aufgaben für Europa zu übernehmen.

Hinweise für die Redakteure:

Schwerer Anfang: Quo vadis, Europa?

Der Erfolg der europäischen Raumfahrt ist umso bemerkenswerter, als er vor dem Hintergrund divergierender Interessen zwischen Wissenschaft, Politik und Wirtschaft einerseits und den national geprägten Vorstellungen der verschiedenen europäischen Staaten andererseits zustande kam. Mit anderen Worten: Vor 40 Jahren war Europa noch in einer Lernphase. Das zeigte sich insbesondere daran, dass es zwei zwischenstaatliche europäische Organisationen für die Entwicklung und den Bau wissenschaftlicher Satelliten (ESRO) sowie die Entwicklung eigener Trägerraketen (ELDO) gab.

Paradoxerweise führte der erste erfolgreiche Satellitenstart der ESRO am 17. Mai 1968 zugleich in einer ersten inneren Krise der Organisation. Kernpunkt der Auseinandersetzungen war die Frage, ob neben Forschungssatelliten auch Anwendungssatelliten – in erster Linie für Telekommunikation und Meteorologie – entwickelt werden sollten, was die ESRO-Konvention jedoch strikt untersagte.

Erst vier Jahre später, 1972, gelang der Durchbruch. Das Wissenschaftsprogramm blieb ein Pflichtprogramm, an dem sich jeder Mitgliedsstaat (Belgien, Deutschland, Dänemark, Frankreich, Großbritannien, Italien, Niederlande, Schweden, Schweiz, Spanien) mit einem nach seinem Bruttosozialprodukt bemessenen Beitrag beteiligen musste. Neu aufgenommen wurde als Kürprogramm ein Bereich für Anwendungssatelliten, an dem sich die Mitgliedsstaaten freiwillig beteiligen konnten.

Doch nicht nur die ESRO, auch die ELDO bereitete Sorgen. Sie errichtete Europas ersten Weltraumbahnhof in der australischen Wüste bei Woomera (Südaustralien) und begann 1964 mit der Entwicklung einer eigenen Trägerrakete, die bald den Namen EUROPA 1 erhielt. Nach einer Reihe von Fehlschlägen erfolgte der Wechsel nach Kourou in Französisch-Guyana. Dort waren die Bedingungen für den Einschuss eines Satelliten in den geostationären Orbit in 36 000 Kilometer Höhe über dem Äquator wesentlich günstiger. Doch auch der mit einer zusätzlichen Feststoff-Stufe erweiterten EUROPA II blieb der Erfolg versagt. Der einzige Start am 5. November 1971 misslang. 1973 wurde das Programm eingestellt, ohne das bereits angelaufene Studienprogramm einer verbesserten EUROPA III weiter verfolgen zu können. Damit hat die ELDO das eigentliche Ziel der EUROPA-Rakete, einen Satelliten in eine Erdumlaufbahn zu bringen, nicht erreicht.

Der Wendepunkt 1975: Gründung der Europäischen Weltraumorganisation

Die Politik war gefragt. Vor allem der konsequenten französischen Haltung ist es zu verdanken, dass noch im gleichen Jahr der Beschluss über die Entwicklung eines neuen Trägersystems „L 3 S – Lanceur de 3ème génération de substitution“ gefasst wurde. Für Frankreich stellte der autonome Zugang zum Weltraum von Anfang an eine hohe strategische Bedeutung dar. Sein Misstrauen gegenüber dem Raumtransport-Monopol der beiden Großmächte war nicht unbegründet. Entgegen anfänglicher US-Zusagen, konnten die ersten geostationären Kommunikationssatelliten Europas, die deutsch-französischen Symphonie-Satelliten, mit einer amerikanischen Rakete erst gestartet werden, nachdem die Europäer zugesichert hatten, diese Systeme ausschließlich für experimentelle, nicht aber für operationelle kommerzielle Zwecke zu verwenden.

Am 31. Juli 1973 wurde auf der Ministerratskonferenz in Brüssel ein umfangreiches Raumfahrtpaket geschnürt, das die entscheidenden Weichenstellungen für ein sowohl erfolgreiches als auch zukunftsorientiertes Raumfahrtprogramm legte. An der Spitze stand die Entwicklung des Raumfahrtträgers „L 3 S“. Er sollte unter dem Namen Ariane bald Furore machen und Europas Symbol für die Raumfahrt werden. Die Entwicklung der Ariane wurde der sich in Gründung befindlichen Europäischen Weltraumorganisation ESA übertragen, die schließlich aus der Fusion von ESRO und ELDO hervorging und offiziell am 31. Mai 1975 ihre Arbeit aufnahm.

Gründungsmitglieder der ESA waren 10 Staaten: Belgien, Deutschland, Dänemark, Frankreich, Großbritannien, Italien, Niederlande, Schweden, Schweiz und Spanien. Noch im gleichen Jahr wurde Irland aufgenommen. Seither sind auch Österreich, Norwegen, Finnland, Portugal und Griechenland beigetreten. Mit der bevorstehenden Aufnahme von Luxemburg Ende des Jahres 2005 wird sich die Zahl der Mitglieder auf 17 erhöhen. Kanada ist über ein langfristiges Kooperationsabkommen an zahlreichen ESA-Programmen beteiligt, während Ungarn und Tschechien kürzlich ebenfalls eine Zusammenarbeit mit der ESA eingeleitet haben.

Investiertes Geld fließt zurück in die Mitgliedstaaten

Aufgabe der ESA ist die Zusammenarbeit europäischer Staaten zu ausschließlich friedlichen Zwecken auf dem Gebiet der Weltraumforschung und -technologie. Große weltraumtechnische Programme im Infrastrukturbereich sind daher Bestandteil der ESA-Aktivitäten, wie die Entwicklung der Trägerfamilie Ariane und das Programm zur bemannten Raumfahrt, in dessen Rahmen die europäische Beteiligung an der Internationalen Raumstation durch das Columbus-Labormodul und durch Versorgungsflüge mit dem unbemannten Raumtransporter ATV (Automated Transfer Vehicle) verwirklicht werden.

Des Weiteren realisiert die Weltraumorganisation verschiedene Programme in den Bereichen Erforschung des Weltalls, Mikrogravitationsforschung, Transportsysteme, Erderkundung, Telekommunikation und Navigation. Alle Programme werden in der ESA europäisch organisiert und durchgeführt. Ohne diese qualifizierten Weltraumprogramme wären wir heute in Europa in der Telekommunikation und bei der Bewirtschaftung unserer Ressourcen auf fremde Hilfe angewiesen.

Die ESA spielt auch eine koordinierende Rolle, indem sie die von den Mitgliedstaaten im nationalen Rahmen unternommenen Arbeiten verfolgt und, wenn möglich, in ihre Programme integriert. Zu den Aufgaben gehört ferner die Entwicklung innovativer Weltraumtechnologien, um Europa zu einer international wettbewerbsfähigen Raumfahrtindustrie zu verhelfen.

Der ESA steht im Jubiläumsjahr 2005 ein Budget von 2,977 Mrd. Euro zur Verfügung. Der Grossteil des Geldes wird für Aufträge an die Industrie der Mitgliedstaaten ausgegeben. Das Vergabeverfahren stellt sicher, dass jeder Mitgliedstaat aus seinen Investitionen einen angemessenen finanziellen und technologischen Rückfluss erhält.

Erfolgsstory Raumtransport: Wie Phoenix aus der Asche

Als die Politik 1973 grünes Licht für die Entwicklung der Ariane gab, hatte sie den autonomen Zugang Europas zum Weltraum im Blick. Dass sie zugleich den Grundstein für einen neuen, lukrativen Wirtschaftszweig legte, war ihr damals sicherlich nicht bewusst. Einen Markt für Satellitenstarts gab es damals nicht. Im Gegenteil: Die USA verzichteten auf den Erhalt ihrer Trägerflotte, denn sie entwickelten das wieder verwendbare Space Shuttle. Es sollte die Startkosten drastisch senken und im Fließbandverfahren wöchentlich Satelliten ins All bringen. Wer setzte angesichts derartiger Prognosen auf eine konventionelle Trägerrakete?

Als am Weihnachtsabend 1979 die erste Ariane zu ihrem Jungfernflug startete und fehlerlos ihren vorgesehenen Orbit erreichte, überlagerten sich Freude und Erstaunen: Die Europäer können ja doch eine Trägerrakete bauen! Der Wert der Rakete wurde schon bald durch die ersten wirtschaftlichen Erfolge bestätigt. Ariane wurde zum Symbol für Europa und zum Symbol für einen offenen Markt. Für Verkauf und Marketing der Ariane wurde Arianespace gegründet, eine privates Unternehmen, dessen Anteile von der europäischen Raumfahrtindustrie gehalten werden.

Schon bald stellte sich aber heraus, dass die Leistung der ersten Ariane-Version für den internationalen Markt nicht mehr ausreichend war, denn trotz Miniaturisierung wurden die Satelliten immer größer und schwerer. Die ESA reagierte prompt. 1981 startete sie ein Programm zur Leistungsverbesserung der Trägerrakete. Die daraufhin entwickelten Modelle Ariane-2 und Ariane-3 boten zum ersten Mal in der Geschichte der konventionellen Trägerraketen die Möglichkeit, zwei Nutzlasten gleichzeitig zu transportieren.

Shootingstar der sich vergrößernden Ariane-Familie wurde die Ariane-4, eine der zuverlässigsten und wirtschaftlich erfolgreichsten Trägerraketen der Welt. Während ihres 15jährigen Dienstes von 1988 bis 2003 brachte sie mehr als 180 Satelliten in die Umlaufbahn und Arianespace mit den Markenzeichen „Doppelstarts“ sowie „modulare Bauweise“ erreichte einen Marktanteil von bis zu 60 % der weltweiten kommerziellen Satellitenstarts.

Von der aktuellen Version Ariane-5 hängt nun die Fortsetzung des technischen und industriellen Erfolges der Trägerrakete in Europa ab. Bereits 2001 hatte die ESA beschlossen, die Ariane von 7,5 auf zehn und dann auf zwölf Tonnen Nutzlast weiterzuentwickeln. Schon heute untersucht die ESA verschiedene Konzepte für ein Ariane-Nachfolgeprogramm. Ziel ist, die Transportkosten in den Weltraum von derzeit etwa 12 000 Euro pro Kilogramm zu halbieren. Noch offen ist die Frage, ob es sich hierbei um ein wieder verwendbares System oder um eine Einwegrakete handeln wird.

Von einer Raumfahrt in Europa zur Europäischen Raumfahrt

Die Entscheidung der europäischen Regierungen zu einem gemeinschaftlichen Vorgehen beruhte zunächst auf rein wirtschaftlichen Erwägungen. Kein europäisches Land konnte im Alleingang ein umfassendes und anspruchsvolles Weltraumprogramm realisieren, das die Entwicklung, den Bau und den Betrieb anspruchsvoller Satelliten sowie die Errichtung der notwendigen Infrastruktur einschloss - Erprobungszentren, Bodenanlagen, Bahnverfolgungsnetze usw.

Die erforderlichen Strukturen hat die ESA gemeinschaftlich geschaffen: Neben der in Paris ansässigen Hauptverwaltung unterhält sie folgende Einrichtungen:

ESTEC, das Europäische Weltraumforschungs- und Technologiezentrum in Noordwijk (Niederlande). Hier sind vor allem die technischen Forschungs- und Testeinrichtungen der ESA angesiedelt.

ESOC, das Europäische Satellitenkontrollzentrum in Darmstadt mit einem umfangreichen Netz leistungsfähiger Bodenstationen in Australien, Belgien, Französisch-Guyana, Italien, Schweden und Spanien. Das ESOC ist insbesondere für die Kontrolle der europäischen Satelliten und Raumsonden zuständig.

ESRIN, das Europäische Institut für Weltraumforschung in Frascati bei Rom (Italien). Hier sind die Direktion für Erdbeobachtung und alle zugehörigen Tätigkeiten sowie die Informationsdienste der ESA angesiedelt.

EAC, das Europäische Astronautenzentrum in Köln-Porz. Es ist seit seiner Gründung im Jahr 1989 das Ausbildungszentrum des europäischen Astronautencorps. ESAC, ist das Europäische Zentrum für Weltraumastronomie und umfasst auch die Archive von vielen wissenschaftlichen Missionen der ESA. Es befindet sich in Villafranca bei Madrid, Spanien.

CSG, Europas Raumflughafen in Kourou, Französisch-Guyana (Südamerika), wird als Start- und Testzentrum europäischer Raketensysteme (Ariane, Vega, Sojus) genutzt.

Die Personalstärke der Weltraumorganisation, die Angehörige sämtlicher Mitgliedstaaten beschäftigt, liegt bei etwa 1900 (2005). Mit den ESA-Programmen für Trägerraketen, Wissenschaft, Telekommunikation, Erdbeobachtung und bemannte Raumfahrt hat Europa nicht nur seine große Fachkompetenz unter Beweis gestellt. Sie sind wichtig zur Sicherung und zum Ausbau hochqualifizierter Arbeitsplätze. Derzeit beschäftigt die europäische Raumfahrtindustrie direkt 40 000 und indirekt 250 000 Personen.

Bilanz: 30 Jahre ESA

In den drei Jahrzehnten hat sich die ESA mit vergleichsweise bescheidenen Mitteln einen exzellenten Ruf erarbeitet. Wissenschaftsprojekte, interplanetare Missionen, Sonnenerkundung, Erdbeobachtung, Katastrophenvorhersage sowie Klima- und Umweltforschung finden auf höchstem Niveau statt. Die Erfolge der ESA beruhen auf wissenschaftlichen und technischen Höchstleistungen. Einige Beispiele sollen dies untermauern:

1. Raumtransport: Ariane als Symbol für Europa

Trotz härtester Konkurrenz aus den USA, Russland, China, Indien und Japan beherrschen die von der ESA entwickelten Ariane-Trägerraketen bis heute den kommerziellen Markt der Startdienste vor allem für Telekom-Satelliten.

2. Telekommunikation: Das „A“ und „O“ der Informationsgesellschaft

Wichtige Standards für Telekommunikationssatelliten der jetzigen Generation beruhen auf Techniken, die von der ESA entwickelt und in mehr als 80 Satelliten europäischer Hersteller eingeflossen sind – ein milliardenschwerer Wirtschaftssektor.

3. Umweltforschung: Europas Super-Späher

Bei der Überwachung des Ozonlochs, der Eiskappen, der ozeanischen Winde und Strömungen sowie anderer Faktoren, die den Gesundheitszustand unseres Planeten beeinflussen, ist die ESA weltweit führend: 1991 begann sie mit ERS 1 ein höchst erfolgreiches globales Erderkundungsprogramm, dem 1995 der weltbeste Ozonwächter ERS 2 folgte. Im Rahmen ihres Programms „Living Planet“ wird die ESA durch eine Reihe hoch spezialisierter Erderkundungsmissionen auch in Zukunft den globalen Umweltveränderungen auf der Spur bleiben.

Seit 2002 ist Envisat im Einsatz, der weltweit modernste, größte, komplexeste und anspruchsvollste Umweltsatellit. Seine zehn Instrumentensysteme erfassen die auf den Meeren und Landflächen sowie in der Atmosphäre ablaufenden Prozesse in hoher zeitlicher und räumlicher Auflösung und bieten damit alles, was sich Wissenschaftler im Einsatz des von Umweltgefahren bedrängten Heimatplaneten wünschen.

Die weltbeste Umweltforschung ist sogar bezahlbar: Envisat kostet jedem Bürger etwa eine Tasse Kaffee pro Jahr. Im Gegenzug erhält er mindestens fünf Jahre lang exakte Daten über die Umweltveränderungen: Über die globale Erwärmung, den Abbau von Ozon und den Klimawandel. Diese Daten sind als Grundlage politischer Entscheidungen dringend notwendig und überfällig. Denn die Natur ist nicht an politische Grenzen gebunden. Die Atmosphäre ist global, die Zirkulation planetar. Entwarnung kann es daher weder in Europa noch anderswo geben.

4. Meteorologie: Meteosats Wunderaugen

Seit 1977 leisten die von der ESA entwickelten geostationären Wettersatelliten einen bedeutenden Beitrag für die Wettervorhersage und für die Überwachung des globalen Klimas. Gegenwärtig sind 4 Meteosat-Satelliten der ersten und zweiten Generation über Europa, Afrika sowie über dem Indischen Ozean im Einsatz. Sie werden von Eumetsat betrieben, der zwischenstaatlichen Organisation für die Nutzung meteorologischer Daten, die vorrangig europäische Staaten versorgt.

Der Betrieb eines solchen Systems ist nicht billig. Jährlich sind etwa 50 Mill. Euro für Meteosat aufzuwenden. Dem steht aber allein in Europa ein volkswirtschaftlicher Nutzen von mindestens 140 Mill. Euro gegenüber.

Was dem europäischen Bürger als Normalität erscheint, nämlich die Versorgung mit meteorologischen Informationen in immer höherer Qualität, ist keinesfalls selbstverständlich. Selbst eine Raumfahrtmacht wie Russland, verfügt seit 2004 über keinen einzigen Wettersatelliten und ist auch auf Meteosat-Daten angewiesen.

Um den Hunger der Meteorologen nach immer umfassenderen Informationen zu stillen, entwickelte die ESA im Auftrag von Eumetsat die Meteosat-Satelliten der zweiten Generation (MSG), deren erster Vertreter 2002 gestartet wurde. MSG 1 verkörpert weltweit den modernsten Wettersatelliten mit der ausgefeiltesten Technik. Doch auch das reicht der ESA noch nicht. ESA und Eumetsat wollen in den kommenden Jahren gemeinsam die über dem Äquator stationierten Meteosat-Satelliten durch drei mit Radaraugen ausgestattete polarumlaufende Metop-Plattformen ergänzen und damit sowohl die Kurz-, Mittel- als auch die Langfristwettervorhersage wesentlich verbessern helfen.

5. Navigation und Kommunikation: Prioritäten von ESA und EU

Satellitengestützte Navigation, Information und Kommunikation stellen einen viel versprechenden Markt dar. Mit dem Aufbau des eigenständigen zivilen Satellitennavigationssystems Galileo will sich Europa in diesem Bereich aus der Abhängigkeit von den USA befreien. Das von der ESA und der EU gemeinsam entwickelte Projekt wird mit äußerst präzisen Ortungssignalen für Flugzeuge, Schiffe und Straßenfahrzeuge sämtliche Verkehrsbereiche sowie verkehrsabhängige Dienste revolutionieren. Während der ersten 15 Jahre seines Betriebes dürfte Galileo Umsätze von bis zu 90 Mrd. Euro aus dem Verkauf von Geräten und Diensten abwerfen sowie mindestens 100 000 Arbeitsplätze in Europa schaffen. Das aus 30 Satelliten bestehende System soll ab 2009 voll einsatzbereit sein.

Das zweite ESA-/EU-Flaggschiff ist GMES, die Globale Umwelt- und Sicherheitsüberwachung (Global Monitoring for Environment and Security). Mit diesem Projekt soll ein Netzwerk operationeller Satelliten für Europa aufgebaut werden, mit dem die Möglichkeiten der Erdbeobachtung für eine Vielzahl von Anwendungen in Bereichen wie Umwelt-, Verkehrs- und Entwicklungspolitik oder etwa zum Katastrophenschutz zugänglich gemacht werden.

Die dritte Schlüsselrolle für die künftige Europäische Informationsgesellschaft spielen langfristig angelegte Forschungsprogramme im Bereich der Satellitenkommunikationstechnologien.

6. Interplanetare Raumsonden

Auch im Sonnensystem hat Europa bereits seine Markenzeichen hinterlassen. Der Durchbruch kam 1986, als der ESA-Raumsonde Giotto unter allen weltweit gestarteten Sonden die kühnste Annäherung an den Halleyschen Kometen gelang.

Seit 2004 ist Europa erneut auf Kometenjagd. Erstmals wollen die Europäer auf einem Kometen landen. An einem Ort, der 4,6 Mrd. Jahre alte Urmaterie vom Beginn unseres Sonnensystems beherbergen soll. Die zehnjährige Flugreise der Rosetta-Raumsonde führt uns an die Wurzeln der Entstehung unseres Planeten. Brachten Kometen einst Wasser und Leben auf die Erde? Ab 2014 werden wir mehr erfahren, wenn Rosetta auf eine Umlaufbahn um den Kometen 67P/Tschurjumow-Gerassimenko gebracht und der Lander Philae, an dem Deutschland führend beteiligt ist, auf ihm abgesetzt wird.

Seit Dezember 2003 umkreist Europas Hightech-Sonde Mars Express den Roten Planeten. Die von den Instrumenten übermittelten Informationen halten die Forscher mit Überraschungen in Atem. Neue Hinweise auf mögliche biologische Lebensformen, Wasser an der Planetenoberfläche sowie noch tätige Vulkane beleben den uralten Streit über Leben auf dem Roten Planeten. Die neuen räumlichen Bilder vom Mars, aufgenommen von der weltbesten Kamera, haben das Wissen über unseren Nachbarplaneten bereits grundlegend verändert.

Mit der weichen Landung der Huygens-Raumsonde auf dem Saturnmond Titan am 14. Januar 2005 hat die Europäische Weltraumorganisation ihr Gesellenstück in der interplanetaren Forschung abgeliefert. Seitdem ist die ESA bei der Erforschung des Sonnensystems nicht mehr Juniorpartner anderer Raumfahrtagenturen, sie spielt fortan als Gleicher unter Gleichen in der Spitzenklasse mit.

Den nächsten Coup plant die ESA bereits Ende des Jahres. Am 26. Oktober will sie zur Venus aufbrechen, zur römischen Göttin der Liebe, und mit „Venus-Express“ die heißen Geheimnisse des Nachbarplaneten lüften.

7. Visionen: Erkundung der Tiefen des Alls

Die Wissenschaftssatelliten der ESA haben bei der Beobachtung der Sonne und ihres Einflusses auf die Erde, bei der Vermessung von Sternen aus dem Weltraum und bei der Enthüllung des Universums im Infrarot- und Röntgenlicht eine Schlüsselrolle erreicht. Die Zukunft eröffnet ein gewaltiges Potential: Rohstoffausbeute auf dem Mond und auf Asteroiden, Gewinnung von Sonnenenergie durch Solaranlagen im All, bewohnte Stationen auf anderen Himmelskörpern…

Zweifellos: Noch ist es Science fiction. Was davon Realität wird und was fiction bleibt, werden wir in den kommenden Jahrzehnten sehen. Bereits heute arbeitet die ESA an einem visionären Programm zur Erforschung des Sonnensystems mit dem Namen „Aurora“. Dabei ist auch geplant, Europäer zum Mond und zum Mars zu entsenden.

Was reizt Erdbewohner zu einem entbehrungsreichen Trip in eine eisige rostrote Wüstenwelt? Die Faszination des Unbekannten? Ihr großer Forscherdrang? Das Kennenlernen ihres Nachbarplaneten? Die uralte Sehnsucht, irgendwo im Kosmos Spuren von Leben zu entdecken? Auch wenn es sich bestenfalls um primitive Formen einer längst vergangenen Zeit handelt. Oder ist es ein Mix von alldem?

Wie auch immer. Die Zeit der großen geographischen Entdeckungen ist Stoff von Geschichtsbüchern. Menschlicher Entdeckerdrang trägt nun kosmische Dimensionen. Der bemannte Flug zum Mars ist in greifbare Nähe gerückt. Wer auch immer sich als Kolumbus dieser außerirdischen Welt in die Annalen der planetaren Weltgeschichte wird eintragen dürfen, dieser Erdenbürger lebt bereits auf unserem blauen Planeten. Und unser 30jähriges Geburtstagskind, die Europäische Raumfahrtorganisation ESA, wird mit Sicherheit ihren Anteil daran haben.

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