Der Jupitermond Europa ist ein faszinierender Himmelskörper, dessen Oberfläche weitreichende, markante rötlich-braune Risse aufweist. Diese Risse und Furchen fressen sich in eine Schicht Wassereis, von der ausgegangen wird, dass sie mindestens mehrere Kilometer dick ist und einen riesigen – potenziell habitablen – Ozean bedecken. Diese Aufnahme stammt von der NASA-Raumsonde Galileo.
Annahmen zufolge entstehen diese langen Risse in der eisigen Oberfläche, wenn Jupiter mit seiner Gravitation Europa „an sich reißt“ und das Eis dadurch splittert. Die auf der Mondoberfläche sichtbaren Farben entsprechen der jeweiligen Zusammensetzung und Größe der Eisbrocken: rötlich-braune Bereiche enthalten beispielsweise hohe Anteile nicht eisiger Substanzen, während es sich bei den blau-weißen Bereichen um relativ reines Eis handelt.
Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler wollen herausfinden, was sich unter Europas dicker Eisdecke verbirgt. Dafür müssen sie indirekt vorgehen und an der Oberfläche nach Hinweisen suchen, die vom inneren des Mondes stammen. Auf diese Weise ist eine neue Studie vorgegangen. Veröffentlicht wurde die von Forschungsstipendiat Hans Huybrighs geleitete Studie in der Fachzeitschrift Geophysical Research Letters. Die simulationsgestützte Studie baut auf früheren Magnetfeld-Untersuchungen von Galileo auf und soll herausfinden, warum die Raumsonde bei einem Vorbeiflug am Mond in dessen Nähe weniger schnelle Protonen – also subatomare, positiv geladene Teilchen – als erwartet aufgezeichnet hatte.
Die Forschenden führten dies zu Beginn noch darauf zurück, dass Europa dem Detektor im Weg gewesen war und so verhindert hatte, dass die zahlreich auftretenden Teilchen gemessen werden konnten. Huybrighs und sein Team kamen im Anschluss zu dem Ergebnis, dass der Protonenmangel auftrat, nachdem eine Schwade Wasserdampf ins All geschossen worden war. Diese Schwade durchbrach Europas dünne, fragile Atmosphäre und störte die Magnetfelder in diesem Bereich und somit auch die Dynamik und das Vorkommen energetischer Protonen im Umfeld.
Die Forschungsgemeinschaft vermutet bereits seit der Galileo-Mission, dass solche Schwaden auf Europa existieren. Ein indirekter Beweis ist aber erst im Laufe des letzten Jahrzehnts gefunden worden. Sollte es tatsächlich solche Schwaden geben, die den eisigen Mondmantel durchstoßen, könnte eine Möglichkeit bestehen, Zugang zum Ozean unter der Oberfläche zu erhalten und dessen Bestandteile zu bestimmen. Und damit die Untersuchungen durchzuführen, die bisher eine große Herausforderung dargestellt haben.
Diese aufregenden Aussichten sind von großem Interesse für die anstehende ESA-Mission JUICE. Die Raumsonde soll 2022 in den Weltraum starten und Jupiter sowie seine Eismonde erkunden. JUICE wird Ausrüstung ins All transportieren, die das direkte Entnehmen von Partikelproben aus den Wasserdampfschwaden des Mondes sowie eine entsprechende Feststellung aus der Ferne ermöglichen, um die Geheimnisse des riesigen, mysteriösen Ozeans zu entschlüsseln.
Die Raumsonde soll 2029 im Jupitersystem ankommen. Im Rahmen der Mission wird die potenzielle Habitabilität der unterirdischen Ozeane aller drei Jupitermonde Ganymed, Kallisto und Europa erkundet. Wie die oben genannte neue Studie zeigt, ist die Nachverfolgung der energetisch geladenen und neutralen Partikel am Jupitermond Europa extrem vielversprechend für die Untersuchung der Mondatmosphäre und der weiteren kosmischen Umgebung – und genau das sind die Ziele der JUICE-Mission.
Neben Oliver Witasse, JUICE-Projektwissenschaftler der ESA, nehmen weitere ESA-Forschungsstipendiatinnen und -stipendiaten als Co-Autoren der Studie teil. Darunter Lina Hadid und Oliver Lomax, ehemalige Stipendiaten des ESA-Direktorats für Wissenschaft sowie Mika Holmberg, Forschungsstipendiat des ESA-Direktorats für Technologie, Engineering und Qualität.
Die neue Studie basiert auf Daten, die während eines Galileo-Vorbeiflugs an Europa im Jahr 2000 gesammelt wurden. Das Bild setzt sich aus Messdaten zusammen, die im Rahmen des Galileo Solid-State Imaging (SSI)-Experiments während der ersten und vierzehnten Umlaufbahn des Raumfahrzeugs durch das Jupitersystem 1995 bzw. 1998 aufgenommen wurden. Diese Daten wurden erst 2014 überarbeitet. Der Abbildungsmaßstab beträgt 1,6 km/Pixel und der Nordpol des Mondes befindet sich auf der rechten Seite.