N° 15–2012: ESA erklärt Envisat-Mission für beendet
9 May 2012
Nur wenige Wochen nach dem zehnten Jahrestag von Envisat in der Umlaufbahn brach der Kontakt zu dem Satelliten am 8. April plötzlich ab. Nach intensiven Bemühungen um eine Wiederherstellung der Verbindung und der Untersuchung möglicher Ausfallszenarien wird die Mission nun für beendet erklärt.
Ein Team von Ingenieuren hat während des vergangenen Monats versucht, die Kontrolle über Envisat zurückzuerlangen, und dabei mögliche Ursachen für das Problem unter die Lupe genommen. Trotz kontinuierlicher Befehle eines weitverzweigten Netzes von Bodenstationen gab es bisher keine Reaktion des Satelliten.
Da vor dem Abbruch der Verbindung nichts auf etwaige Schäden hinwies, hat das Team Informationen aus anderen Quellen gesammelt, um zu versuchen, Klarheit über den Zustand des Satelliten zu gewinnen. Zu diesen Daten gehören Bildaufnahmen von Radarstationen am Boden und des französischen Pleiades-Satelliten.
Anhand dieser Informationen hat das Team Schritt für Schritt mögliche Ausfallszenarien ausgearbeitet. Eins dieser Szenarien ist der Ausfall des Leistungsreglers, wodurch die Telemetrie und Fernsteuerung blockiert worden wäre. Eine andere Möglichkeit ist ein Kurzschluss, durch den der Satellit in einen "abgesicherten Modus" versetzt worden wäre - einen besonderen Modus zur Gewährleistung des "Überlebens" von Envisat. Während des Übergangs in den abgesicherten Modus könnte es zu einer zweiten Anomalie gekommen sein, aufgrund der sich der Satellit nun in einem unbekannten Zwischenzustand befände.
Obgleich die Chancen, Envisat zu retten, äußerst gering sind, wird das Untersuchungsteam noch zwei Monate lang versuchen, den Kontakt wiederherzustellen, und dabei weitere mögliche Ausfallszenarien prüfen.
Die herausragenden Leistungen des Satelliten während des vergangenen Jahrzehnts haben viele zu der Annahme veranlasst, dass er noch Jahre, zumindest jedoch bis zum Start der Sentinel-Anschlussmissionen Daten liefern würde. Die Lebenszeit von Envisat war indes bereits zweimal so lang wie ursprünglich geplant, womit seine Außerbetriebnahme überfällig war.
Mit seinen zehn ausgefeilten Sensoren hat Envisat während seines zehnjährigen Betriebs die Landoberflächen der Erde, ihre Atmosphäre, ihre Ozeane und ihre Eisdecken beobachtet und überwacht und über tausend Terabyte an Daten übermittelt. Bisher wurden anhand dieser Daten schätzungsweise 2 500 wissenschaftliche Veröffentlichungen erstellt, was zur Erweiterung unses Wissens über unseren Planeten beigetragen hat.
Während dieser zehn Jahre hat Envisat den schrittweisen Rückgang des arktischen Meereises und die regelmäßige Öffnung der polaren Seewege während der Sommermonate ebenso beobachtet wie - gemeinsam mit anderen Satelliten - die weltweite Höhe des Meeresspiegels und regionale Abweichungen sowie mit einer Genauigkeit von wenigen Zehntel Grad die weltweiten Oberflächentemperaturen der Ozeane.
Jahre von Envisat-Daten haben zu einem besseren Verständnis von Ozeanströmungen und Chlorophyllkonzentrationen beigetragen. In der Atmosphäre hat der Satellit die Zunahme der Luftverschmutzung in Asien und ihre Stabilisierung in Europa und Nordamerika beobachtet und Kohlendioxid- und Methankonzentrationen gemessen. Auch die Schwankungen des Ozonlochs über der Antarktis hatte der Späher im Blick.
Über Land hat er die Geschwindigkeit von Eisströmen in der Antarktis und in Grönland kartiert. Seine Abbildungen wurden regelmäßig zur Aktualisierung der weltweiten Landnutzungskarten verwendet, was die Auswirkungen von Rodungen einschloss. Mit seinem abbildenden Radar veranschaulichte Envisat von Erdbeben und Vulkanausbrüchen verursachte Bodenbewegungen, was zur Verbesserung unseres Verständnisses von Tektonik und vulkanischen Mechanismen beigetragen hat.
Envisat hat nicht nur der Wissenschaft, sondern auch zahlreichen operationellen Diensten wie der Überwachung von Überschwemmungen und Ölteppichen entscheidende Erdbeobachtungsdaten geliefert. Mit den von ihm übermittelten Informationen konnten Zivilschutzbehörden bei der Bewältigung von Natur- und menschengemachten Katastrophen unterstützt werden.
Schließlich hat Envisat die Dienste im Rahmen von Europas Programm für die globale Umwelt- und Sicherheitsüberwachung (GMES) mit wertvollen Daten gespeist und so der nächsten Satellitengeneration den Weg geebnet.
Mit dem Ende der Mission wird der Start der GMES-Sentinel-Satelliten im Hinblick auf die Sicherstellung eines kontinuierlichen Datenstroms für die Nutzer, ein verbessertes Umweltmanagement, das Verständnis und die Eindämmung der Auswirkungen des Klimawandels und die Gewährleistung der zivilen Sicherheit umso dringlicher.
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