Nahe Begegnung mit einem geheimnisvollen Mond
1877 entdeckte der US-amerikanische Astronom Asaph Hall zwei kleine um den Planeten Mars kreisende Monde, die später Phobos und Deimos getauft wurden, nach den griechischen Worten für „Angst“ und „Panik“.
Statt Angst und Panik kennzeichneten Spannung und Neugierde die Nahbegegnung der ESA-Raumsonde Mars Express mit Phobos; auch wenn diese im Vorfeld von Halloween dieses Jahres stattfand. Der jüngste Vorbeiflug an dem größeren Marsmond bot die perfekte Gelegenheit, eine der neuesten Verbesserungen der 19 Jahre alten Raumsonde zu testen.
Das MARSIS-Instrument auf Mars Express war ursprünglich für die Untersuchung der inneren Struktur des Mars konzipiert. Daher wurde es für den Einsatz in der typischen Entfernung zwischen der Raumsonde und der Planetenoberfläche konzipiert; immerhin mehr als 250 km.
Das kürzlich durchgeführte, umfangreiche Softwareupgrade ermöglicht jedoch einen Einsatz in viel geringerer Entfernung und könnte dazu beitragen, mehr über die geheimnisvolle Herkunft des Mondes Phobos zu erfahren.
„Während dieses Vorbeiflugs haben wir MARSIS benutzt, um Phobos aus einer Entfernung von bis zu 83 km zu untersuchen”, sagt Andrea Cicchetti vom MARSIS-Team der INAF. „Aus der Nähe können wir seine Struktur genauer studieren und wichtige Merkmale erkennen, die wir aus größerer Entfernung nie hätten sehen können. Wir sind zuversichtlich, dass wir MARSIS in Zukunft aus einer Entfernung von weniger als 40 km einsetzen können. Die Umlaufbahn von Mars Express wurde so abgestimmt, dass wir während einer Handvoll Vorbeiflüge zwischen 2023 und 2025 so nah wie möglich an Phobos herankommen. Dies bietet uns zahlreiche Gelegenheiten, daran zu arbeiten.“
„Wir wussten nicht, ob das möglich war”, sagt Simon Wood (Mars Express Flight Controller im Europäischen Raumflugkontrollzentrum ESOC), der für das Hochladen der neuen Software auf die ESA-Raumsonde verantwortlich war. „Das Team testete verschiedene Varianten der Software und lud die letzten, erfolgreichen Änderungen nur wenige Stunden vor dem Vorbeiflug auf die Raumsonde hoch.“
Geheimnisvolle Ursprünge
MARSIS wurde durch seine Rolle bei der Entdeckung von Anzeichen für flüssiges Wasser auf dem Roten Planeten bekannt. Das Instrument sendet mit seiner 40 Meter langen Antenne Niederfrequenz-Radiowellen in Richtung Mars oder Phobos.
Die meisten dieser Wellen werden von der Oberfläche reflektiert, aber einige durchdringen sie und werden an den Grenzen zwischen den verschiedenen Materialschichten unterhalb der Oberfläche reflektiert.
Durch die Untersuchung der reflektierten Signale können die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler die Struktur unter der Oberfläche abbilden und Eigenschaften wie die Dicke und Zusammensetzung des Materials untersuchen.
Auf dem Mars könnten so verschiedene Schichten aus Eis, Boden, Gestein oder Wasser sichtbar werden. Aber die innere Struktur von Phobos ist eher ein Rätsel, und die Aufrüstung von MARSIS könnte wichtige Erkenntnisse bringen.
„Ob die beiden kleinen Monde des Mars eingefangene Asteroiden sind oder aus Material bestehen, das bei einer Kollision vom Mars gerissen wurde, ist eine offene Frage”, sagt der ESA-Wissenschaftler Colin Wilson von Mars Express. „Ihr Aussehen deutet darauf hin, dass es sich um Asteroiden handelt, aber die Art und Weise, wie sie den Mars umkreisen, deutet wohl auf etwas anderes hin.”
„Wir befinden uns noch in einem frühen Stadium unserer Analyse”, sagt Cicchetti. „Aber wir haben bereits mögliche Anzeichen für bisher unbekannte Merkmale unter der Mondoberfläche gesehen. Wir sind gespannt auf die Rolle, die MARSIS bei der endgültigen Lösung des Rätsels um die Herkunft von Phobos spielen könnte.”
Was zeigt dieses Bild?
Das Bild oben rechts zeigt das „Radargramm”, das MARSIS beim Vorbeiflug an Phobos am 23. September 2022 aufgenommen hat. Ein Radargramm zeigt die „Echos”, die entstehen, wenn das von MARSIS ausgesendete Funksignal an etwas abprallt und zum Instrument zurückkehrt. Je heller das Signal ist, desto stärker ist das Echo.
Die durchgehende helle Linie zeigt das Echo von der Mondoberfläche. Bei den unteren Reflexionen handelt es sich entweder um „Störungen”, die durch Merkmale auf der Mondoberfläche (b) verursacht werden, oder, was noch interessanter ist, um Anzeichen möglicher struktureller Merkmale unterhalb der Oberfläche (e).
„Abschnitt A–C wurde mit einer älteren Konfiguration der MARSIS-Software aufgezeichnet”, sagt Carlo Nenna, MARSIS-Bord-Softwareingenieur bei Enginium, der das Upgrade durchführt. „Die neue Konfiguration wurde während der 'technischen Lücke' vorbereitet und von D–F zum ersten Mal erfolgreich eingesetzt.”
Das linke und das rechte untere Bild zeigen den Weg der Beobachtung über die Oberfläche von Phobos.
MARSIS wird von der Istituto Nazionale di Astrofisica italienischen Raumfahrtbehörde (INAF) betrieben und von der italienischen Raumfahrtbehörde (ASI) finanziert.
Künftige Erforschung von Phobos
Die ESA und ihre Mitgliedstaaten beteiligen sich an der bevorstehenden Mission Marsmonde eXploration (MMX), die auf Phobos landen und eine Probe seiner Oberflächenmaterialien zur Erde zurückbringen soll. Die MMX-Mission unter der Leitung der japanischen Raumfahrtagentur (JAXA) soll 2024 starten und ihre Proben 2029 zur Erde zurückbringen. Die Instrumente an Bord von Mars Express waren entscheidend für die detaillierte Untersuchung von Phobos, die zur Vorbereitung der MMX-Mission notwendig war.