Aus dem All zur Ärzte-WM
Vom 10. bis 17. Juli 2004 finden in Garmisch-Partenkirchen die 25. Sportweltspiele der Medizin und Gesundheit statt. Auch die Europäische Weltraumorganisationr ESA ist eingeladen, wenn Mediziner aus aller Welt in der Hauptstadt des Wintersports um die Weltmeisterschaft ringen. Eben erst aus dem All zurückgekehrt, wird der ESA-Astronaut und Mediziner André Kuipers am 15. Juli in Garmisch einen Vortrag über den Nutzen der Weltraumforschung für die Medizin halten.
Seit ihrer Geburtsstunde im Jahr 1978 haben sich die Sportweltspiele der Medizin und Gesundheit als die maßgebliche Sportveranstaltung in Medizinerkreisen etabliert. In diesem Jahr findet die „Ärzte-WM“ zum ersten Mal in Deutschland statt. Rund 4000 Athleten aus allen Medizin- und Gesundheitsberufen werden vom 10. bis 17. Juli 2004 am Fuße der Zugspitze um Titel und Medaillen kämpfen.
Jubiläum im Alpenglühn
Nach so mondänen Austragungsorten wie Paris, Cannes, Nizza oder Monte-Carlo feiert die Ärzte-WM in diesem Jahr am Rande der bayerischen Alpen ihr 25-jähriges Bestehen. In Garmisch-Partenkirchen werden Ärzte, Zahnärzte, Pharmazeuten und Angehörige anderer medizinischer Berufe aus rund 50 Ländern in insgesamt 25 Sportarten ihr Bestes geben. Allein 40 Fußballmannschaften treten an, um den Titel zu erringen. Und zum ersten Mal überhaupt sind auch Studenten ab dem ersten Semester zu den Wettkämpfen zugelassen. Neben der sportlichen Herausforderung bieten die Weltspiele den Teilnehmern die Möglichkeit, Berufskollegen kennen zu lernen, gemeinsame Interessen zu entdecken und internationale Kontakte zu pflegen.
Einer der Hauptinitiatoren der Spiele in Garmisch ist der Internist und Sportmediziner Günter Steinebach. Er hat selbst an vier Weltmeisterschaften teilgenommen und im Speerwurf sogar einen Weltmeistertitel nach Hause geholt.
Hochkarätiges Fachsymposium mit ESA-Beteiligung
Steinebach ist zudem Vorsitzender des internationalen Fachsymposiums für Medizin, das parallel zu den Wettkämpfen stattfindet. Diesjähriger Schwerpunkt der wissenschaftlichen Vortrags- und Diskussionsreihen ist das Thema „Sport und Gesundheit“. Neben Beiträgen von Medizinern aus aller Welt steht in diesem Jahr ein besonderes Bonbon auf dem Programm: Der Vortrag eines waschechten Wissenschaftsastronauten. „Wir freuen uns, dass die ESA André Kuipers schickt, der ja selbst erfahrener Mediziner ist“, freut sich Steinebach. „Im Rahmen einer Sonderveranstaltung hält Herr Kuipers am 15. Juli einen Vortrag über Nutzen und Chancen der Forschung im All für die terrestrische Medizin. Außerdem zeigen wir einen Film über die Internationale Raumstation ISS. Ich wollte die Raumfahrtmediziner in die Veranstaltung einbeziehen, weil sie fruchtbare Impulse auch für die klinische Praxis liefern.“ Der Zeitpunkt für einen Vortrag von André Kuipers ist gut gewählt. Schließlich ist der ESA-Astronaut erst vor gut zwei Monaten von einem Flug zur ISS zurückgekehrt, hat also brandneue Weltraum-Erfahrungen im Gepäck.
Erkenntnisse aus dem All für die klinische Praxis
Dr. André Kuipers ist seit 1999 Mitglied des Europäischen Astronautenkorps der ESA. Im Rahmen der DELTA-Mission flog er mit Sojus TMA 4 am 19. April 2004 – gemeinsam mit dem Russen Gennadi Padalka und dem Amerikaner Michael Fincke – als erster Niederländer zur Internationalen Raumstation ISS. Nach dem Wachwechsel im Orbit ging es für ihn mit der alten ISS-Crew am 30. April 2004 wieder zurück zur Erde.
Während seines elftägigen Aufenthalts im All führte Kuipers auch Experimente in den Bereichen Mikrobiologie, Biologie und Humanphysiologie durch. Im Rahmen des Experiments CIRCA beispielsweise wurden über 24 Stunden hinweg Puls und Blutdruck von Astronauten beobachtet, um Erkenntnisse über die Herz-Kreislauf-Funktion in der Schwerelosigkeit zu gewinnen. Die Ergebnisse können auch für Patienten mit Herz-Kreislauf-Störungen auf der Erde klinisch relevant sein.
Das Experiment HEART untersuchte, wie die Mechanismen aussehen, die im menschlichen Körper den Blutdruck steuern. Die Ergebnisse können helfen, auf der Erde Patienten mit Schwindelzuständen zu behandeln. Und das Experiment MUSCLE ging dem Phänomen der Rückenschmerzen nach, über die viele Astronauten klagen. Die Schmerzen hängen offenbar mit dem verminderten Muskeltonus durch Minderbelastung in der Schwerelosigkeit zusammen. Die dazu von Kuipers erhobenen Daten werden mit Daten aus der Berliner Bettruhestudie verglichen. Bei dieser Studie wurde der Muskel- und Knochenschwund unter simulierter Schwerelosigkeit beobachtet und ein gezieltes Training zur Bekämpfung diese Atrophien entwickelt. Derartige Erkenntnisse und Trainingsmethoden nützen nicht nur den Astronauten, sie können auch den Millionen von Patienten helfen, die unter der Volkskrankheit Knochenschwund leiden. „Gerade im Bereich der Osteoporose- und der Herz-Kreislauf-Forschung verdanken wir der Weltraummedizin wichtige Anstöße“, so Günter Steinebach.
Aber nicht nur als Mediziner, sondern auch als Sportsmann freut sich Steinebach über die Visite von André Kuipers im malerischen Garmisch-Partenkirchen. „Genau genommen sind Astronauten ja auch Sportler. Auch sie werden für extreme körperliche Beanspruchung trainiert und vorbereitet.“