Europäischer Studentensatellit startklar
Unter Federführung der Europäischen Weltraumorganisation ESA haben Studenten aus 12 Ländern in nur einem Jahr den Satelliten SSETI-Express gebaut. Am 25. August soll er vom russischen Kosmodrom Plessezk seine Reise ins All antreten.
SSETI hat nichts mit Außerirdischen zu tun. Hinter dem Kürzel verbirgt sich eine europäische Weltraumausbildungs- und -technologieinitiative für Studenten (Student Space Exploration & Technology Initiative). SSETI-Express ist ihr erstes flugfähiges Satellitenprodukt. 12 Länder sind daran beteiligt: Deutschland, Österreich, Schweiz, die Niederlande, Dänemark, Italien, Frankreich, Portugal, Polen, Spanien, Großbritannien und Norwegen.
Der Startschuss für den Bau von SSETI-Express fiel Ende Januar 2004 bei einem Workshop im ESA-Weltraumtechnologiezentrum ESTEC. Bereits im Herbst desselben Jahres stand der 60 x 60 x 70 cm große Satellit in einem Reinraum des ESTEC. Dort wurden die Subsysteme und Komponenten integriert, die aus allen Teilen Europas beim ESTEC eingingen.
Anschließend ging es in die dortigen Testanlagen, wo der fertige Studentensatellit auf Weltraumtauglichkeit geprüft wurde. Auf dem Programm standen dabei Hitze- und Kältetests im Vakuum, Rütteltests sowie Radioemissionstests. Anfang Mai konnten die ESA-Ingenieure und die beteiligten Studenten dann vermelden: SSETI-Express startklar.
In diesen Tagen wird nun der Satellit zum nordrussischen Kosmodrom Plessezk gebracht. Nach weiteren Tests beginnen die Integrationsarbeiten des 62 Kilogramm schweren studentischen Raumflugkörpers. Er soll, gemeinsam mit zwei britischen Satelliten, mit einer Trägerrakete vom Typ Kosmos-3M am 25. August gestartet werden.
Paneuropäischer Patchwork-Satellit
SSETI-Express ist ein waschechtes paneuropäisches Raumfahrzeug. „Die Hauptsstruktur, d.h. das gesamte Gehäuse des Satelliten, wurde in Portugal geplant und an der Universität Dortmund gefertigt“, erläutert Lars Mehnen von der TU Wien, der auch Vizepräsident der SSETI-Association ist. Die TU Wien hat Teile der Hauptkommunikationseinrichtung des Satelliten hergestellt. Die Solarzellen stammen aus Frankreich. Ein Team aus Neapel hat das Stromversorgungssystem gebaut. Bordcomputer und Bordkamera kommen ebenso wie das innovative Fluglagebestimmungssystem aus Dänemark.
An Bord befindet sich außerdem ein Kaltgas-Antriebssystem, das Studenten der Universität Stuttgart entwickelt haben. „Die Jungs aus Stuttgart waren bei der SSETI-Initiative von Anfang an dabei“, erinnert sich Lars Mehnen. „Der Gasantrieb, den sie entwickelt haben, soll bei späteren Missionen durch ein stärkeres System ersetzt werden“.
Missionsziel: Learning by doing
Die SSETI-Express-Mission wird vor allem als Beleg dafür dienen, dass ein europaweites Studentennetzwerk in der Lage ist, weltraumtaugliche Satelliten herzustellen. Außerdem soll der auf einer kreisförmigen polaren Umlaufbahn in 685 Kilometer Höhe operierende Satellit Bilder der Erdoberfläche anfertigen sowie als Versuchsträger die integrierte Hard- und Software der Folgemission SSETI-ESEO (European Student Earth Orbiter) testen.
Darüber hinaus treten im Inneren des SSETI-Express-Raumflugkörpers drei „CubeSat“-Kleinstsatelliten die Reise ins All an. Die drei Winzlinge entstanden zwar nicht im Rahmen der SSETI-Initiative, wurden aber ebenfalls von Studenten entwickelt. „Rechtlich gesehen gehören die CubeSats tatsächlich zum SSETI-Express, sie wurden aber von eigenen Gruppen gebaut“, präzisiert Lars Mehnen.
Im Orbit angekommen, setzt SSETI-Express die drei 10 Zentimeter großen Würfelsatelliten nacheinander aus. Neben einem norwegischen und einem japanischen ist mit „UWE-1“ (University of Würzburgs Experimental Satellite 1) auch ein kaum milchtütengroßer Satellitenzwerg aus Deutschland dabei. Der an der Universität Würzburg entwickelte Testsatellit dient dazu, die gängigen Internet-Protokolle (TCP/IP) für den Einsatz bei Weltraummissionen zu qualifizieren.
Nach einer nominellen Missionszeit von etwa einem Monat wird SSETI-EXPRESS sein zweites Leben als Funk-Transponder für Amateurfunker beginnen und solange der Fangemeinde treue Dienste leisten, bis die Gravitationsgesetze ihn in der Erdatmosphäre verglühen lassen.
Elektronische Studentenkooperation via TU Wien
SSETI-Express ist ein Ergebnis der SSETI-Ausbildungsinitiative für Studenten, die die Bildungsabteilung der ESA im Jahr 2000 ins Leben gerufen hat. SSETI soll Studenten anspornen, sich durch Entwicklung, Bau, Start und Betrieb von Mikrosatelliten mit dem Weltraum und dessen technischen Anforderungen vertraut zu machen.
Unter dem Motto „Let’s launch a dream!“ entwickeln vernetzt arbeitende studentische Teams an vielen europäischen Universitäten Komponenten und Subsysteme für gemeinsame europäische Raumfahrzeuge. Die Teams werden bei ihrer Arbeit von Experten der ESA unterstützt. SSETI hat sich zu einem echten Fördernetzwerk für alle studentischen Weltraumaktivitäten in Europa entwickelt, das es auch kleinen Universitäten ermöglicht, an Hightech-Projekten teilzunehmen.
Die Studentengruppen an den verschiedenen Universitäten kommunizieren und kooperieren in erster Linie via Internet. Die TU Wien übernimmt dabei eine entscheidende Rolle. An der TU Wien stehen die zentralen SSETI-Server, was Wien zum elektronischen Dreh- und Angelpunkt der europaweiten Kommunikation macht. Der Informationsaustausch erfolgt durch einen zentralen Nachrichtenserver, durch wöchentliche Internet Relay Chats (IRCs) sowie über die SSETI-Website. Persönliche Treffen sind eher die Ausnahme, aber die Vertreter der Teams kommen in der Regel alle sechs Monate zu einem Workshop im ESTEC zusammen.
Fahrplan für die Zukunft
SSETI-Express bereitet den Boden für eine zweite, komplexere Studentensatelliten-Mission namens SSETI-ESEO. Der etwa 100 Kilogramm schwere Raumflugkörper soll voraussichtlich 2007 mit einer Ariane 5 ins All gebracht und im geostationären Orbit in 36 000 Kilometern Höhe positioniert werden. Geplant sind außerdem ein europäischer Studenten-Mondorbiter (ESMO) sowie ein Mondrover (ESMR). Aber auch ein Marsorbiter aus Studentenhand ist bald nicht mehr nur Zukunftsmusik. Wie heißt doch ihr Moto: „Let’s launch a dream!“