Gaia entdeckt erste Supernova
Beim Scannen des Himmels zur Messung der Position und Bewegung von Sternen in unserer Galaxie entdeckte Gaia ihre erste stellare Explosion in einer anderen weit entfernten Galaxie.
Dieses gewaltige Ereignis, das nun die Bezeichnung Gaia14aaa hat, fand in einer Galaxie in etwa 500 Millionen Lichtjahren Entfernung statt. Die Supernova zeigte sich durch einen plötzlichen Anstieg in der Helligkeit der Galaxie zwischen zwei Beobachtungen durch Gaia im Abstand von einem Monat.
Gaia, die am 25. Juli ihre wissenschaftliche Arbeit aufgenommen hat, durchmustert wiederholt den gesamten Himmel, sodass in den nächsten fünf Jahren jeder der ca. eine Milliarde Sternen im finalen Sternenkatalog durchschnittlich 70 Mal erfasst wird.
„Diese Art wiederholter Durchmusterung eignet sich hervorragend für die Untersuchung der Wandelbarkeit des Himmels“, erklärt Simon Hodgkin von Institute of Astronomy in Cambridge.
Viele astronomische Quellen sind variabel: Einige weisen ein regelmäßiges Muster mit einer periodisch zunehmenden und abklingenden Helligkeit auf, während andere plötzlichen und dramatischen Veränderungen unterworfen sind.
„Während Gaia jeden Teil des Himmels immer wieder durchmustert, haben wir die Möglichkeit, Tausende von ,Gaststernen‘ am Sternenhimmel zu entdecken“, erläutert Dr. Hodgkin weiter. „Diese vorübergehenden Quellen können als Wegweiser zu den gewaltigsten Phänomenen des Universums, wie dieser Supernova, dienen.“
Dr. Hodgkin ist Mitglied des Science Alert Teams von Gaia. Diesem gehören Astronomen von der Universität Cambridge und der Universität Warschau an, die die Scans nach unerwarteten Veränderungen durchsuchen.
Schon bald fanden sie die erste „Anomalie“ in Form einer plötzlichen Lichtspitze aus einer entfernten Galaxie, die am 30. August entdeckt wurde. Dieselbe Galaxie erschien viel dunkler, als Gaia sie nur einen Monat zuvor erstmals untersuchte.
„Wir hatten sofort den Verdacht, es könnte sich um eine Supernova handeln, benötigten jedoch noch weitere Hinweise, um die Vermutung zu bestätigen“, so Łukasz Wyrzykowski vom Astronomischen Observatorium der Universität Warschau.
Auch andere gewaltige kosmische Ereignisse können einer Supernova in einer entfernten Galaxie ähneln, z. B. Ausbrüche, die durch das supermassereiche Schwarze Loch in der Mitte der Galaxie verursacht werden, das Materie verschlingt.
Jedoch befand sich der helle Lichtfleck bei Gaia14aaa ein wenig entfernt vom Kern der Galaxie. Dies könnte ein Hinweis dafür sein, dass eventuell kein Zusammenhang mit dem zentralen Schwarzen Loch bestand.
Deshalb suchten die Astronomen im Licht dieser neuen Quelle nach weiteren Informationen. Neben der Positionsbestimmung und Helligkeit von Sternen und Galaxien teilt Gaia das erfasste Licht auf, wodurch ein Spektrum entsteht. Genauer gesagt verwendet Gaia zwei Prismen über die roten und blauen Wellenlängen, um ein niedrigauflösendes Spektrum zu erzeugen, mit dem die Astronomen nach Signaturen der verschiedenen chemischen Elemente in dieser Lichtquelle suchen können.
„Im Spektrum dieser Quelle erkannten wir bereits Spuren von Eisen und weiteren Elemente, die bekanntermaßen in Supernovae zu finden sind“, erklärt Nadejda Blagorodnova, Doktorandin am Institute of Astronomy in Cambridge.
Darüber hinaus erscheint der blaue Teil des Spektrums erheblich heller als der rote Teil, was typisch für eine Supernova ist. Dabei handelt es sich nicht um irgendeine Supernova: Die Astronomen vermuteten bereits, dass es sich um eine Supernova vom ‘Typ Ia’ handeln könnte – die Explosion eines Weißen Zwergs, der in Doppelsternsystem eingeschlossen ist.
Während andere Arten von Supernovae das explosive Sterben massereicher Sterne verkörpern, die um ein Vielfaches massereicher sind als die Sonne, sind Supernovae vom Typ Ia das Ergebnis ihrer weniger massereichen Pendants.
Massearme Sterne mit einer ähnlichen Masse wie die Sonne enden eher unspektakulär. Sie stoßen ihre äußere Hülle ab und hinterlassen einen kompakten Weißen Zwerg. Aufgrund ihrer hohen Dichte können Weiße Zwerge eine starke Anziehungskraft auf einen Begleitstern ausüben und sammeln Masse von ihm an, bis der Weiße Zwerg eine kritische Masse erreicht hat und eine heftige Explosion auslöst.
Um den Typ dieser Supernova zu bestätigen, ergänzten die Astronomen die Daten von Gaia mit weiteren Beobachtungen von der Erde, die vom Newton-Teleskop (INT) und dem robotischen Liverpool Telescope in La Palma auf den Kanarischen Inseln stammten.
Ein am 3. September mit dem INT aufgenommenes hochauflösendes Spektrum bestätigte nicht nur, dass die Explosion einer Supernova vom Typ Ia entsprach, sondern lieferte zudem eine Schätzung ihrer Entfernung. Dies war der Beweis dafür, dass die Supernova in der Galaxie stattfand, in der sie beobachtet wurde.
„Dies ist die erste Supernova in einer langen Reihe von Entdeckungen, die wir von Gaia erwarten“, so Timo Prusti, ESA-Projektwissenschaftler für Gaia.
Supernovas sind sehr selten: In herkömmlichen Galaxien finden innerhalb eines Jahrhunderts nur sehr wenige Explosionen dieser Art statt. Doch angesichts der Hunderte Milliarden von Galaxien, die das Universum bevölkern, finden sie über den gesamten Himmel gesehen nicht allzu selten statt.
Die Astronomen im Science Alert Team befassen sich aktuell mit den erfassten Daten und testen und optimieren dabei ihre Entdeckungssoftware. Sie erwarten, dass Gaia in ein paar Monaten etwa drei neue Supernovae pro Tag entdecken wird.
Neben den Supernovae wird Gaia Tausende transiente Quellen anderer Art entdecken – Sternenexplosionen in kleinerem Umfang als Supernovae, Eruptionen von jungen neugeborenen Sternen, Ausbrüche von Schwarzen Löchern, die aufbrechen und einen Begleitstern verschlingen, sowie möglicherweise völlig neue Phänomene, die bislang unbekannt sind.
„Der Himmel ist überzogen mit besonderen Lichtquellen und wir freuen uns darauf, in den kommenden Jahren viele davon mit Gaia zu untersuchen“, schließt Dr. Prusti.
Weitere Informationen
Einzelheiten zu den Science Alerts von Gaia finden Sie unter Hinweise für Redakteure (Auf Englisch).
Für weitere Informationen wenden Sie sich bitte an:
Markus Bauer
ESA Science and Robotic Exploration Communication Officer
Tel: +31 71 565 6799
Mob: +31 61 594 3 954
E-Mail: markus.bauer@esa.int
Timo Prusti
Gaia Projektwissenschaftler
Simon Hodgkin
Institute of Astronomy
Cambridge, UK
Tel: +44 1223 766657
Lukasz Wyrzykowski
Astronomisches Observatorium der Universität Warschau
Warschau, Polen
Tel: +48 608 648817
E-Mail: lw@astrouw.edu.pl
Nadejda Blagorodnova
Institute of Astronomy
Cambridge, UK
Tel: +44 1223 337548