Raketenexplosion bietet seltene Gelegenheit zur Untersuchung von Trümmerbildung
Die ausgediente Oberstufe einer vor fast 10 Jahren gestarteten Rakete ist kürzlich explodiert.
„Dieses Fragmentierungsereignis erzeugte eine Trümmerwolke, die Raumfahrtexperten die seltene Gelegenheit bietet, ihr Verständnis dieser wichtigen Prozesse zu überprüfen“, erklärt Tim Flohrer, Experte für die Beobachtung und Katalogisierung von Weltraumobjekten bei der ESA.
Hauptgrund für Weltraumtrümmer: Fragmentierungsereignisse
Solche Fragmentierungsereignisse, die entweder durch Explosionen oder Kollisionen verursacht werden, sind die Hauptursache für Weltraumtrümmer, die wenige Millimeter oder mehrere zehn Zentimeter groß sein können. Der mit hoher Geschwindigkeit durch das All rasende Technologieschrott stellt eine Bedrohung für die Weltrauminfrastruktur dar, wie z.B. für Satelliten, die Wetter- und Navigationsdienste anbieten und für sogar Astronauten auf der ISS.
Deimos Sky Survey in Spanien zeichnete ein Video auf, der einen Strom von neu entstandenen Trümmerobjekten zeigt, die über den Himmel rasen.
Im Video ist zudem eine Reihe kleiner punktförmiger Fragmente zu sehen, die horizontal über das Bild laufen. Während das Observatorium den Trümmerobjekten folgt, sind die Sterne im Hintergrund als weiße Streifen zu sehen.
Aus der Oberstufe einer im September 2009 gestarteten Rakete ist ein Überrest als größter und hellster Punkt in der Mitte von etwa 40-60 kleineren Stücken, die größer als 30 cm sind, deutlich zu erkennen.
Ursprünglich handelt es sich bei diesem großen, fast zylindrischen Objekt um eine Atlas V Centaur Oberstufe mit einer Länge von etwa 12,5 Metern und einem Durchmesser von drei Metern bei einem Gewicht von mehr als zwei Tonnen.
Nach dem internationalen Code 2009-047B befand sich diese ausgediente Rakete seit knapp einem Jahrzehnt in einer exzentrischen Umlaufbahn um unseren Planeten. Die Rakete war an ihrem entferntesten Punkt bis zu 34.700 km und am nächsten Punkt nur 6.675 km von der Erde entfernt.
Aus noch unbekannten Gründen zerfiel der Raketenkörper irgendwann zwischen dem 23. und 25. März zu Trümmern.
Internationale Bemühungen
Während einer Sitzung der Internationalen Akademie der Astronautik (IAA) am 26. März traf sich das Space Debris Team der ESA mit Kollegen aus Russland, von denen die internationale Gemeinschaft über die am Himmel entdeckten Fragmente informiert wurden.
Nur wenige Stunden später leitete das Observatorium Zimmerwald in der Schweiz die sofortige Beobachtung der Trümmerwolke in die Wege und erhielt bis zum 26. März erste Aufnahmen.
Die Animation links zeigt die ersten Aufnahmen des 80cm-Teleskops ZimMAIN, das der Schrottwolke folgte. Zu sehen sind mehrere kleine Punkte, die jeweils ein Fragment von mehr als zehn Zentimetern Größe darstellen, wobei auch hier die Sterne im Hintergrund als lange Streifen erscheinen.
Wenig später erfolgte die Deimos Sky Survey mit Beobachtungen des Ereignisses vom 26. bis 28. März (Leitanimation in diesem Artikel) mit dem optischen Sensor „Antsy“ in Spanien, der zur Verfolgung von Objekten im erdnahen Orbit verwendet wird.
Während das Observatorium Zimmerwald die Wolke weiterhin in enger Zusammenarbeit mit russischen und ESA-Experten beobachtet, beteiligte sich das 1-Meter-Teleskop der ESA an der Optischen Bodenstation im spanischen Teneriffa ebenfalls an der Beobachtungskampagne und entdeckte eine große Anzahl von Fragmenten mit einer Größe von nur 10-20 cm.
Chaos gestalten
Die ESA beobachtet solche Ereignisse und hält die internationale Gemeinschaft durch ihre öffentliche Datenbank auf dem Laufenden. So können Forscher Muster finden und Abhilfestrategien für Raumfahrzeuge in den unterschiedlichsten Formen, Größen und Bahnen entwickeln. Die Datenbank ermöglicht Betreibern von Satelliten und Raumfahrzeugen, das sich ändernde Risiko für ihre Missionen durch spezifische Fragmentierungsereignisse zu bestimmen.
Sobald solche Ereignisse erkannt und beobachtet wurden, werden sie in „Weltraummüllmodelle“ aufgenommen. Dies ermöglicht den Teams, die Fragmentierung von realen Trümmern mit Prognosen zu vergleichen - eine seltene, aber wichtige Gelegenheit, um Modelle zu validieren oder bei Bedarf anzupassen.
Modelle über die Umgebung von Weltraummüll ermöglichen der ESA, Raumfahrzeuge zu entwerfen, die dem Aufprall kleinerer Objekte standhalten und Systeme zu entwickeln, um Kollisionen zu vermeiden. Ausgehend von diesen Modellen kann nicht nur die gegenwärtige, sondern auch die künftige Weltraummüllumgebung prognostiziert werden. Dies ist entscheidend für die Entwicklung effizienter Richtlinien zur Reduzierung von Weltraummüll.
Die internationale Zusammenarbeit ist für den Austausch von Daten und Modellen unerlässlich und erfolgt über das Inter-Agency Space Debris Coordination Committee, ein Forum, in dem alle wichtigen europäischen und internationalen Weltraumorganisationen vertreten sind.
„Dieses Beispiel zeigt, dass die internationale Zusammenarbeit unerlässlich ist, wenn wir schnell auf Trümmerereignisse reagieren wollen“, erklärt Holger Krag, Leiter des Space Safety Office der ESA.
„Vorfälle wie diese sind selten, daher bieten derart umfangreiche Beobachtungen und Daten aus der ganzen Welt eine einzigartige Gelegenheit, die von Menschen geschaffene Weltraumumgebung, in der unsere ausgedienten Satelliten kreisen, besser zu verstehen.“
Hier erfahren Sie mehr über die Aktivitäten der ESA im Bereich der Weltraumsicherheit sowie die Arbeit der Büros für planetare Verteidigung und Weltraumwetter.