#Sentinel2Go –Launch Event: Raumfahrt zum Anfassen & Mitdiskutieren
Erstmals hat die ESA zu einem Social Media Launch Event ins Satellitenkontrollzentrum ESOC in Darmstadt eingeladen. Rund 100 internationale Blogger, Tweeter oder Facebooker berichteten, neben 200 weiteren Gästen, live über den Start des Erdbeobachtungssatelliten Sentinel-2B. Unter #Sentinel2Go versandten die „Spacetweeps“, wie sich die bunte Gemeinde nennt, in der Nacht von Montag auf Dienstag über 15400 Tweets und erreichte 20 Millionen Menschen weltweit.
„Been awake for a total of 24 hours …feeling amazing! - Ich bin seit 24 Stunden wach … fühle mich toll!“, schreibt Tara Foster. Die blonde Australierin ist nicht zu bremsen. „Ich bin ein Space-Cheerleader“, lacht sie, postet schon das nächste Foto und tippt den nächsten Tweet ins Handy. Tara ist extra aus Sydney eingeflogen. Sie ist nicht nur die am weitesten gereiste Social Media Schreiberin in dieser Nacht im ESOC, sie ist auch die emsigste. Bis Dienstagmorgen verschickt die 36-Jährige unter „Taraustralis“ 228 Tweets an ihre Follower – so viel wie kaum sonst jemand der Blogger-, Twitter-, facebook- oder Instagram-Gemeinde.
Rund 100 junge Frauen und Männer sind gekommen, um den Start des Zwillings-Satelliten Sentinel-2B, live mit zu verfolgen und zu kommentieren. Sie sind aus den USA angereist, aus England, Polen, Kanada, Frankreich, Italien, stammen aus Bangladesch, Israel, Spanien oder Griechenland. Sie nennen sich Weatherboy, Cosmic Carol, SpaceHolgar oder Astrozwerge. Eine internationale Gemeinde von Weltraum-Fans, die das Pressezentrum im ESOC mit Laptops, Tablets, Handys und ausgelassener Stimmung kapern.
#Sentinel2Go ist anders - social, informell & interaktiv
Alles ist in dieser Nacht anders als gewohnt. Im Konferenzzentrum im ESOC herrscht bei großen Launch-Veranstaltungen sonst konzentrierte Andacht. Moderatoren, Wissenschaftler, Industrie-Experten und VIP-Gäste diskutieren eher frontal auf einer Bühne über neueste Missionen, Anwendungen und den erhofften Erkenntnisgewinn.
Diesmal jedoch gibt es gleich mehrere Bühnen und vier interaktive Themenecken, die Kurz-Interviews mit Experten, Diskussionen mit Start-up Chefs, Live-Schaltungen in den Kontrollraum in Darmstadt oder zum Weltraum-Bahnhof in Kourou bieten. An einem langen Tisch ist Platz für Social Media und Pressevertreter und über dem Saal liegt für Stunden ein vibrierender Geräuschpegel.
Tara Foster hat hundert kleine Koala-Teddys mitgebracht. Die verschenkt sie an jeden, den sie trifft. Seit fast drei Jahren reist sie als „Spacetweep“ um die Welt, immer dorthin, wo gerade ein Satellit startet oder eine Konferenz stattfindet. Sie war in Cape Caneveral beim Start von CRS5 dabei, dem Versorgungsflug der NASA zur Internationalen Raumstation ISS, in Irland bei der Space Week oder in New Norcia, Australien, wo eine ESA Deep Space Ground Station steht.
„Mein Leben hat sich komplett geändert, seit ich über Weltraumthemen twittere“, sagt die gebürtige Amerikanerin, die eigentlich Politikwissenschaften und Visual Media studiert hat.
Seit ein paar Jahren arbeitet sie als TV-Produzentin für Channel 9 in Sydney. Als Freiberuflerin kann sie sich ihre Zeit einteilen. In Darmstadt ist sie bereits zum zweiten Mal, schon über die ExoMars-Mission hat sie berichtet.
Rund 16 000 Follower verfolgen ihre Live-Berichte. „Ich habe Spaß an der Interaktion. Ich möchte die Menschen für Wissenschafts- und Weltraumthemen begeistern.“ Die mischt sie stets mit ihrer ganz persönlichen Sicht und eigenem Erleben: „Ich breche die Themen auf ein für alle verständliches Level.“
Diesen Anspruch verfolgt auch Jordan Lui. Der Student aus dem kanadischen Vancouver macht gerade seinen Master in Rom in Biomedical Engineering. Er schreibt unter „Astro_jului“ über Weltraumschrott, die bemannte Raumfahrt und an diesem Abend vor allem darüber, wie sich die ESA-Wissenschaftler im ESOC auf den Satellitenstart vorbereiten. „Wo trifft man schon mal so viele internationale Experten, die einem alles aus erster Hand erklären“, begeistert sich Jordan.
„ESA Raumfahrt zum Anfassen und Mitdiskutieren“
Ein absolutes Highlight ist für Stefan Giesbert der geführte Rundgang durch die ESA-Kontrollräume, Teil des Social-Space-Eventprogramms. „Den kennt man sonst nur aus dem Fernsehen“, schwärmt der 39jährige IT-Fachmann aus Wiesbaden. Zusammen mit Freunden geht er mit dem Podcast „Sneakpod“ jede Woche für rund eine Stunde auf Sendung. Seit 2007 bringen sie wöchentlich eine Folge, in der es um Filme, persönlich Erlebtes oder eben Technikthemen geht. Für den Sentinel-2 B-Start wird es eine Sondersendung geben, die 479. Folge übrigens, betont Giesbert.
Noch wenige Minuten bis zum Start des Satelliten in Kourou. In der wuseligen Menge der Blogger und Facebooker, die mit ihren Handys Foto um Foto schießen, fällt Altaira Hatton auf. Die Amerikanerin sitzt im Rollstuhl, Schäferhund Seca weicht nicht von ihrer Seite. Sie tippt ihre Mitteilungen mit einem Stift im Mund ins Ipad. Hände und Arme kann sie kaum bewegen.
„Fällt der Stift runter, hebt ihn Seca für mich auf“, erzählt sie. Die 39-Jährige ist aus Kalifornien angereist, ein „Kurztrip“ nur für die Startveranstaltung im ESOC. Hatton ist aufgeregt, sie ist zum ersten Mal dabei, twittert erst seit kurzem über Raumfahrt-Themen, rund 1000 Follower hat sie schon. „Es ist unglaublich hier, ich habe so viel Fragen“, lacht sie.
Als der Countdown bei vier Minuten liegt und die großen Leinwände die Vega-Rakete in den Blick nehmen, können plötzlich auch Blogger, Tweeter und YouTuber schweigen. Es wird Mucksmäuschen still im Saal, über 300 Gäste verfolgen gespannt die Minutenanzeige. Eingehüllt in einen Feuerschweif hebt Sentinel-2 B in den Nachthimmel von Kourou ab, Applaus bricht los. #Sentinel2B is on it`s way to join it´s twin“, twittert Tara Foster in Anspielung, dass ein baugleicher Satellit schon die Erde umkreist.
15.000 SocMedia-Nachrichten und 20 Millionen Menschen weltweit erreicht
Auf einer großen Tafel im Saal, eine sog. „Twitter-Wall“, sind all die Tweets zu sehen, die sekündlich von den Gästen eintreffen. „Wir hoffen, dass sich auch viele andere aus der Social Media Gemeinde von außen noch einklinken“, sagt Maria Bennett, „Chief Social Media Publisher“ bei der ESA Kommunikation. Weltweit will die ESA Weltraum-Interessierte mit ihrer Erdbeobachtungs- und Klimaschutzmission Copernicus erreichen. 1500 Tweets wird Bennett bis zum späten Morgen zählen – mit einer Reichweite von über 20 Millionen Lesern weltweit.
Für den Niederländer Remco Timmermans sind solche Dimensionen nicht neu. Er kann seit 2011 sein berufliches Auskommen allein über Weltraumthemen im Social Media Bereich bestreiten. Er veranstaltet Seminare, berät Weltraumagenturen bei ihren Online-Auftritten, macht Exkursionen und gibt Vorlesungen an der International Space University (ISU) in Straßburg. Timmermans war schon in der ESO-Sternwarte in Chile oder bei Raketenstarts in Baikonur und in Kourou. Ihm gefällt die freundliche, friedliche Atmosphäre der „Spacetweeps“. „Jeder stammt aus einem anderen Land, spricht eine andere Sprache, aber alle eint die gleiche Passion. So sollte die Welt sein“, findet Timmermans, der es auf 21 000 Follower bringt. Eine internationale Gemeinde mit weltweiter Reichweite. Da passt die Torte in Form einer bunten Weltkugel, die ESA-Mitarbeiter gegen halb fünf am Morgen zum erfolgreichen Start des Erdbeobachtungs-Satelliten reichen, gleich doppelt gut.