Sputnik - mehr als bloß ein Satellit
Vor sechzig Jahren flog Sputnik ins All, der erste Satellit im Weltraum. Ihm folgten der Hund Laika, Yuri Gagarin und der erste Weltraumspaziergänger Alexei Leonow. Eine lange Reihe sowjetischer Raumfahrtlegenden. Sputnik war mehr als bloß ein Satellit. Er läutete den "Wettlauf ins All" zwischen Sowjetunion und USA ein.
Ein Satellit so einfach wie möglich
Das Privatmuseum des staatlichen russischen Raumfahrtkonzerns, heute RKK Energija, ist eine Fundgrube sowjetischer Raumfahrtpioniere. Das Unternehmen baute damals den ersten Satelliten der Welt, Sputnik 1. Im Museum
hängt einer der Original-Ersatz-Sputniks des Typs 1, die 1957 gebaut wurden. Kosmonaut Alexander Kaleri, dekorierter Held der Russischen Föderation, erzählt, wie der erste Satellit sein sollte: simpel, aber wirkungsvoll. "Nach den ersten erfolgreichen Starts der R7-Rakete sollte ein möglichst einfacher Sputnik ins All geschickt werden - ohne wissenschaftliches Equipment, sondern einfach nur mit Batterien, einem Wärmeregulierungssystem und einem Sender."
Sputnik startete am 4. Oktober 1957 und umkreiste die Erde in 98 Minuten. Er übertrug ein einfaches Signal von Russland an die Welt. Roskosmos-Generaldirektor Igor Komarow: "Ich glaube, es war wirklich emotional wichtig für die sowjetische Bevölkerung, denn es war ein bedeutsamer Durchbruch. Der Beweis für technologischen Fortschritt, der Beweis für den Erfolg aller Programme, die damals liefen, unter der Leitung von Sergei Koroljow und anderen Wissenschaftlern. Gemeinsam schafften sie es, eine Raumfahrtindustrie aufzubauen, die in vielen Bereichen weltweit führend ist."
Der Sputnik-Schock
Die Nachricht stürzte den Westen in den Sputnik-Schock - man wurde sich des Fortschritts der sowjetischen Raumfahrtechnik und der Reichweiten sowjetischer Raketen bewusst. Der frühere wissenschaftliche Direktor der ESA Roger-Maurice Bonnet: "Das war ein bedeutendes Ereignis, es war der Beginn des Wettlaufs ins All. Und es waren die Sowjets, damit hatte niemand gerechnet. Man hatte geglaubt, dass es die Amerikaner würden, die dann nur wenig später folgten, aber es war ein Schock überall in den westlichen Hauptstädten, zu wissen, dass die Sowjets so etwas hinbekommen."
Historiker John Krige vom Georgia Institute of Technology: "Sputnik war unglaublich wichtig, denn er läutete den Wettlauf ins All zwischen den USA und der Sowjetunion ein. Die Leute verkennen oft seine Bedeutung, denn sie denken, es war ja nur ein Satellit. Aber die entscheidende Bedrohung war die Rakete, die ihn ins All brachte. Eine Interkontinental-Rakete, die die Sowjetunion entwickelt und einen Monat zuvor erstmals getestet hatte. Und zum ersten Mal in ihrer jüngeren Geschichte fühlten die USA sich bedroht."
Sputnik 2 mit Laika an Bord
Konstrukteur Koroljow und seine Kollegen ließen keine Zeit verstreichen. Kaum einen Monat später starteten sie den sehr viel schwereren Sputnik 2 mit Hündin Laika an Bord. Das erste Lebewesen im All - auch wenn sie wenige Stunden nach dem Start an Überhitzung starb, da die Kühlaggregate versagten.
Der Ehrgeiz blieb ungebrochen: Der erste Weltraumspaziergänger, Alexei Leonow, erinnert sich: "Sergei Pawlowitsch Koroljow wollte ein bemanntes Raumfahrzeug bauen, das mit einer Wostok-Rakete gestartet werden sollte, der Nachfolgerin der R7, die den ersten Sputnik befördert hatte. Sie begannen eine Studie zur Auswahl einer Crew aus den Reihen der Kampfjet-Testpiloten. 1959 waren wir schon in der ersten Gruppe für die Tests."
Und Kosmonaut Alexander Kaleri betont: "Die Regierung gab ein Programm zur künftigen Erkundung des Weltalls heraus. In diesem Dokument erwähnten sie Raumsonden, die zum Mond fliegen, Flüge zum Mars und zur Venus, sie erwähnten Weltraumflüge mit Menschen, sie sprachen über Menschen, die auf den Mars treten, auf Venus und den Mond, und dort Stationen errichten. Ich möchte Sie nur darauf hinweisen: Das war im Dezember 1959!"
Und so begann eine lange Reihe sowjetischer Premieren: Der erste Mann im All, die erste Frau im All, der erste Weltraumspaziergang, die erste (unbemannte) Mondlandung - die erste weiche Landung auf der Venus und auf dem Mars. Erst mit ihrer weltweit im Fernsehen verfolgten Mondlandung 1969 holten die Amerikaner auf, der Wettlauf ins All neigte sich dem Ende zu.
Kooperation statt Konkurrenz
Das Vermächtnis der sowjetischen Weltraumlegenden überdauert bis heute. Jeder Kosmo- und Astronaut, der zur Internationalen Raumstation aufbricht, startet vom selben Weltraumbahnhof in Baikonur wie Sputnik. Die russische Raumfahrtbehörde Roskosmos hat viele neue Projekte, darunter das Raumschiff neuer Generation Federazija und den künftigen Weltraumbahnhof Wostotschny, "der Östliche", im Osten Russlands. Heute geht es weniger um Konkurrenz als um Kooperation mit ESA und NASA, bekräftigt Roskosmos-Chef Komarow: "Ich denke, heute ist es nicht so wichtig, in welchem Bereich wir die ersten sind. Entscheidend ist, welche Ziele wir uns mit unseren Partnern setzen. Ich meine diese wirklich bedeutenden Missionen, die uns zu Durchbrüchen verhelfen. Dazu gehört ExoMars, deren zweite Etappe wir 2020 einläuten wollen. Jetzt sind wir in der Phase der aktiven Vorbereitung. Ich meine auch Missionen zum Mond, mit denen wir die Mondumgebung genauer erkunden werden und eine Station dort aufbauen, die besucht und bewohnt werden kann."