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Tiangong-1
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Tiangong 1: Chinesische Raumstation im Sinkflug

14/03/2018 9152 views 37 likes
ESA / Space in Member States / Germany

Das Büro für Raumfahrtrückstände im ESOC versucht den Zeitpunkt für den Wiedereintritt  der chinesischen Raumstation Tiangong-1 in die Erdatmosphäre zu berechnen. 

Wann die aufgegebene chinesische Raumstation Tiangong-1 in den nächsten Wochen in die Atmosphäre eintreten wird und wo nicht verglühte Trümmerteile auf der Erde niedergehen könnten, an dieser Prognose arbeitet das Büro für Raumfahrtrückstände im ESOC mit. Im Darmstädter ESA-Zentrum laufen die Messungen und Daten des weltweiten Inter Agency Space Debris Coordination Committees (IADC) zusammen.  

Genauer Zeitpunkt schwer berechenbar

 

Ein solches Ereignis ist auch für Dr. Holger Krag, den ESA-Experten für Weltraumschrott, außergewöhnlich. Tiangong-1 ist 12 Meter lang und wiegt 8,5 Tonnen. Keine Raumstation von der Dimension einer ISS, doch größer als was sonst an Weltraummüll in den Umlaufbahnen der Erde unterwegs ist. „8,5 Tonnen hat man nicht jeden Tag auf dem Schirm. Über das Jahr verteilt orten wir sonst insgesamt rund 100 Tonnen Weltraumschrott“, verdeutlicht er die Relationen.

Tiangong-1 ist seit 2013 unbemannt, seit 2016 besteht kein Kontakt mehr zu der chinesischen Raumstation. Derzeit befindet sie sich im Sinkflug, umkreist die Erde in nur mehr 250 Kilometer Höhe mit einer Geschwindigkeit von 7,5 Kilometern pro Sekunde. In einem Zeitraum von März bis April könnte sie soweit abgesunken sein, dass sie in die Erdatmosphäre eintritt. „Doch wann das sein wird, werden wir nicht ganz exakt berechnen können“, dämpft Krag Erwartungen. „Drei bis vier Tage vorher können wir den genauen Tag eingrenzen, am Tag selbst dann den Zeitpunkt bis auf wenige Stunden bestimmen.“ 

Bauteile aus Titan und Edelstahl verglühen nicht

 

Auch der Ort, wo Trümmerteile niedergehen könnten, lässt sich von den Experten bisher nicht punktgenau vorhersagen. Sicher ist bisher nur, dass Fragmente in einer Zone zwischen dem 43. Grad nördlicher Breite und dem 43. Grad südlicher Breite herunterfallen könnten. „Die Eingrenzung auf ein einzelnes Land oder Gebiet ist aber unmöglich“, betont der Leiter des Space Debris Büros im ESOC. Länder wie Deutschland, Österreich oder die Schweiz liegen jedoch nördlich des 43. Breitengrades.

Die vorhergesagte Höhe von Tiangong 1. Stand: 6. März 2018
Die vorhergesagte Höhe von Tiangong 1. Stand: 6. März 2018

Wenn Tiangong-1 auf eine Umlaufbahn von 100 Kilometern Höhe absinkt, wird die Raumstation aufgrund der Dichte der Erdatmosphäre innerhalb kurzer Zeit auf null abgebremst. Das Objekt zerfällt und in der entstehenden Reibungshitze verglüht der größte Teil der Station. „Nur Elemente aus Titan oder Edelstahl halten diesen Temperaturen stand“, betont Krag. 20 bis 40 Prozent eines Objektes dieser Masse überstehen in der Regel den Wiedereintritt in die Atmosphäre. „Wäre das ein ESA Objekt, würden wir jede Schraube kennen.“ Zwar tauschen die ESA-Experten mit ihren chinesischen Kollegen Messwerte und Vorhersagen regelmäßig aus, das detaillierte Design von Tiangong-1 ist jedoch nicht bekannt. "Das beeinflusst die Vorhersage des Wiedereintritts allerdings nicht", so Krag.  

Keine Panikmache

 

Der Wiedereintritt, sagt Holger Krag, „ist nicht vergleichbar mit einem Meteoriteneinschlag. Die Trümmer fallen ab 30 Kilometer Höhe mit der normalen Fallgeschwindigkeit, deshalb gibt es keine Krater.“ Die Trümmerschleppe am Boden kann über tausend Kilometer lang sein, die Abstände zwischen den Fragmenten sind jedoch groß. Die Objekte am Boden fallen nicht unbedingt als Raumfahrt-Hardware auf. Panikmache hält der ESA-Experte für wenig sinnvoll. Die Wahrscheinlichkeit von einem Trümmerteil verletzt zu werden, schätzt er so hoch ein, „wie die Möglichkeit von einem Blitz zweimal in einem Jahr getroffen zu werden“. 

ESOC betreut die Wiedereintritts-Kampagne

 

Die Wiedereintritts-Kampagne der chinesischen Station wird vom Darmstädter ESA-Zentrum betreut. Tiangong-1 ist aufgrund der Größe ein besonderes Objekt, aber im Space Debris Büro im ESOC haben es die Experten täglich mit Trümmerteilen zu tun. Hier laufen die weltweiten Daten und Messwerte zu Tiangong-1 und anderen Objekten zusammen, die die 13 internationalen Raumfahrtagenturen und –organisationen sammeln, die im Inter Agency Space Debris Coordination Committees (IADC) zusammengeschlossen sind.

Vorhergesagtes Wiedereintrittsfenster
Vorhergesagtes Wiedereintrittsfenster

„Wir managen die Datensammelstelle des IADC“, erklärt Krag.

Messungen und Vorhersagen werden ausgetauscht, abgeglichen und Informationen an nationale Alarm- und Katastrophenschutzstellen weitergegeben – ein weltweites Netzwerk, das von Darmstadt aus geknüpft wird.

Experten-Workshop

Ende Februar / Anfang März trafen sich im ESOC auch rund 100 internationale Space Debris Experten aus allen Raumfahrtnationen zu einem Workshop. „Dabei ging es um Tiangong-1, aber auch allgemein um den derzeitigen Stand der Technik etwa bei Wiedereintritts-Szenarien“, berichtet Holger Krag. Darum, wie sich Modelle für präzisere Vorhersagen im Orbit und am Boden, genauere Messverfahren entwickeln lassen oder wie beispielsweise Atmosphärenmodelle verbessert und die Rotation der Schrottfragmente künftig exakter bestimmt werden kann. „Da hat sich viel getan“, betont der ESA-Experte.

Updates zu Tiangong-1

 

Wer den Wiedereintritt von Tiangong-1 verfolgen will: Die ESA veröffentlicht regelmäßig Updates in ihrem Rocket Science Blog unter http://blogs.esa.int/rocketscience/2018/01/12/tiangong-1-reentry-updates/

Hier finden Sie ein FAQ zur Raumstation Tiangong 1 auf Deutsch: http://www.esa.int/ger/ESA_in_your_country/Germany/FAQ_zum_Wiedereintritt_von_Tiangong_1 

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