Weltraum-Nachhaltigkeitsrating verdeutlicht das Weltraumschrottproblem
Über uns braut sich ein Problem zusammen. Für das bloße Auge unsichtbar und relativ unbemerkt bedroht es unsere Zukunft im Weltraum: der Weltraummüll.
Derzeit ist ein neues „Weltraum-Nachhaltigkeitsrating“ (engl. Space Sustainability Rating (SSR)) in der Entwicklung, mit dem mehr Erkenntnis über das Problem möglich sein wird. Es bewertet Raumfahrtunternehmen hinsichtlich der Nachhaltigkeit ihrer Missionen, macht ihre Beiträge zum Schutz der Weltraumumgebung transparenter und fördert und erkennt verantwortungsvolles Verhalten an.
Diese globale Initiative, die vom Weltwirtschaftsforum ins Leben gerufen wurde, ist die erste ihrer Art. Da keine Regierung oder Behörde allein die Macht hat, strenge Verhaltensregeln für alle Raumfahrtorganisationen festzulegen und durchzusetzen, verspricht dieses Projekt eine entscheidende Wendung zu bringen.
Ähnlich wie die heute üblichen Energieeffizienz- und Nährwertkennzeichnungen auf Haushaltsprodukten, Lebensmitteln und Verbrauchsgütern wird das Weltraum-Nachhaltigkeitsrating verdeutlichen, welche Beiträge einzelne Unternehmen und Organisationen zur Erhaltung und Verbesserung der erdnahen Weltraumumgebung leisten können.
Nachhaltigkeitsrating geht in die nächste Phase
Die SSR-Initiative wurde in den vergangenen zwei Jahren vom Forum, von der ESA und einem gemeinsamen Team unter der Leitung der Space Enabled Research Group am MIT Media Lab entwickelt, in Zusammenarbeit mit BryceTech und der University of Texas in Austin.
Für den entscheidenden nächsten Schritt wurde das Space Center (eSpace) an der Eidgenössischen Technischen Hochschule Lausanne (EPFL) beauftragt, die Vorbereitung auf die Einführung das Weltraum-Nachhaltigkeitsrating zu leiten und zu betreuen.
„Das Forum freut sich sehr einen so innovativen Ansatz zur Bewältigung der globalen Herausforderung des Weltraummülls zu unterstützen“, sagt Nikolai Khlystov, Leiter für Mobilität und Raumfahrt beim Weltwirtschaftsforum.
„Wir schaffen Anreize für besseres Verhalten indem wir den Akteuren die Möglichkeit geben, im Bereich Nachhaltigkeit zu konkurrieren. Dadurch initiieren wir einen „Wettlauf um die Spitze“, und eSpace an der EPFL ist eine großartige Organisation, um SSR ein Stufe voranzubringen.“
ESA misst die Auswirkungen
Das SSR-Rating-System bewertet die Nachhaltigkeit von Raumfahrtunternehmen anhand von verschiedenen Faktoren, angefangen vom Teilen von Daten, der Wahl des Orbits, der Maßnahmen zur Vermeidung von Kollisionen und der Pläne zur Entsorgung der Satelliten aus dem Orbit nach Erfüllung ihrer Mission, bis hin zur Frage, wie leicht Satelliten vom Boden aus geortet und identifiziert werden können. Das Hinzufügen optionaler Elemente, wie z. B. Greifvorrichtungen oder Andockpunkte an den Satelliten für eine mögliche zukünftige aktive Beseitigung der Überreste, werden positiv gewertet.
„Das SSR verfolgt das Ziel, das Verhalten aller Raumfahrtakteure zu beeinflussen und dazu beizutragen, dass dringend erforderliche nachhaltige Handlungsweisen zur gängigen Praxis werden“, sagte Holger Krag, Leiter des Raumfahrtsicherheitsprogramms der ESA.
„Um dies zu erreichen, wird das SSR-Rating die kurz- und langfristigen Risiken jeder Mission durch Experten bewerten, sowohl gegenüber den anderen Satelliten-Betreibern als auch hinsichtlich der Weltraumumgebung im Allgemeinen.“
Unterstützt durch ESA-Know-how
Das Space Debris Office der ESA mit Sitz am Europäischen Raumflug-Kontrollzentrum (ESOC) in Darmstadt untersucht seit Jahren Weltraummüll und dessen Auswirkungen und wurde zu einer weltweit führenden Instanz für dieses global bedeutsame Thema.
Die Rolle der Agentur bei der Entwicklung des Weltraum-Nachhaltigkeitsratings beinhaltet die Unterstützung bei der Definition der „Rating-Architektur“, d. h. der Kriterien, nach denen Weltraummissionen beurteilt werden sollen, sowie die Bereitstellung von Expertenanalysen, Daten und technischem Know-how, das über viele Jahre hinweg entwickelt wurde.
Eine besonders wichtige Komponente für das SSR stellt die neue Methodik zur quantitativen Bestimmung des Weltraummüllrisikos dar, das mit einer Mission verbunden ist. Sie berücksichtigt bei neuen Missionen die zusätzliche Belastung für den Betrieb bestehender Missionen, und die potenziellen Auswirkungen auf die langfristige Entwicklung der Weltraummüllumgebung.
Nachdem das Bewertungssystem eingeführt wurde, wird die ESA die EPFL bei der Bewertung der potenziellen Auswirkungen auf neue Weltraummissionen unterstützen. Die Agentur wird auch einen Sitz im Beratungsausschuss für die Nachhaltigkeitsbewertung von Raumfahrtprojekten (Space Sustainability Rating Advisory Board) einnehmen und außerdem auf vielfältige Weise Unterstützung leisten.
Gutes Verhalten wird belohnt
Satelliten sind zu einem Herzstück in unseren modernen Volkswirtschaften geworden. Sie bieten Navigations- und Telekommunikationsleistungen, Wettervorhersagen, Klimaüberwachungen, Fernsehübertragungen und viele weitere kritische Dienste. Die Abhängigkeit der Menschheit von der Weltrauminfrastruktur wird durch den Start einer grosser Konstealltion von Kleinsatelliten, die unter anderem den weltweiten Internetzugang verbessern sollen, stark zunehmen.
Derzeit befinden sich nahezu 4.000 aktive Satelliten in der Umlaufbahn, einschließlich der bewohnten Außenposten der Internationalen Raumstation und der Tiangong-Raumstation, die sich derzeit im Bau befindet.
Exponentielles Wachstum
Da immer mehr Organisationen aus vielen Ländern vorbereiten, neue Missionen zu starten, wird die Zahl des Weltraummülls exponentiell ansteigen. Dies steigert unweigerlich das Risiko von Kollisionen und wirft die Frage auf, ob so viele Raumfahrzeuge in den wirtschaftlich so bedeutsamen erdnahen Umlaufbahnen sicher und nachhaltig betrieben werden können.
Durch den freiwilligen Beitritt zum neuen SSR-System können Betreiber von Raumfahrzeugen, Anbieter von Raketenstarts und Satellitenhersteller eine von vier Zertifizierungsstufen erlangen. Damit können sie dann weithin sichtbar werben und ihr Engagement für die Nachhaltigkeit ihrer Mission demonstrieren.
Förderung der Transparenz und des richtigen Handelns
Das vorgeschlagene Rating wird die Transparenz erhöhen - ohne dass missionssensible oder geschützte kommerzielle Informationen offengelegt werden - und es wird erwartet, dass sich durch die Berücksichtigung des Weltraummüllproblems gute Verhaltensanreize für andere Beteiligte ergeben. So kann ein günstiges Ratingergebnis für einen bestimmten bewerteten Betreiber beispielsweise zu niedrigeren Versicherungskosten oder verbesserten Finanzierungsbedingungen bei Geldgebern führen.
Die Hinterlassenschaften früherer Weltraumunternehmungen - alte Satelliten und Raketenoberstufen - , schwirren weiter in der Erdumlaufbahn umher. Obwohl bereits Missionen zur Beseitigung einiger dieser Objekte erarbeitet werden, ist es wichtig, dass wir die Fehler der Vergangenheit nicht wiederholen. Das Weltraum-Nachhaltigkeitsrating wird eine wichtige Funktion im Rahmen umfassenderer Maßnahmen zur Sicherstellung einer verantwortungsvollen Nutzung des Weltraums und seiner nachhaltigen Zukunft für alle übernehmen.
Über das Weltraum-Nachhaltigkeitsrating
Während der zweijährigen Entwicklungszeit des SSR haben sich zahlreiche Akteure der Raumfahrtindustrie an der Weiterentwicklung des Bewertungssystems beteiligt, und es besteht bereits ein breites Interesse an diesem neuen Instrument. Mehrere Unternehmen, darunter Airbus, Astroscale, AXA XL, elseco, Lockheed Martin, Planet und Voyager Space Holdings, haben das SSR-Konzept aktiv unterstützt und ihr Interesse an einer Teilnahme bekundet, sobald es öffentlich vorgestellt wird. Mehr Informationen über die Website des Weltwirtschaftsforums.
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