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ESA-Flugdynamiker Vicente Companys
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„Wir wollen Philae fünf Kilometer vom Komet abkoppeln“

01/08/2014 1887 views 31 likes
ESA / Space in Member States / Germany

Vicente Companys ist Mathematiker und in der Abteilung für Flugdynamik am Darmstädter ESOC für die Modellierung von Rosettas Flugbahn zuständig. Kurz vor dem Rendezvous zwischen Sonde und Komet sind solche Analysen zur Steuerung Rosettas besonders wichtig. Wir haben mit ihm über Rosetta, Philae und die kommenden Manöver am bizarren Doppelkern des Kometen gesprochen.

 

Herr Companys, Rosetta nähert sich immer mehr ihrem Zielkometen 67P/Churyumov-Gerasimenko, die Ankunft steht für den 6. August bevor. Schon jetzt bekommen die Bordkameras den Kometenkern immer schärfer ins Bild und die Fotos zeigen einen bizarr geformten Kern. Können Sie noch ruhig schlafen?

 

Was meinen Sie?

Die Astronomen sind überrascht darüber, dass der Kern des Kometen aus zwei Teilen besteht.

 

Ja, das ist die aktuelle Einschätzung. Als Flugdynamiker vertrauen wir darauf, was die Astronomen sagen. Wir sehen lediglich, dass der Kern sehr unregelmäßig geformt ist. Aber so neu wäre das nicht. Kleine Himmelskörper, die aus zwei Teilen bestehen, sind schon länger bekannt. Ein Beispiel ist der Komet 8P/Tuttle. Im Jahr 2008 gelangen Forschern aus den USA mit dem Arecibo-Radioteleskop mehrere Radar-Bilder von dessen Kern. Man erkennt darauf zwei Körper, die in Kontakt sind. Einer misst 4,4 Kilometer, der größere etwa 5,6 Kilometer im Durchmesser. Auch 25143 Itokawa scheint ein solcher „Contact Binary“ zu sein. Dieser Asteroid, dessen Gestalt einer Erdnuss ähnelt, besteht offenbar aus zwei Teilen mit deutlich verschiedenen Dichten, das haben britische Astronomen entdeckt. Wir sind deshalb nicht so überrascht wie es scheint, wenn sich auch der Kern von 67P als zweigeteilt herausstellt.

Philae, also Rosettas Landegerät, soll am 11. November auf dem unregelmäßig geformten Kometenkern weich aufsetzen. Ist alles klar zur Landung?

 

Da sind schon noch einige Dinge zu klären. Generell gilt: Wir müssen einen flachen und ebenen Platz auf dem Kometenkern finden, der groß genug ist, dass wir diesen auch mit dem Philae-Lander treffen können. Ob und wo auf dem Kometen solche Stellen existieren, kann man auf Basis der bisherigen Fotos noch nicht sagen, wir brauchen noch Beobachtungen aus größerer Nähe. Ein weiteres Problem ist die Aktivität des Kometen. Voraussichtlich wird er zum Landezeitpunkt Gase ausstoßen, wie es Kometen eben tun, wenn sie sich der Sonne nähern. Die Widerstandskräfte, die davon auf den Satelliten ausgehen, können wir jetzt noch nicht genau vorhersagen – auch da sind wir auf Rosettas spätere Messungen angewiesen. Klar ist: Je stärker diese Kräfte sind, um so schwieriger ist die Landung. Wir wollen Philae nahe am Komet, möglichst in fünf Kilometern Entfernung abkoppeln. Je nachdem wie die Geometrie am Landeplatz ist oder wenn die Gasaktivität stark ist, müssen wir womöglich mehr Abstand halten.

Was ist mit dem Schwerefeld des Kometen?

 

Es ist ein sehr schwaches Gravitationsfeld, weil der kleine Kometenkern natürlich viel weniger Masse hat als zum Beispiel die Erde. Philae selbst hat eine Masse von 98 Kilogramm, auf dem Kometen erfährt er jedoch lediglich ein Gewicht, als wäre seine Masse nur ein paar Gramm. Voraussichtlich ist das Gravitationsfeld von 67P jedoch komplizierter als dasjenige eines regelmäßigen Körpers, beispielsweise einer Kugel. Deshalb wird es schwieriger sein es zu bestimmen. Wir messen das Feld aus dem Einfluss, den es auf die Bahn von Rosetta ausübt. Diese Information brauchen wir, um den Satelliten erfolgreich navigieren zu können. Unabhängig davon erstellen die Astronomen mit den Fotos der Bordkamera ebenfalls ein 3D-Modell des Kometenkerns und leiten daraus ein modelliertes Schwerefeld ab. Das wird allerdings unvollständig bleiben, da man dafür voraussetzt, dass die Dichte des Kerns konstant ist, was aber nicht zutrifft. Hinzu kommt, dass manche Stellen des Kerns immer im Schatten liegen, also nicht fotografiert werden können.

Kann Ihnen das inhomogene Schwerefeld noch einen Strich durch die Rechnung machen?

 

Insgesamt spielt das inhomogene Feld eher eine untergeordnete Rolle. Rosetta muss, um Philae erfolgreich am vorgesehenen Landeplatz abzusetzen, vor dem Abkoppeln einige geringe Bahnkorrekturen durchführen. Die Genauigkeit dieser Manöver ist entscheidend dafür, dass Philae den ausgewählten Landeplatz trifft. Auch nach dem Abkoppeln kann die Gasaktivität den geplanten Philae-Flug ins gewünschte Landegebiet weit stärker ablenken als das inhomogene Gravitationsfeld.

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