Wissenschaft an Bord der Internationalen Raumstation
Obwohl sich derzeit kein ESA-Astronaut im Weltraum aufhält, geht die europäische wissenschaftliche Forschung im All weiter. Hier stellen wir einige der Experimente vor, die derzeit an Bord der Internationalen Raumstation ISS durchgeführt werden.
Grundlegende Arbeit
Jeder ESA-Astronaut, der zur Internationalen Raumstation ISS reist, beginnt sein Training am Europäischen Astronautenzentrum in Köln. Dort werden die Raumfahrer nicht nur grundlegend auf ihren Aufenthalt im All vorbereitet, sondern machen sich auch mit dem komplexen ESA-Weltraumlaboratorium Columbus und dessen Betrieb vertraut.
Viele der europäischen Experimente, die an Bord der ISS weiterlaufen, auch wenn kein ESA-Astronaut vor Ort ist – zum Beispiel die kommerziellen Experimente in den sogenannten ICE-Cubes – erfordern nur minimalen manuellen Aufwand. Andere, etwa das Experiment zur Zeitwahrnehmung in Mikrogravitation, werden von der aktuellen ISS-Besatzung weitergeführt.
Im Januar hatte die derzeitige ISS-Besatzung (Expedition 58), Anne McClain (NASA), der kanadische Astronaut David Saint-Jacques und der Kosmonaut Oleg Kononeko, mit dem Abdocken zweier Versorgungsraumschiffe und der Vorbereitung des Abflugs von NG-10 Cygnus alle Hände voll zu tun. Darüber hinaus hat sie damit angefangen, eine ESA-Einheit aufzurüsten, die die bodenbasierte Steuerung und den telemetrischen Datenabruf von Miniatur-Laboratorien innerhalb des Columbus-Moduls ermöglicht.
Biowissenschaftliche Experimente im Miniaturformat
Die Kubik-Einheiten der ESA („Kubik“ ist das russische Wort für Würfel) in der ISS waren schon in Betrieb, bevor das Columbus-Modul im Jahr 2008 ankam. Die temperaturgesteuerten Container sind jeweils 40 Mal 40 Zentimeter groß und ermöglichen die Durchführung biowissenschaftlicher Experimente in Mikrogravitation. Dabei können mehrere Experimente gleichzeitig stattfinden, denn die Würfel sind in separate Einheiten, jede so groß wie eine Taschentücherbox, unterteilt.
Viele biologische Systeme sind zumindest teilweise von der Gravitation abhängig. Wenn die Effekte der Erdanziehungskraft ausgeschaltet werden, können Forscher besser verstehen, wie diese Systeme funktionieren. Über die Jahre wurden verschiedene Proben in den Kubik-Einheiten untersucht, darunter Bakterien, Pilze, weiße Blutkörperchen und Stammzellen aus menschlichem Knochenmark sowie aus der Nabelschnur, Jungpflanzen und sogar schwimmende Kaulquappen. Die derzeit stattfindende Aufrüstung macht die Einheiten fit für ihr zweites Jahrzehnt und erweitert die Möglichkeiten der Untersuchung unterschiedlicher Organismen im Weltraum.
Im Takt bleiben
Die Besatzung hat auch die Probenkammer des europäischen elektromagnetischen Levitators (EML), der für mehrere Nutzer zur Verfügung steht, ausgetauscht, um neue materialwissenschaftliche Experimente zu ermöglichen.
NASA-Astronautin Anne McCain legte die Hardware für die Erforschung des Biorhythmus zum Start einer 36-stündigen Aufnahme an.
Im Rahmen dieses Experiments wird unter der Federführung von Studienleiter Hanns-Christian Gunga vom Zentrum für Weltraummedizin an der Charité in Berlin die Rolle von synchronisierten circadianen Rhythmen untersucht, also das, was wir gemeinhin „biologische Uhr“ nennen.
Die Forscher nehmen an, dass ein Licht-Dunkel-Wechsel, der nicht wie auf der Erde im 24-Stunden-Rhythmus stattfindet, den natürlichen Rhythmus der Besatzungsmitglieder beeinträchtigt. Darüber hinaus untersuchen die Wissenschaftler, wie reduzierte physische Aktivität, Mikrogravitation und eine künstlich kontrollierte Umgebung Körperzusammensetzung und -temperatur verändern, da dies ebenfalls die biologische Uhr der Astronauten beeinflussen kann.
Die Daten für diese Studie werden durch einen „Doppelsensor“, der auf der Stirn und der Brust der Raumfahrer platziert wird, gesammelt. Dieser Sensor misst die Kernkörpertemperatur kontinuierlich und über lange Zeiträume hinweg, und zwar vor, während und nach dem Flug. Später werden die Daten mit den Melatoninspiegeln der Crew-Mitglieder vor und nach ihrem Aufenthalt im Weltraum abgeglichen.
Die ersten Ergebnisse zeigen, dass die Kernkörpertemperatur während langer Raumflüge schrittweise ansteigt. Bei sportlichen Aktivitäten an Bord der ISS steigt die Temperatur außerdem schneller und insgesamt stärker an als auf der Erde. Das Verständnis dieser Mechanismen sowie anderer Auswirkungen, die ein Aufenthalt im All auf die biologische Uhr haben, verbessert die Planung und Durchführung zukünftiger Weltraummissionen und liefert darüber hinaus wertvolle Erkenntnisse für uns auf der Erde – in den Bereichen Schlafstörungen, Erkrankungen des vegetativen Nervensystems sowie Beschwerden, die in Zusammenhang mit Schichtarbeit auftreten.
Ausblick
Während all diese wissenschaftlichen Projekte im Weltraum stattfinden, bereitet sich ESA-Astronaut Luca Parmitano weiterhin für seine bevorstehende Mission „Beyond“ vor. Er hat kürzlich an bodengestützten Sessions für die europäischen Experimente GRIP und GRASP teilgenommen. Diese untersuchen, wie Menschen im Zustand der Schwerelosigkeit ihre Kraft einschätzen und Objekte handhaben können. Darüber hinaus wurde er in das Experiment Fluidics eingearbeitet, das erforschen wird, wie sich Flüssigkeiten in Mikrogravitation verhalten.
Wissenschaft findet sich bei der ESA überall. Neben der Erforschung des Universums und der Beantwortung der großen Fragen über unseren Platz im All entwickeln wir die Satelliten, Raketen und Technologien, um dorthin zu gelangen. Wissenschaft hilft uns auch, uns um unseren Heimatplaneten zu kümmern. Die ganze Woche über stellen wir verschiedene Aspekte der wissenschaftlichen Forschung bei der ESA vor. #ScienceAtESA