Astronauten
Europäische Astronautinnen und Astronauten nehmen an Langzeitmissionen auf der Internationalen Raumstation teil, führen Experimente in der Mikrogravitation durch und bedienen die Systeme der Station. Sie montieren, aktivieren und testen neue Stationselemente, betreiben wissenschaftliche Forschung, führen Außenbordeinsätze durch und fungieren als Testpersonen in biowissenschaftlichen Experimenten.
Die Rolle von Astronautinnen und Astronauten entwickelt sich ständig weiter. In Zukunft müssen sie darauf vorbereitet sein, sich weiter von der Erde zu entfernen, da die ESA an astronautischen und robotischen Missionen zum Mond teilnimmt und die Raumfahrtbehörden zusammenarbeiten, um eine nachhaltige Mondpräsenz zu etablieren und zum Mars zu reisen.
Die beruflichen Wege der eingesetzten Astronauten enden aber nicht nach einem oder mehreren Raumflügen, sondern die meisten von ihnen bringen ihre Erfahrungen in verantwortlichen Stellen bei Organisationen, der Wissenschaft oder der Industrie ein. Und einige von ihnen bilden am europäischen Astronautenausbildungszentrum EAC in Köln den Raumfahrernachwuchs aus.
Claude Nicollier
GEBURTSDATUM / GEBURTSORT:
2. September 1944, Vevey, Schweiz
AUSBILDUNG:
Nach Beendigung des Gymnasiums 1962 in Lausanne (Schweiz) erwarb er 1970 an der Universität Lausanne das Lizentiat für Physik; 1975 schloss er an der Universität Genf das Nachdiplomstudium in Astrophysik ab.
FAMILIE :
Verheiratet, zwei Kinder.
HOBBIES:
Fliegen, Ski, Alpinismus, Fotografie und Alphorn.
MITGLIEDSCHAFTEN:
Mitglied der "Société astronomique suisse du Pacifique" und der Gesellschaft der Offiziere der Schweizer Luftwaffe. Mitglied der "British Interplanetary Society". Ehrenmitglied des Aero-Clubs der Schweiz und des Schweizerischen Ingenieur- und Architektenvereines.
BERUFSERFAHRUNG:
Von 1970 bis 1973 arbeitete Claude Nicollier als Wissenschaftler am Institut für Astronomie der Universität Lausanne und am Genfer Observatorium. Anschliessend trat er in die Schweizer Luftverkehrsschule in Zürich ein, bevor er als DC-9-Linienpilot von der Swissair angestellt wurde. Er beteiligte sich weiterhin – in Teilzeitarbeit – an Forschungsarbeiten am Observatorium Genf. Ende 1976 erhielt er ein Stipendium der Europäischen Weltraumagentur (ESA) in der Abteilung für Weltraumwissenschaft in Noordwijk (Niederlande), wo er als Forscher an verschiedenen Astronomiearbeiten im Bereich der Infrarotstrahlung beteiligt war. 1978 wählte ihn die ESA für die erste Gruppe europäischer Astronauten aus, worauf er aufgrund eines Abkommens zwischen der NASA und der ESA zu den Astronauten-Kandidaten der NASA stiess, die im Mai 1980 für eine Ausbildung als "Mission-Specialists" ausgewählt wurden.
Zu den technischen Aufgaben, die ihm im Astronautenbüro der NASA übertragen wurden, gehörten die Überprüfung von Bordprogrammen im Laboratorium für Systemanalysen und -integration (SAIL), die Beteiligung an der Erarbeitung von Bergungstechniken für das System der seilgefesselten Satelliten (TSS) im Raumfährensimulator und die Unterstützung des Roboterarmprogrammes RMS.
1988 besuchte er die "Empire test pilots school" in Boscombe Down (Grossbritanien), wo er im Dezember 1988 sein Brevet als Testpilot erhielt. Als Hauptmann der Schweizer Luftwaffe pilotierte er Flugzeuge des Typs Northrop F-5E und Hawker Hunter in Übungsflügen für Bodenangriffe und Luftnahunterstützungen. Er hat bis heute mehr als 5000 Flugstunden absolviert, davon 3500 mit Düsenflugzeugen.
Claude Nicollier war offiziell im Astronautenzentrum der ESA (EAC) in Köln (Deutschland) stationiert, schloss sich 1980 aber der NASA-Astronautengruppe 9 für das Space-Shuttle-Training im Johnson Space Center in Houston, Texas an, wo er bis September 2005 beschäftigt war.
Als "Mission-Specialist" nahm er am Flug der Raumfähre Atlantis STS-46 (31. Juli–8. August 1992) teil, bei dem die Besatzung die rückführbare Forschungsplattform EURECA der ESA im All aussetzte und die ersten Flugversuche mit dem System der seilgefesselten Satelliten (TSS) vornahm. Die Mission erstreckte sich über 123 Erdumkreisungen, das heisst 3,35 Millionen Meilen in 191 Stunden und 16 Minuten.
Sein zweiter Auftrag als "Mission-Specialist" war die Teilnahme am Flug STS-61 (2.–13. Dezember 1993), während dem die Raumfähre Endeavour in einem gemeinsamen Programm von ESA und NASA das Weltraumteleskop Hubble angesteuert und repariert hat. Die Mission erstreckte sich über 163 Erdumkreisungen, das heisst 4,43 Millionen Meilen in 259 Stunden und 59 Minuten.
Im Januar 1995 wurde Claude Nicollier für seinen dritten Weltraumflug STS-75 ausgewählt. Während dieser 15tägigen Mission (22. Februar–9. März 1996) wurde die zweite Stationierung des seilgefesselten Satelliten (TSS) versucht; das Seil riss, als der Satellit eine Distanz von 19,7 Kilometern von der Raumfähre erreichte. Die Wissenschaftler konnten danach ihr Forschungsprogramm überarbeiten und auf den freien Flug des Satelliten ausrichten. Die Astronauten konzentrierten sich auf die Erfahrungen der Nutzlast USPM-3 im Weltraum. Die Mission erstreckte sich über 252 Erdumkreisungen, das heisst 6,5 Millionen Meilen in 377 Stunden und 40 Minuten.
Von 1996 bis 1998 leitete Claude Nicollier die Robotik-Gruppe für die Raumfähre und die Internationale Raumstation im Astronautenbüro bei der NASA/JSC, Houston.
Im August 1998 begann Claude Nicollier mit den Vorbereitungen zu seinem vierten Weltraumflug, der Mission STS-103 im November 1999. Während dieser dritten Mission zur Wartung des Weltraumteleskopes Spatial Hubble hat Nicollier zum ersten Mal die Raumfähre verlassen. Er installierte neue Systeme und Instrumente, um die Leistungsfähigkeit des Weltraumteleskopes zu erhöhen.
Nach vier Raumfahrtmissionen (1992: STS-46, 1993: STS-61, 1996: STS-75 und 1999: STS-103) kann Claude Nicollier auf über 1000 Stunden im Weltraum zurückblicken, darunter ein Weltraumspaziergang von 8 Stunden und 10 Minuten.
AUSZEICHNUNGEN:
Nach der Mission zur Wartung des Weltraumteleskopes erhielt Claude Nicollier die "Robert J. Collier Trophy 1993" der "National Aeronautic Association". Dieser Preis gilt als wichtigste Luftfahrts-Auszeichung in den Vereinigten Staaten. 1994 erhielt er die Silbermedaille der französischen "Académie nationale de l'air et de l'espace" und den Preis der Universität Lausanne. Darauf wurde er zum Doktor honoris causa der ETH Lausanne und der Universität Lausanne ernannt und erhielt anschliessend eine Professur an der ETH Lausanne. 1998 wurde er von der Einstein-Gesellschaft in Bern mit der Einstein-Medaille geehrt. Claude ist Ehrenprofessor an der EPFL, wo er immer noch unterrichtet. Er ist außerdem an Outreach-Aktivitäten in der Schweiz beteiligt.