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Mit Gratisenergie und Winterschlaf zum Kometen

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ESA / Space in Member States / Germany

Selbst Europas stärkste Trägerrakete, die Ariane 5, war nicht in der Lage, Rosetta auf direktem Weg zum Zielkometen 67P/Tschurjumow-Gerassimenko zu schicken. Sie beschleunigte zwar die mit 21 Experimenten vollgepackte drei Tonnen schwere Raumsonde auf eine Geschwindigkeit von 40 000 Kilometern in der Stunde. Aber das reichte noch immer nicht aus. 

Gratis Energie auftanken

 

Um den Kometen erreichen zu können, tüftelten die Missionsplaner vom Satellitenkontrollzentrum der ESA in Darmstadt eine energetisch günstige und wissenschaftlich interessante Flugroute aus. Rosetta musste vier Swing-by-Manöver – also nahe Vorbeiflüge – an Erde und Mars ausführen, um durch deren Schwerkraft zusätzlich Schwung zu holen. Diese „Auftank-Runden“ hatte das ESOC so geschickt gewählt, dass die Sonde zweimal den Asteroidengürtel durchqueren musste. Dadurch führte die 6,4 Milliarden Kilometer lange Route dreimal an der Erde und einmal am Mars sowie an den Asteroiden Steins (2008) und Lutetia (2010) vorbei. 

Diese Swing-by-Manöver bewirkten bei Rosetta zweierlei: Zum einen stieg ihre Geschwindigkeit auf 54 000 Kilometer in der Stunde, zum anderen erhöhte sich der Radius ihrer Umlaufbahn um die Sonne. Dabei entfernte sie sich auf eine Sonnendistanz bis zu 800 Millionen Kilometer – also bis in die Nähe der Umlaufbahn des Jupiters. Das war notwendig, um das Ziel 67P/Tschurjumow-Gerassimenko erreichen und ihn schließlich auf dem Weg zur Sonne begleiten zu können.

Da nach der Passage des 134 Kilometer großen, mit Kratern und Felsblöcken übersäten Asteroiden Lutetia für die nächsten drei Jahre nichts anlag, schaltete das ESOC die Steuerung der Rosetta-Sonde auf „Autopilot“.

Gewagte Lösung: Winterschlaf für Rosetta und Philae

Das zweite Energieproblem betraf die Stromversorgung Rosettas, die ausschließlich auf Solarzellen basiert. Doch bei einer Entfernung von über 675 Millionen Kilometern reichten die Sonnensegel der Sonde nicht aus, um die Versorgung mit Elektrizität unter allen Umständen zu garantieren.

Die vorhergesagte und tatsächliche Form von Lutetia
Die vorhergesagte und tatsächliche Form von Lutetia

 

Die Lösung war gewagt: Rosetta und ihr Lander Philae wurden am 8. Juni 2011 in einen Winterschlaf versetzt. Alle technischen Systeme, die nicht unbedingt zur Aufrechterhaltung des Fluges notwendig waren, wurden abgeschaltet. „So etwas ist vor Erreichen des Missionsziels nie zuvor versucht worden“, sagt Andrea Accomazzo, der Flugdirektor der Mission. Gott sei Dank klappte alles auf Anhieb. Nach einer 957-tägigen Tiefschlafphase konnte zunächst Rosetta am 20. Januar 2014 erfolgreich geweckt und wieder in Betrieb genommen werden. Der Lander Philae folgte am 28. März 2014.

Ankunft am Zielkometen

 

Am 6. August 2014 war es dann soweit: Nach über zehnjährigem Flug und mehr als 6,4 Milliarden Kilometern traf Rosetta mit dem Lander Philae um 11:30 Uhr MESZ an ihrem Ziel 67P/Tschurjumow-Gerassimenko ein und begann ihn zu umkreisen. Rosetta wurde damit in 405 Millionen Kilometern Entfernung von der Erde zu einem künstlichen Mond dieses Kometen.

Das erfolgreiche Einschwenken in die Umlaufbahn setzte zehn Kurskorrekturen voraus. Die Ingenieure des Europäischen Satellitenkontrollzentrums ESOC in Darmstadt mussten die Geschwindigkeit der Raumsonde an diejenige des Kometen anpassen. Sonst wäre Rosetta an ihrem Zielobjekt vorbeigeschossen. 

Erster Raumflugkörper in einer Umlaufbahn um einen Kometen

 

Mit dem Einschwenken in einen Orbit um den Kometen begann zugleich dessen globale Kartierung. In den darauffolgenden Wochen näherte sich Rosetta behutsam dem Himmelskörper, dessen größerer Teil 4.1×3.3×1.8 km und dessen kleinerer Teil 2.6×2.3×1.8 km messen,immer weiter an.

Dass der Komet aus zwei deutlich unterscheidbaren Teilen besteht, hat alle überrascht. Erwartet wurde eigentlich eine kosmische Kartoffel, doch „Tschuris“ Gestalt ähnelt mehr einer schnabellosen Gummiente.

Der Ursprung dieser eigentümlichen Form des Kometen war eine der großen Fragen seit Rosetta sein unerwartetes Aussehen im Juli 2014 enthüllte.

Der Komet besteht aus zwei unterschiedlichen Teilen
Der Komet besteht aus zwei unterschiedlichen Teilen

Hauptsächlich zwei Ideen kamen auf: fügten sich zwei Kometen zu einem zusammen oder formte lokal begrenzte Erosion eines einzigen Objektes den “Hals”?

Inzwischen haben die Wissenschaftler eine eindeutige Antwort auf das Rätsel. Mithilfe von hochauflösenden Bildern, die zwischen dem 6. August 2014 und dem 17. März 2015 aufgenommen wurden, um die Material-Schichten auf dem gesamten Kometenkern zu sehen, konnte man zeigen, dass die Form einer sachten Kollision  zweier  eigenständiger  Kometen entstammt. Mehr dazu unter:

http://www.esa.int/ger/ESA_in_your_country/Germany/Wie_Rosettas_Komet_seine_Form_bekam

1. Rosetta: Vor dem großen Finale (Special)

2. Europas Ziel: Zur Urmaterie des Sonnensystems

3. Mit Gratisenergie und Winterschlaf zum Kometen

4. Die Unwägbarkeiten der Landung

5. Pioniertat: Erste Landung auf einem Kometen

6. 67P/Tschurjumow-Gerassimenko: Ein eiskalter stinkender Brocken

7. Rosettas Leitzentrale auf der Erde

8. Das Forschungspaket des Orbiters

9. Die wissenschaftliche Nutzlast von Philae

10. Überblick: Der Komet und die Mission 

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