Roter Riese erweckt toten Begleitstern wieder zum Leben
Das ESA-Weltraumobservatorium Integral hat ein sehr seltenes Ereignis aufgezeichnet: Den Moment, in dem die Winde eines geschwollenen Roten Riesens seinen sich langsam drehenden Begleiter, den Kern eines toten Sterns, mit einem Röntgenstrahlenblitz wieder zum Leben erwecken.
Der Flimmer der Röntgenstrahlen wurde von Integral zum ersten Mal am 13. August 2017 eingefangen. Die Quelle für den Flimmer war unbekannt, kam aber aus der Richtung des Massenzentrums der Milchstraße. Die unerwartete Entdeckung löste eine Reihe weiterer Beobachtungen für die folgenden Wochen aus – mit dem Ziel, die Quelle ausfindig zu machen.
Während dieser Beobachtungen fand man einen stark magnetisierten, langsam rotierenden Neutronenstar, der offenbar von einem nahegelegenen Roten Riesen gefüttert wurde.
Sterne von einer bis zu acht Sonnenmassen entwickeln sich am Ende ihrer Lebenszeit in sogenannte Rote Riesen. Die Außenschichten blähen sich um Millionen von Kilometern auf und ihre staubige, gasförmige Hülle löst sich vom Sternenkern ab – in relativ langsamen Winden mit Geschwindigkeiten von wenigen Hundert Kilometern pro Sekunde.
Auch größere Sterne, die 25 bis 30 Mal massereicher als die Sonne sind, durchlaufen diese Entwicklung und explodieren schließlich in einer Supernova. Dabei bleibt manchmal ein sich drehender Sternenüberrest mit starkem Magnetfeld übrig – ein Neutronenstar. Diese gehören zu den dichtesten bekannten Himmelsobjekten, vereinen sie doch die Masse von fast eineinhalb Sonnen in einer Kugel mit einem Durchmesser von lediglich 10 Kilometern.
Dass Sterne paarweise auftreten, ist zwar nicht ungewöhnlich. Die Kombination aus einem Neutronenstar und einem Roten Riesen findet man allerdings extrem selten. Insgesamt sind gerade mal zehn dieser symbiotischen Röntgendoppelsternsysteme bekannt.
„Integral hat die Genese eines sehr seltenen Doppelsternsystems aufgezeichnet“, sagt Enrico Bozzo von der Universität Genf, Hauptautor des Beitrags, der die Entdeckung beschreibt. „Der Rote Riese hat seinen Begleiter, den Neutronenstern, mit einem langsamen Wind, der die notwendige Dichte aufwies, regelrecht gefüttert. So konnte die energiereiche Emission aus dem toten Sternenkern erstmals stattfinden.“
Diese Paarbildung ist besonders eigentümlich. Aufzeichnungen des ESA-Weltraumobservatoriums XMM-Newton sowie des NASA-Weltraumteleskops NuSTAR haben gezeigt, dass der Neutronenstar für eine Umdrehung zwei Stunden braucht – was extrem langsam ist, drehen sich doch andere Neutronensterne mehrmals pro Sekunde um sich selbst. Die erste Messung des Neutronenstern-Magnetfelds zeigte dann schließlich, dass dieses überraschend stark ist.
Ein starkes Magnetfeld weist üblicherweise auf einen jungen Neutronenstern hin, da man davon ausgeht, dass das Feld mit zunehmendem Alter schwächer wird. Ein Roter Riese ist dagegen erheblich älter. Das macht die beiden Objekte zu einem wahrlich ungleichen Paar.
„Das stellt uns vor ein Rätsel“, so Bozzo weiter. „Entweder schwächt sich das Magnetfeld eines Neutronensterns nicht so stark über die Zeit ab, wie bislang angenommen, oder der Neutronenstern hat sich innerhalb des Doppelsternsystems erst später entwickelt. Das würde bedeuten, dass dieser von einem Weißen Zwerg zu einem Neutronenstern kollabiert ist, nachdem er sich für eine lange Zeit von Material des Roten Riesen ernährt hat – und nicht, dass dieser Neutronenstern aus einer traditionellen Supernova-Explosion eines kurzlebigen massereichen Sterns entstanden ist.“
In einem System aus jungem Neutronenstern und altem Roten Riesen regnen die Winde des aufgeblasenen Giganten früher oder später auf den kleineren Stern hinunter. Das verlangsamt dessen Drehung und gibt Röntgenstrahlen ab.
„Wir erkunden nun seit 15 Jahren mit Integral das Weltall und uns ist so ein Objekt noch nicht untergekommen. Wir glauben, dass wir zum allerersten Mal eine Röntgenstrahlübertragung gesehen haben“, sagt Erik Kuulkers, ESA-Projektwissenschaftler für das Integral-Weltraumobservatorium. „Wir werden den Neutronenstern weiterhin beobachten. Vielleicht hat es sich hierbei ja nur um einen besonders starken, zeitlich begrenzten Wind gehandelt. Bis jetzt haben wir allerdings noch keinerlei Veränderungen aufgezeichnet.“
Das Weltraumobservatorium Integral wird vom Europäischen Satellitenkontrollzentrum ESOC (European Space Operations Centre) in Darmstadt gesteuert.
Anmerkungen für Journalisten
„IGR J17329-2731: the birth of a symbiotic X-ray binary“, von E. Bozzo et al wurde zur Veröffentlichung in der Fachzeitschrift Astronomy & Astrophysics zugelassen.
Die rasche Reaktion auf die Folgebeobachtungen wurden durch das Netzwerk SmartNet ermöglicht. Dies beinhaltete wichtige Beiträge des ESA-Weltraumobservatoriums XMM-Newton und der NASA-Weltraumteleskope NuSTAR und Swift sowie der erdbasierten Observatorien Southern Astrophysical Research Telescope, Faulkes Telescope North, Faulkes Telescope South und des Las Cumbres Observatory.
Kontakt für weitere Informationen:
Enrico Bozzo
Universität Genf, Schweiz
E-Mail: enrico.bozzo@unige.ch
Erik Kuulkers
Integral-Projektwissenschaftler bei der ESA
E-Mail: erik.kuulkers@esa.int
Markus Bauer
ESA Science Communication Officer
Telefon: +31 71 565 6799
Mobil: +31 61 594 3 954
E-Mail: markus.bauer@esa.int