Tschüss LISA Pathfinder, hallo LISA!
Nachdem schon die wissenschaftlichen Experimente alle Erwartungen übertroffen haben, hat LISA Pathfinder auch letzte Hardware-Tests erfolgreich bestanden. Am 18. Juli schaltete das Team im Satellitenkontrollzentrum ESOC in Darmstadt die Sonde endgültig ab. Es ist das Ende der wegbereitenden Mission, die Gravitationswellen vom Weltraum aus erforscht und zugleich Start der künftigen LISA Mission der ESA.
Der letzte Befehl
Das letzte Signal sandten die Flugkontrolleure gegen 20 Uhr MESZ. Eine abschließende Reihe von Computerbefehlen, die die Mission „LISA Pathfinder“ endgültig beenden und die Sonde abschalten würde. Bereits im April war das Raumfahrzeug in einen sicheren Orbit um die Sonne manövriert worden, um künftigen Weltraumschrott zu vermeiden. Die Kontrollteams am Boden in Darmstadt hatten alle Vorbereitungen getroffen, um die Sonde, die Funkübertragung und alle Geräte an Bord zu deaktivieren. Es ist das Ende einer überaus erfolgreichen und wegweisenden Forschungsreise.
„Vor LISA Pathfinder war die Erkundung von Gravitationswellen vom Weltraum aus eine theoretische Möglichkeit und ihre Realisierung verborgen hinter einer dicken, schwarzen Wand“, sagt Paolo Ferri, ESA-Direktor für den Missionsbetrieb. „Diese Mission hat jedoch eine Tür in dieser Wand geöffnet. Der Weg für eine künftige Mission ist noch lang, aber wir können jetzt damit beginnen, sie zu planen und vorzubereiten.“
Fliegendes Labor
Insgesamt 16 Monate war LISA Pathfinder unterwegs. LISA steht für „Laser Interferometer Space Antenna“ und ist die dritte große Mission im „Cosmic Vision“ Plan der ESA. Die Sonde war eine Art fliegendes Testlabor, mit dem die Europäische Weltraumagentur die Technologie erproben wollte, die für ein Weltraum-Observatorium für Gravitationswellen nötig sein wird. Gravitationswellen - wie sie schon Albert Einstein vor einem Jahrhundert in seiner Relativitätstheorie beschrieben hat – sind Schwingungen in der Struktur der Raumzeit, die durch die Beschleunigung von Masse erzeugt werden und mit einer ganzen Reihe von kosmischen Phänomenen verbunden sind wie der Explosion einer Supernova oder etwa dem Verschmelzen schwarzer Löcher.
Die Signale, die bisher nachgewiesen werden konnten, haben eine Frequenz von rund 100 Hz, doch um die viel größere Bandbreite von Gravitationswellen zu ermessen, müssen Wissenschaftler in der Lage sein, die niedrigen Frequenzen zwischen 0.1 mHz und 1 Hz zu erkunden, die freigesetzt werden, wenn beispielsweise supermassive schwarze Löcher im Zentrum der Galaxie verschmelzen. Und das kann nur vom Weltraum aus beobachtet werden.
LISA Mission
Die ESA plant bis 2034 eine Konstellation aus drei Sonden in den Orbit zu schicken, die die Gravitationswellen vom Weltraum aus erforschen sollen. Die Sonden der LISA Mission sollen in einer Dreiecksformation fliegen und über Laserstrahlen verbunden sein. Die hypersensiblen Instrumente mit der Test-Masse an Bord müssen so konstruiert und platziert sein, dass sie von allen externen und internen Kräften oder möglichen Störungen abgeschirmt sind und nur die Gravitation und mögliche Gravitationswellen messen. LISA Pathfinders Aufgabe war es daher, eine Technologie zu erproben, in der die Test-Apparatur keinerlei Bewegung oder Erschütterung ausgesetzt ist und das „in bisher nicht gekannter Genauigkeit“, so Paul McNamara, leitender Wissenschaftler bei LISA Pathfinder. Die Messgeräte wurden in der Mitte der Sonde platziert, verbunden durch einen Laser Interferometer, und geschützt durch mehrere Mikronewton-Stoßdämpfer, die die Sonde präzise um die Messegeräte herum in Position hielten. Das Testmodell war so erfolgreich, „dass die Unterschiede im Gravitationsfeld, die durch die Sonde selbst verursacht werden könnten, gleich Null waren“, berichtet Paul McNamara.
Schon die ersten Ergebnisse, veröffentlicht im Juni 2016 im Physical Review Letter, ergaben eine Präzision bei hohen Frequenzen zwischen 60mHz und 1 Hz, die alle Erwartungen in die Sonde LISA Pathfinder um das Doppelte überstiegen. Auch im niedrigeren Frequenzbereich (1 – 60mHz) waren die Resultate besser als gefordert. In den folgenden Wochen kühlten die Wissenschaftler die Sonde auf niedrigere Temperaturen herunter, mit dem Ergebnis einer nochmaligen Reduzierung von Lärm und Bewegung für die Testinstrumente im Frequenzbereich 1 bis 60 mHz. „Wir haben nicht nur die Anforderungen für LISA Pathfinder überschritten, sondern auch die geforderte Genauigkeit für die künftige LISA Mission in allen Frequenzen. Wir sind bereit für den nächsten Schritt“, freut sich Karsten Danzmann, Direktor des Max Planck Institutes für Gravitationsphysik an der Leibniz Universität Hannover, einer der Hauptkooperationspartner für die LISA Technik.
In den zurückliegenden Monaten haben die Wissenschaftler und Ingenieure zudem erfolgreich weitere Tests unternommen, um die thermischen und optischen Eigenschaften der Vakuum Umgebung der Testinstrumente zu erproben, deren Auflade-Eigenschaften zu überprüfen und zu beobachten, wie sich das Ladesystem während der Missionsdauer entwickelt. Mit an Bord waren nicht nur Technologien der Europäer und der ESA, sondern auch ein „Disturbance Reduce System“ (DRS) der amerikanischen Raumfahrtsbehörde NASA, ein ergänzendes Experiment mit eigenen Mikronewton-Stoßdämpfern.
Härtetest für die Hardware
Nach Abschluss der wissenschaftlichen Experimente waren die letzten Tage der Sonde den Flugkontrolleuren und Ingenieuren vorbehalten. Sie unterzogen die Hardware einem Härtetest, überprüften die technischen Geräte bis ans Limit. „Das gibt uns die Möglichkeit genau zu testen, wie sich Sonde und Ausrüstung im Routinebetrieb, aber auch unter ungewöhnlichen Bedingungen verhalten“, erklärt Ian Harrison, Spacecraft Operations Manager im ESOC. Ein Feedback, das auch hilfreich ist für die Konstrukteure und Herstellerfirmen der technischen Instrumente und Geräte. So untersuchte das ESOC-Team wie die Systeme von LISA Pathfinder, insbesondere der Mikroantrieb, auf thermische Einflüsse etwa durch Sonneneinstrahlung reagieren. Andere Tests analysierten die Folgen magnetischer Störungen oder untersuchten die Druckregulierung der Ventile der Stoßdämpfer.
Die Daten der Sonde wurden seit ihrem Start im Dezember 2015 bis zum letzten Tag am 18. Juli 2017 aufgezeichnet, um den Verschleiß der Hardware unter den harten Bedingungen im Weltraum genau verfolgen zu können. Die Ergebnisse sollen in Entwicklung und Design einfließen. „Diese Tests werden helfen, mögliche Einflüsse auf wissenschaftliche Ergebnisse künftiger ESA-Missionen wie LISA oder Euclid zu eliminieren“, betont Flugdirektor Andreas Rudolph.