Weltraummüll: Ein „überirdisches“ Problem
Die Menschen haben seit Jahren in der unmittelbaren Umgebung ihres Heimatplaneten ein Problem, das sie selbst geschaffen haben: Weltraummüll, im Englischen auch Space Debris genannt. Denn seit dem Start von Sputnik 1 am 4. Oktober 1957 hinterlassen sie neben Satelliten und Raumsonden auch Unmengen von Abfall verschiedenster Größe im All. Dieser bleibt teilweise Jahrzehnte oder noch länger in der Umlaufbahn und gefährdet zunehmend die außerirdischen Aktivitäten des Menschen.
Das Leben auf der Erde ist ohne Raumfahrt nicht mehr vorstellbar. Kommunikationssatelliten bringen Rundfunk, Fernsehen und das Internet bis in die letzten Winkel der Erde. Wettersatelliten helfen den Meteorologen, immer genauere Wettervorhersagen zu liefern und Navigationssatelliten haben tiefgreifende Verbesserungen im Verkehr und vielen anderen Wirtschaftszweigen herbeigeführt.
Das sind nur einige Beispiele dafür, wie Raumfahrt Wissenschaft, Wirtschaft und dem einzelnen Menschen nutzt. Gleichzeitig holen uns - wie auf unserem Heimatplaneten - auch im Weltraum die Umweltprobleme ein.
Neben hunderten Satelliten umkreisen nämlich zusätzlich Millionen Fragmente verschiedenster Größenordnung die Erde, die allgemein als Weltraummüll bezeichnet werden. Dabei kann es sich um ausgediente Satelliten, ausgebrannte Raketenoberstufen, verlorengegangene Teile, abgeplatzte Lack- oder Trümmerstücke handeln, die bei Explosionen von Oberstufen oder Satelliten entstanden sind.
Ein nicht unwesentlicher Teil entstand bei militärischen Tests sogenannter Antisatellitenwaffen. Dabei sollen gegnerische Raumflugkörper durch Rammen, Beschuss oder in deren Nähe ausgelöste Explosionen zerstört werden.
Den letzten Test dieser Art führte China am 11. Januar 2007 aus. Mehr als 3300 erfasste Fragmente gehen auf das Konto des chinesischen Tests, der in 850 Kilometern über der Erdoberfläche erfolgte. Die Trümmerteile werden die Erde noch Jahrzehnte umkreisen.
Glücklicherweise werden die meisten Fragmente nach wenigen Tagen, Wochen oder Monaten in der Erdatmosphäre vernichtet, da die dünnen oberen Schichten sie langsam abbremsen, bis sie in Richtung Erdoberfläche stürzen. Durch den Luftwiderstand mit den Teilchen der Atmosphäre verglühen sie schließlich.
Teile von großen Objekten wie Oberstufen oder sehr große Satelliten werden dabei nicht immer vollständig zum Verglühen gebracht und können durchaus auf der Erdoberfläche aufschlagen. Zuletzt passierte das beim Absturz des amerikanischen Satelliten UARS (Upper Atmosphere Research Satellite) Ende September 2011, als Fragmente des omnibusgroßen Satelliten über dem Pazifik niedergingen.
Trotz dieser „heißen“ Entsorgung in der Atmosphäre nimmt die Anzahl von Müllteilen in der Umgebung der Erde ständig zu. Und damit wird die Raumfahrt zunehmend gefährdet. So musste die Internationale Raumstation ISS bereits mehrmals Objekten, die sich ihr bedrohlich näherten, durch geringfügige Bahnänderungen ausweichen.
Und im Februar 2009 kollidierten erstmals zwei Satelliten im Weltraum (Iridium 33 und Kosmos 2.251), was zu weiteren mehr als 2200 Fragmenten, die größer als zehn Zentimeter sind, sowie eine nicht genau erfassbare Zahl noch kleinerer Teile führte.
Die Aufgabe: Müll erfassen und vermeiden
Ohne Gegenmaßnahmen besteht die Gefahr, dass die Raumfahrt bald zum Erliegen kommt. Raumfahrtexperten haben die Problematik bereits vor Jahren erkannt und 1993 eine Koordinierungseinrichtung, das Inter-Agency Space Debris Coordination Committee (IADC) gegründet. Ihm gehören zwölf internationale und nationale Raumfahrtagenturen an, darunter auch die ESA, ein Gründungsmitglied der Agentur.
Die Mitglieder des Komitees erarbeiten Empfehlungen zur Müllerfassung und -vermeidung und üben großen Einfluss auf die Arbeit des Komitees der Vereinten Nationen für die friedliche Nutzung des Weltraums (UNCUPUOS) auf diesem Gebiet aus. Die Space Debris-Aktivitäten der ESA werden von einem Space Debris Office koordiniert und durchgeführt, das beim ESOC angesiedelt ist.
Um Müll im All zu vermeiden, muss eine Datenbasis geschaffen werden, die ständig aktualisiert werden muss. Die heutigen bodengebundenen Teleskope und Radareinrichtungen erfassen aber nur Teile, die in niedrigen Orbits größer als fünf bis zehn Zentimeter sind. Wo sich noch kleinere Teile befinden, wird durch mathematische Modelle ermittelt. Hier besteht weiterer Forschungsbedarf, um die Datenbasis zu verfeinern.
Inzwischen gibt es eine Reihe von Empfehlungen und Richtlinien, die verhindern sollen, dass noch mehr Müll im Weltraum entsteht. Beispielsweise gibt es inzwischen internationale Vereinbarungen, dass ausgediente geostationäre Satelliten in einen Friedhofsorbit befördert werden. Das kann jedoch nur der Anfang sein. In dem vorliegenden Special wird die Problematik „Space Debris“ näher beleuchtet: