Außerirdische Müllabfuhr – Eine Utopie?
Bereits vor über 20 Jahren warnte NASA-Wissenschaftler Don Kessler davor, dass der Weltraummüll trotz weniger neuer Satelliten zahlenmäßig unkontrollierbar wird. Die hohe Dichte von Fragmenten in bestimmten Orbits führt ohne menschliches Zutun zu kettenreaktionsartigen Zusammenstößen, woraus weitere Fragmente entstehen. Das Phänomen der Kollisionskettenreaktion ist daher auch unter dem Namen „Kessler Syndrom“ bekannt.
Nun würde das Einstellen aller Raumfahrtaktivitäten die globale Wirtschaftswelt schockartig treffen und ist deshalb nicht realisierbar. So bleibt als Alternative nur die Stabilisierung der Weltraummüllumgebung, indem Raumfahrtorganisationen orbitale Masse aus den Umlaufbahnen entfernen (engl.: space debris environment remediation). Langfristige Vorhersagen sehen darin die einzig verlässliche Methode.
Es müsste also eine „außerirdische“ Müllabfuhr geben. Allerdings ist die Beseitigung des Mülls nicht so einfach wie auf der Erde. Selbst wenn alle raumfahrttreibenden Nationen ihren finanziellen und technologischen Beitrag leisten, steht der Welt eine gigantische Aufgabe bevor. Realistisch betrachtet ist es sinnvoll, sich auf inaktive Satelliten und Oberstufen zu konzentrieren, denn allein die Oberstufen machen etwa 75 Prozent der orbitalen Gesamtmüllmasse von 6300 Tonnen aus. Außerdem wird es in absehbarer Zeit wohl nur möglich sein, sich auf die Flugbahnen mit den größten Müllmengen in 800 bis etwa 1000 Kilometern Höhe und auf die geostationäre Bahn zu konzentrieren.
Kosmische Müllverbrennung
Wie gehen die kosmischen „Müllmänner“ nun vor?
Die Aufgabe besteht darin, Objekte mit großen Massen möglichst schnell zum Absturz in die Erdatmosphäre zu bringen. Das kann auf direktem Weg durch aktives Abbremsen geschehen oder durch eine Bahnänderung, die die verbleibende Bahnlebensdauer reduziert. Die meisten der sich anbietenden Verfahren erfordern die Annäherung an ein größeres Müllobjekt durch einen Service-Satelliten. Zur Bahnabsenkung bieten sich dann verschiedene physikalische Prinzipien an, wie beispielsweise:
- Querschnittsvergrößerung des Zielobjekts durch das Anbringen von entfaltbaren Strukturen; der höhere Luftwiderstand und/oder Solardruck beschleunigt das Abbremsen.
- Anbringen von Feststoffmotoren am Zielobjekt, die Bahnabstiegsmanöver einleiten
Die großen Müllobjekte sollen gewissermaßen durch die kosmische Müllabfuhr der Müllverbrennung in der Erdatmosphäre zugeführt werden. Die technische Machbarkeit ist sicher heute schon gegeben. Anders sieht es mit der Finanzierung eines solch gewaltigen Vorhabens aus, die bisher nicht in Sichtweite ist.
Eine „Krücke“ für geostationäre Satelliten
Bei ausgedienten Satelliten im geostationären Orbit geht es darum, diese in einen Friedhofsorbit zu bringen. Im Normalfall geschieht das heute routinemäßig. Bei Satelliten, die beschädigt oder deren Treibstoffvorräte verbraucht sind, ist das nicht mehr möglich. Deshalb arbeitet die niederländische Firma Dutch Space unter Nutzung deutschen Know Hows vom DLR und Kayser Threde seit Jahren an einem Servicesatelliten, der sich am Apogäumstriebwerk des Zielsatelliten einklinken und dann die gewünschte Bahnänderung vornehmen kann. Die Satellitenkonstruktion basiert auf den Ergebnissen einer Studie, die im Rahmen des ESA-Technologie-Programmes ARTES 4 erarbeitet wurde – ConeXpress. Der Name weist auf die Form des Satellitenkörpers (ein stumpfer Kegel) hin. Der „Orbital Life Extension Vehicle“ (OLEV) genannte Servicesatellit soll als Piggyback-Satellit bei Ariane 5-Starts in den geostationären Orbit befördert werden. Bisher erfolgte jedoch noch kein Einsatz.