New Norcia ruft Mars Express
Nach monatelangen Tests in Westaustralien und der feierlichen Inbetriebnahme am 5. März ist der erste interplanetare Lauscher der ESA, die Deep Space Ground Station (DSGS), für den Datenaustausch mit den Robotspähern in den Tiefen des Weltraums bereit. Ab Mai werden Europas Wissenschaftler und Techniker von New Norcia aus die komplizierten Bahnmanöver ihrer Raumsonde Mars Express minutiös steuern und nebenbei nach den kleinen grünen Männern auf dem Roten Planeten Ausschau halten können.
Majestätisch und im weißen Outfit hebt sich die gewaltige Schüssel von ihrer sandig gelben und grünen Umgebung ab. Rolf Martin, Leiter der Antennensektion und zugleich ESA-Verantwortlicher für die Realisierung großer Teile des gewaltigen Gesamtprojektes, gerät beim Anblick seines Werkes in der australischen Landschaft auch heute noch ins Schwärmen: "Nach langem Suchen haben wir hier auf ehemaligem Farmland für das Präzisionsinstrument den idealen Standort gefunden. Ein Hügel im Süden schirmt die Antenne gegenüber störenden Funkwellen aus der etwa 140 Kilometer entfernten Millionenstadt Perth, dem Verwaltungszentrum Westaustraliens, ab. Dagegen besteht Richtung Norden freie Sicht, so dass die künftigen Kunden, überwiegend interplanetare Weltraumsonden aus Europa, verfolgt werden können, bis sie am Horizont wieder entschwinden."
Die erste große Bewährungsprobe wird ab Ende Mai der Datenaustausch mit der ESA-Sonde Mars Express sein. Über die 630 Tonnen schwere 35-Meter-Antenne werden bereits wenige Stunden nach dem Start wichtige Steuerkommandos an das Raumfahrzeug gesendet und Daten von den Bordinstrumenten und -systemen empfangen. "Während der kritischen Phasen der Mission wird in New Norcia zwölf Stunden am Tag gearbeitet und die Station permanent mit Fachleuten besetzt sein. Normalerweise erfolgt die Fernsteuerung der Antenne jedoch vom ESOC in Darmstadt aus und in der DSGS sind nur zeitweise Servicekräfte anwesend", erläutert Nicolas Bobrinsky, Leiter der Ground Operations Division der ESA, die Modalitäten des künftigen Routinebetriebes der Einrichtung.
Woher kommen wir - wohin gehen wir?
Doch zunächst wurde nach über vier Jahren konzentrierter Arbeit das 40 Meter über australischen Boden hinausragende Gebilde feierlich seiner Bestimmung übergeben. Prof. David Southwood, Chef des ESA-Wissenschaftsprogrammes, umriss in seiner Festrede den Background für das Antennenprojekt, nämlich die anspruchsvollen Ziele des wissenschaftlichen Programms der ESA mit einer stetig wachsenden Zahl interplanetarer Missionen: "Die immer tiefer in den Weltraum reichenden Missionen sollen uns einmal die Frage beantworten: Woher kommen wir und wohin führt die Entwicklung der Menschheit?" Die Realisierung eines derartigen Programms erfordert allerdings auch auf der Erde die nötige Infrastruktur und "die neue Antenne für interplanetare Missionen ist ein großer Schritt in Vorbereitung künftiger ESA-Unternehmungen" ist sich Prof. Southwood sicher.
Mit göttlichem Segen
Gaele Winters, Direktor des Europäischen Satellitenkontrollzentrums ESOC in Darmstadt lobte besonders die gute Zusammenarbeit mit den australischen Politikern, den örtlichen Behörden und dem Benediktiner-Kloster von New Norcia, der einzigen Mönchs-Stadt Australiens. Im Gästehaus des Klosters kommen viele der Wissenschaftler während ihrer Arbeitsaufenthalte auf der Bodenstation unter. Die ESA im Kloster eine Dauerausstellung über die Bodenstation und die spannenden Wissenschaftsmissionen der Europäischen Weltraumorganisation aufgebaut, die später ständig aktualisiert wird. So können Touristen künftig auf engstem Raum in verschiedenen Ausstellungen von New Norcia – acht Kilometer nördlich des Antennenstandortes – eine Zeitreise von den Ureinwohnern Australiens, den Aborigines, bis in die Zukunft im fernen Weltraum unternehmen.
Natürlich durften die Mönche bei der Einweihung der Antenne nicht fehlen und ihr Abt, Father Placid Spearritt, segnete das europäische Wunderwerk auf australischem Boden.
Mit dem göttlichen Segen versehen kann nun eigentlich nichts mehr schief gehen, wenn die Ingenieure und Techniker in den Routinebetrieb der Station übergehen. Viel Zeit zum Ausruhen bleibt jedenfalls nicht, denn bereits vor dem 20. Mai 2003, dem geplanten Start von Mars Express, wird zum Test des Zusammenwirkens von DSGS und Raumsonde eine Verbindung zu Mars Express auf der Startrampe in Baikonur aufgenommen.